Ingolstadt
"Ich war erschüttert"

Ingolstadts Sparkassen-Chef Dieter Seehofer im Interview über die Fusionspläne und den Gegenwind aus Pfaffenhofen

08.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:13 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Am Donnerstag entscheidet sich wohl endgültig, ob es eine Fusion der Sparkassen Ingolstadt, Pfaffenhofen und Eichstätt geben wird. Dann tagt der Pfaffenhofener Stadtrat in einer Sondersitzung zu dem Thema. Im Interview erzählt Ingolstädter Sparkassen-Chef Dieter Seehofer jetzt über seine Sicht der Dinge.

Herr Seehofer, in den vergangenen Tagen war viel zu lesen und zu hören, gerade aus Pfaffenhofen. Wie steht es denn aus Ihrer Sicht um die geplante Dreierfusion?

Dieter Seehofer: Die Türen sind noch nicht endgültig geschlossen. Den Eklat, dass der Pfaffenhofener Bürgermeister den Raum verlassen hat, gab es ja im Lenkungsausschuss, in dem die Mitglieder aus Ingolstadt und den Landkreisen Pfaffenhofen und Eichstätt die wichtigen Fragen vordiskutieren sollten, um sie dann in den zuständigen Gremien zu behandeln und die entsprechenden Beschlüsse zu fassen. Und die zuständigen Gremien sind die jeweiligen Verwaltungsräte für die Sparkassen und die jeweiligen Verbandsversammlungen, die die Eigentümer repräsentieren. Darüber hinaus gibt es dann den Gesamtvorstand jeder Sparkasse, der sich natürlich auch eine Meinung bilden muss. Ich bin nur berufen, für Ingolstadt zu sprechen.

 

Allerdings haben sich andere Mitglieder des Lenkungsausschusses auch schon geäußert, und zwar nicht nur zu ihrer eigenen Sparkasse. Deswegen die Frage: Ist die Dreierfusion auch aus Ihrer Sicht gescheitert?

Seehofer: Am 15. Februar haben wir bereits eingeladen, unseren Verwaltungsrat, unsere Verbandsversammlung und unser Eigentümergremium, um die weitere Vorgehensweise final zu besprechen und zu beschließen. Da werden die Beschlüsse gefasst, die heißen können: Ja, es geht zu dritt weiter oder eben nicht. Im Moment spricht aber sehr viel dafür, zu sagen, eine Dreierfusion würde auf zu wackeligen Beinen stehen.

 

Und das, obwohl im Vorfeld immer zu hören war, dass die drei Sparkassen-Vorstandsvorsitzenden alle der Meinung waren, dass die Fusion sinnvoll ist.

Seehofer: Die gesamten Vorstände der drei Sparkassen wollten die Fusion. Nach intensiven Diskussionen und der Beurteilung der Zukunftsaussichten hatten wir gesagt, dass es einen tiefen Sinn gibt, über eine Fusion nachzudenken. Und das ist nach wie vor die Meinung der Vorstände. Wir sind alle drei unter den Top 5 der erfolgreichsten Institute in ganz Bayern und im Ergebnis alle relativ nah beieinander.

 

Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker sieht seine Stadt vor allem beim Thema Gewerbesteuer klar benachteiligt. Er hatte ja sogar ein eigenes Gutachten vorgelegt.

Seehofer: Der Vorwurf ist schlichtweg falsch. An der sogenannten Sachfrage der Gewerbesteuer hätte es nicht scheitern dürfen. Man kann sich ja ausrechnen, wie sich eine Fusion auf die Gewerbesteuer auswirkt. Da gibt es auch objektive Gutachten des bayerischen Sparkassenverbandes. Und es ist unbestreitbar, dass speziell die Stadt Pfaffenhofen, um die es ja geht, gewerbesteuerlich keinen Nachteil gehabt hätte, aber für sich einen besonderen Vorteil generieren wollte. Wenn man es nur an den Größenverhältnissen ableitet: Da hätte die Stadt Pfaffenhofen in diesem Dreigestirn der Sparkassen einen Anteil von knapp acht Punkten, reklamiert aber in ihrem eigenen Gutachten für sich einen Gewerbesteueranteil von über 17 Punkten nach der Fusion. Dass die anderen da nicht mitmachen konnten, das erklärt sich von selbst. Das hätte auch null Chancen auf politische Realisation gehabt.

