Ingolstadt
In der Hitze der Nacht

Beim ersten Warnstreik stimmen sich rund 5000 Audianer lautstark auf eine wohl längere Tarifrunde ein

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Ins Scheinwerferlicht rückten die Audianer tief in der Nacht zum Freitag. Sie erneuerten angesichts der Unternehmensgewinne in der Branche die Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn. Das Thema VW-Krise samt möglicher Vorwürfe gegen die Managerriege oder eine Boni-Diskussion blieben die Redner wie Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler und Jörg Schlagbauer von Audi aber schuldig. - Foto: Hauser

Ingolstadt (EK) Sie verlor keine Zeit: Mit dem Ende der Friedenspflicht am Freitag um 0 Uhr rief die IG Metall im Tarifpoker zu ersten Warnstreiks auf. Aus der Audi-Nachtschicht folgten kurz nach Mitternacht rund 5000 Beschäftigte, die für zwei Stunden die Arbeit niederlegten und lautstark fünf Prozent mehr Lohn forderten.

Der Musikbeauftragte der nächtlichen Kundgebung hatte einen Sinn fürs Dramatische. "Why Can't This Be Love" (Warum wird daraus keine Liebe) dröhnte es tief in der Nacht aus den Lautsprechern auf dem Überlaufparkplatz mitten im Audi-Werk. Die Metaller und die Arbeitgeberverbände haben sich mal wieder überhaupt nicht lieb in der Tarifrunde. Eine Einigung scheint (noch) in weiter Ferne, was sich auch an der Energie ablesen lässt, mit der die Gewerkschaftler schon jetzt die Beschäftigten anheizten. Beziehungsweise was sie bei dem ritualisierten Warnstreikauftakt schon an Resonanz zurückbekamen.

Rund 5000 strömten nach Gewerkschaftsangaben aus der Dauernachtschicht des Autobauers zusammen, als sie für zwei Stunden die Arbeit niederlegten. "Die Bänder bei Audi stehen still. Es ist Streikzeit bei Audi!", rief ihnen Jörg Schlagbauer, der Leiter des Vertrauenskörpers beim Autobauer, von der improvisierten Rednerbühne entgegen, als die Beschäftigten aus den Bereichen Lack, Rohbau, Werkzeugbau Montage und vielen anderen Abteilungen anmarschierten. Wo normalerweise die fertigen Autos vor dem Abtransport aus dem Werk geparkt werden, brannten die Streiktonnen. "Es ist eine kalte Nacht, aber wir machen sie zu einer heißen Nacht", sagte Schlagbauer.

Die Gemüter sind erhitzt, weil die Gewerkschaftsführung das jüngste Angebot der Arbeitgeber "als unverschämte Provokation" (Schlagbauer) deutet. Die Gewerkschaft fordert fünf Prozent mehr Lohn, in der dritten Runde boten die Arbeitgeberverbände (wenige Stunden vor Ende der Friedenspflicht) jetzt 2,1 Prozent - aber für zwei Jahre, also effektiv nur 1,05 Prozent. "Buuuuuuuuuh", brüllten die Audianer in die Nacht hinein. "Ihr gebt die Antwort!", rief dann auch Jürgen Wechsler, der bayerische IG-Metall-Chef, mit seiner rasselnden Stimme ins Mikrofon. "Auch wenn meine Stimme angeschlagen ist, für die Arbeitgeber in Bayern reicht es noch immer", krächzte er, als wäre er bereits seit Monaten im Kampfmodus. "Ein Witz!" Mehr ist die Arbeitgeber-Offerte nicht für Wechsler, der vor der Kundgebung noch in der Tarifkommission für Bayern (ergebnislos) mitverhandelt hatte - "wo auch ein Vorstand von Audi mit am Tisch saß", wie der Gewerkschaftsführer den Streikenden berichtete. Wechsler drohte: "Wenn die sich nicht innerhalb von zwei Wochen deutlich nach oben bewegen", dann werden die Streiks ausgeweitet und irgendwann richtig wehtun.

Johann Horn, der Erste Bevollmächtige der Ingolstädter IG Metall, lief als weiterer Redner angesichts von drei Grad Außentemperatur zur Höchstform auf. Man müsse wohl mit den Herrschaften spanisch sprechen - wie in Panama. In das Briefkastenfirmenparadies hätten einige der Unternehmer sicherlich ganz gute Kontakte. Bei so viel schöner Polemik riefen die streikenden Audianer sogar ernsthaft nach einer Zugabe von Horn. Die werden sie wohl an einem anderen Tag bekommen. Denn die Streikwelle beginnt erst.