Eichstätt
Gleiche Würde und Freiheit für alle

Heiner Bielefeldt sprach im Rahmen des Forum K'Universale über Menschenrechte und Vertrauen

10.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr
Wenige Notizen an der Tafel genügten dem Menschenrechtsexperten Heiner Bielefeldt, um seinen Vortrag im Rahmen des Forum K'Universale zu gliedern. −Foto: Kusche

Eichstätt (EK) Der Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt war zu Gast bei der Vortragsreihe Forum K'Universale an der Katholischen Universität. Er erläuterte, warum Menschenrechte die Grundlage für Vertrauen bilden und warum Staaten ohne diese Voraussetzung im Chaos versinken.

Vertrauen und Menschenrechte seien geradezu komplementär, führte Heiner Bielefeldt am Montagabend in seinem Vortrag vor rund 70 Zuhörern aus. Menschenrechte können nur in einem Klima des Vertrauens wirklich gedeihen. Gleichzeitig aber tragen sie erst dazu bei, Vertrauen zu stiften. Das Gebilde, in dem beide Komponenten sich ideal ergänzen, heißt Rechtsstaatlichkeit. So einfach das auch klingt, in der Wirklichkeit vieler Staaten stoße sie an ihre Grenzen. In Ländern wie Bangladesch und Vietnam, Kenia und Indien, Kasachstan und Moldawien seien weder Menschenrechte selbstverständlich, noch herrsche dort Vertrauen in öffentliche Institutionen. In diesen fragilen, krisenhaften Konstellationen komme es immer wieder zu angeblichen ethnischen und religiösen Konflikten, hinter denen in Wirklichkeit häufig ein fundamentaler Vertrauensverlust steht.

Bielefeldt, langjähriger UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, hat als Vertreter des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Nürnberg-Erlangen einen wissenschaftlichen Hintergrund. Darüber hinaus verfügt er aber auch über jahrelange praktische Erfahrungen aus seiner Arbeit für das Deutsche Institut für Menschenrechte, Amnesty International und die UNO, für die er unter anderem religiöse Konflikte analysierte. Der Referent kam ohne die sonst übliche Powerpoint-Präsentation aus und benutzte lediglich die Tafel. Er hatte viel zu erzählen: Seine persönlichen Erlebnisse aus Moldawien, Sierra Leone oder Kasachstan machten seine Ausführungen spannend, glaubhaft und authentisch.

Vertrauen sei für die Menschheit stets ein Vorschuss, den sie gebe, eine Hintergrundgewissheit, ohne die ein gedeihliches Miteinander nicht möglich sei. In unserer als selbstverständlich erachteten Demokratie nehmen wir diese Sicherheit kaum mehr wahr. Denn wir gehen beispielsweise über eine grüne Ampel und vertrauen - zumindest in Deutschland und der Schweiz - blind darauf, dass die Autos an der roten Ampel stoppen. Vor Gericht können wir mit einem fairen Verfahren rechnen und weder Polizei- noch Finanzbeamte oder Politiker sind in der Regel bestechlich.

Ganz anders sehe der Alltag in Moldawien, Kasachstan oder Bangladesch aus, denn dort herrschten geradezu mafiöse Verhältnisse. Bielefeldt bezeichnete die dort flächendeckend grassierende Korruption als endemisch und meinte damit, dass sie alle Bereiche des Staates und der Gesellschaft einschließlich der religiösen Gruppen erfasst hat. Dadurch entstehe ein kollektives Klima der Angst und Nervosität: Der öffentliche Raum werde immer enger, verschiedene Gruppierungen lieferten sich Kämpfe um die Eroberung von Räumen, es herrsche, wie Bielefeldt es nannte, ein "mentaler Belagerungszustand". Das Vertrauen in staatliche Institutionen schwinde in solchen Gesellschaften, in denen Menschen durch religiös, ethnisch, politisch oder ökonomisch definierte Gruppierungen gespalten werden, zusehends. Selbst wenn dann, wie der Menschenrechtler es in Moldawien erlebte, ethnische und religiöse Gruppen einmal gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen, vermeiden sie jeden Blickkontakt und reden über und gegeneinander, aber nicht miteinander.

Sei das kommunikative Vertrauen erst in der Krise, so sei der Schritt zum Verlust des "Weltvertrauens" nicht mehr weit. Die jüdische Politiktheoretikerin Hannah Ahrendt prägte diesen Begriff, der die unveränderliche Faktizität der Welt bedeutet. Werden diese Fakten aber historisch verfälscht oder weltanschaulich geleugnet, so hat der gesunde Menschenverstand in einer politischen Gemeinschaft keine sichere Rückzugsbasis mehr, dann geht Vertrauen unwiederbringlich verloren.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten nach den Worten Bielefeldts die unveräußerlichen Menschenrechte, die auf den unterschiedlichsten Ebenen eine Art institutionelles Netz aufbauen - von der UNO über europäische und nationale Ebenen bis hin zu lokalen Aktivitäten. Dass derartige Transparenzprojekte durchaus gelingen können, zeigte der Vortragende am Beispiel der weltweiten Behindertenrechtskonvention sowie am Demokratisierungsprozess in Sierra Leone auf. Christen und Muslime beteiligen sich nach dem verheerenden Bürgerkrieg mittlerweile gleichberechtigt an der Nationenbildung in diesem westafrikanischen Land und ethnische Gruppen gehen relativ offen aufeinander zu - die Chance auf eine friedlichere Zukunft sei hier gegeben.

Eines der wichtigsten Menschenrechte sei in diesem Zusammenhang das Recht auf Wahrheit, das sich explizit gegen das Verschwinden von Menschen und Zeugnissen richtet. Denn Menschenrechte haben schließlich auch den Sinn, sehr schwierige Tatsachen aufzudecken und aufzuarbeiten, so der Menschenrechtsexperte. Das Recht auf Wahrheit sichere letztlich das Vertrauen der Menschen in eine Welt, in der sie sicher leben können. Dazu gehöre natürlich auch ein verantwortungsvoller investigativer Journalismus. Bielefeldt plädierte daher am Ende seines Vortrags dafür, für eine universell gültige Formel der Menschenrechte einzutreten: gleiche Würde und gleiche Freiheit für alle Menschen: "Nur so können wir am Vertrauen für alle Menschen arbeiten."