 

Wenn man die Äußerungen des Pfaffenhofener Bürgermeisters und einiger anderer Stadtvertreter - unter anderem auch auf Facebook - verfolgt hat, hört sich das ganz anders an.

Seehofer: Derart komplexe Themen, die kann man nicht über Facebook lösen. Da redet jeder mit und keiner versteht etwas. Die Gewerbesteuer war der Sachbezug, den der Herr Herker hergestellt hat. Darüber hinaus gibt es - ich unterstelle das jetzt mal - ein Stück politische Inszenierung. Da werden auch bestimmte Herrschaften instrumentalisiert.

 

Sie meinen den Altbürgermeister Hans Prechter, der sich öffentlich über das Ingolstädter Verhandlungsgebaren beschwert hat.

Seehofer: Ja. Ich war etwas erschüttert, das sage ich auch ganz offen. Der Altbürgermeister von Pfaffenhofen hat Äußerungen getätigt, wie das wohl im Lenkungsausschuss zugeht, auch spezifisch auf mich ausgerichtet - obwohl er gar nicht dabei war. Ob man so Verantwortung definiert, wenn man als stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender in Pfaffenhofen mit in der Verantwortung für die Sparkasse steht, da habe ich ein anderes Verständnis.

 

Haben Sie die Situation vielleicht auch unterschätzt?

Seehofer: Ich hätte niemals erwartet, dass man sich schon bei den Einstiegsthemen in einem kriegsähnlichen Zustand befindet, das gebe ich ganz offen zu. Es gibt ja eine einstimmige Beschlussfassung der Verwaltungsräte aller drei Häuser, die alle drei Fusionsgespräche führen wollten.

 

Irgendwas muss da gewaltig schiefgelaufen sein. Aus Herkers Sicht haben besonders Sie bei den Treffen mit Ihrem Auftreten für Missstimmung gesorgt.

Seehofer: Wenn man mal eine Umfrage unter den Lenkungsausschussmitgliedern starten würde, wer da für welches Klima zuständig ist, hätten wir eine relativ eindeutige Meinungsbildung - ich behaupte, die qualifizierte Mehrheit. Wenn es irgendwo Probleme gegeben hat, dann war das von der einen Seite ausgelöst und von sonst niemandem.

 

Könnten Sie sich da überhaupt noch an einen Tisch setzen?

Seehofer: Wir haben auch weiter geredet, nachdem Herr Herker den Raum verlassen hatte. Aber da ist natürlich schon einiges in die Brüche gegangen.

 

Sie hätten die Zahlen auch offenlegen können. Warum haben Sie das nicht getan?

Seehofer: Es ist völlig undenkbar, das im Rahmen einer normalen Stadtrats- oder Kreistagssitzung so zu behandeln, dass jeder einen vollen Durchblick hätte. Das hat nichts mit mangelnder Transparenz zu tun. Im Lenkungsausschuss, dem zuständigen Gremium, war jede Zahl jedem zur Verfügung gestanden.

 

Die Bürger fragen sich natürlich, was ihnen eine Fusion - egal, ob mit zwei oder drei Sparkassen - bringen würde. Viele haben Angst, dass alles noch teurer wird.

Seehofer: Als Geschäftspartner ist man immer dann der richtige Geschäftspartner, wenn man gesund ist und wenn seinen Beitrag dazu leistet, weiterhin gesund und leistungsfähig zu bleiben. Wir sind auch nicht die einzigen auf der Welt, die über Fusionen nachdenken.

 

Also werden die Kunden die Fusion gar nicht spüren, weder positiv noch negativ?

Seehofer: Das kann man so nicht sagen. Wenn der Kunde beim Berater X oder Y ist, würde sich daran natürlich nichts ändern. Im beratenden Bereich haben wir überhaupt keinen Abbau von Personal vorgesehen. Und wir haben im Moment auch keine Planungen, welche Filialen wir nächstes oder übernächstes Jahr reduzieren. Aber wir müssen natürlich etwas anpassen.

 

Wo zum Beispiel?

Seehofer: Wenn man zwei oder drei Häuser zusammenführt, bleiben wir mal bei zwei, dann hast du zwei Organisationsleiter, dann wird das wahrscheinlich eine Organisationsabteilung. Und wenn ich weiß, jetzt mache ich aus drei Vorstandssekretariaten eines, dann ändert sich da auch was.

 

Wie ist denn die Stimmung in der Belegschaft?

Seehofer: Es gibt viel Irritation wegen der Reaktionen in der Öffentlichkeit, das ist klar. Wir müssen jetzt aus der Phase der Unsicherheit und der Irritation, wenn man es so beschreiben will, in eine ruhige Phase kommen, damit jeder weiß, woran er ist. Auch im Interesse der Menschen, die für uns am Kunden dienen. Das ist viel, viel wichtiger als die Gewerbesteuerfrage. Und wenn es im Rahmen einer Fusion Umzüge gibt, soll auch das geklärt werden. Ich möchte gerne im Februar Klarheit haben, weil die eigentlichen Aufgabenstellungen gehen ja dann erst an: Wie führt man die Kultur zusammen, wie führt man die Menschen zusammen, was haben wir für eine Philosophie, wer hat welche Führungsfunktion?

 

Auch Vorstände wird es nicht mehr so viele geben.

Seehofer: Wir sind sieben, da müsste natürlich reduziert werden. Ich werde ohnehin bald in Ruhestand gehen. Und der Stefan Meyer aus Pfaffenhofen genauso, da ließe sich viel machen. Ich habe in der Führungskräfteklausur gesagt: Je höher die Hierarchiestufe im Haus ist, desto stärker muss die Verunsicherung eigentlich sein. Trotzdem haben die Führungskräfte die Verantwortung, das Ganze auch positiv mit ihren Mitarbeitern zu begleiten.

 

Im Falle einer Dreierfusion hätten mittelfristig über die normale Fluktuation 100 Stellen eingespart werden sollen. Wie viele wären es bei einer Zweierfusion?

Seehofer: Pfaffenhofen und Eichstätt sind in etwa gleich groß, dementsprechend würde die Zahl noch mal auf die Hälfte runtergefahren.

 

Nach unseren Informationen war auch schon ein Neubau geplant.

Seehofer: Es hat Überlegungen gegeben, das ist richtig. Wenn es statt einer Dreier- eine Zweierfusion gibt, muss man sich halt Gedanken machen, ob wir dann einen zig Millionen Euro teuren Neubau hinstellen. 100 Leute mehr könnte ich nicht am Rathausplatz hinsetzen, aber 30, 40 Leute kann man umverteilen. Also spricht einiges dafür, dass man dann auch die hohen Investitionen nicht braucht.

 

Dann hätte der bevorstehende Ausstieg Pfaffenhofens also auch etwas Gutes.

Seehofer: Es gibt wie überall im Leben nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile. Das könnte auch wie ein Turbo auf die Gemeinschaft derjenigen, die nach wie vor wollen, wirken. Es hat allerdings auch Ansätze gegeben, von Pfaffenhofen nach Eichstätt rüberzuschießen und zu sagen: Dann zerstören wir auch diese Fusion. Das kritisiere ich sehr scharf.

 

Wie beurteilen Sie denn die jüngsten Signale aus Wolnzach und Geisenfeld, die als Miteigentümer der Sparkasse ebenfalls die Verhandlungsführung des Pfaffenhofener Bürgermeisters kritisieren?

Seehofer: Es ist eine interessante Diskussion, aber Schadenfreude wäre ein schlechter Ratgeber.

 

Sie sind ja nicht ohne Grund mit zwei Sparkassen in die Verhandlungen getreten. Sollte jetzt Pfaffenhofen tatsächlich ausscheiden, gäbe es die Option, irgendeine andere Sparkasse anzusprechen?

Seehofer: Wir sind sehr bewusst die Dreierfusion angegangen, weil das den Wirtschaftsraum Ingolstadt meines Erachtens gut abbildet und weil ja die Landkreise Eichstätt und Pfaffenhofen bereits Miteigentümer der Sparkasse Ingolstadt sind. Und ich bin nicht der Auffassung, dass man jetzt jeden auflesen sollte, der irgendwo auf der Straße daherkommt. Wir glauben, dass auch eine Zweierfusion eine tolle Wirkung haben kann, wir stehen auf Platz zwei und drei in Bayern, da ist Kraft da, da gibt es eine natürliche Verbindung.