Eichstätt
"Das ist inhumane Politik"

Grünen-Landesvorsitzender Eike Hallitzky im Gespräch

21.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

Eike Hallitzky ist einer der beiden Vorsitzenden der Grünen in Bayern und war kürzlich in Eichstätt zu Besuch. - Foto: Rolf Poss

Eichstätt (DK) Der Grünen-Landesvorsitzende Eike Hallitzky über Abschiebehaft und Integration

Herr Hallitzky, Ihrer Meinung nach stehen die Grünen für Geradlinigkeit und klare Sprache. Welche klaren Worte finden Sie zur bayerischen Asylpolitik?

Eike Hallitzky: Die bayerische Asylpolitik ist inhuman. Sie bekämpft nicht Fluchtursachen, sondern sie bekämpft Flüchtlinge. Und sie bekämpft alle, die dafür sorgen, dass Menschen sich gut integrieren können. Das werden Ihnen die Helferkreise sagen, das wird Ihnen die Industrie- und Handelskammer sagen, die Handwerker, die diese Leute einstellen wollen. Überall da, wo man sich bemüht, zu integrieren und vor allem wo die Flüchtlinge selbst ihren Beitrag leisten, um sich zu integrieren, da werden ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen. Das ist wirklich eine inhumane Politik. Wir sehen das jetzt auch an der Abschiebehaftanstalt hier in Eichstätt: Ein Mensch, der nichts anderes getan hat, als dass er hier ist, dass man den ein halbes Jahr einsperren kann, als wäre er ein höchst krimineller Straftäter, das gehört sich einfach nicht.

 

Ihre Kollegin in der bayerischen Grünen-Doppelspitze, Sigi Hagl, hat gesagt, dass sie auf effiziente Asylverfahren setzt. Das klingt nicht viel anders als bei der derzeitigen Regierung. Was verstehen Sie unter effizient?

Hallitzky: Es ist ein Paket. Zum einen müssen wir ernst damit machen, Fluchtursachen zu bekämpfen. Das heißt zum Beispiel: Warum geht Bayern nicht hin und nimmt sich eine Region in Afrika oder in der arabischen Welt - Baden-Württemberg hat zum Beispiel eine Provinz in Kurdistan genommen - und sagt, wir versuchen jetzt mit dem Staat, mit den Unternehmen, mit den Hochschulen, mit den Eine-Welt-Initiativen diese eine Region zu stabilisieren. Das zweite ist, die Menschen die hier sind, kann man in manche Gebiete auf gar keinen Fall abschieben. Dazu zählt Afghanistan. Effizient heißt dann, die Verfahren zügig durchzuführen, effizient heißt aber auch, dass wir eine Regelung für ein Bleiberecht brauchen für Menschen, die schon wirklich lange da sind. Da sollten wir einen Schnitt machen, denn die brauchen in den Asylverfahren dermaßen viel Zeit, dass es dadurch nicht möglich ist, Asylverfahren zügig zu bearbeiten.

 

Sie sprechen von sehr langfristigen Maßnahmen. Da ist es doch fraglich, ob sich das politisch durchsetzen lässt. Haben Sie auch Ideen, wie man kurzfristig etwas verändern kann?

Hallitzky: Sie können nicht kurzfristig die Welt verbessern. Sie müssen den Willen zeigen, dass sie etwas bewegen wollen, ob Sie das im Klimaschutz machen, ob Sie das bei den Nitratwerten im Wasser hier in Eichstätt machen, ob sie das in der Flüchtlingspolitik machen, Sie müssen anfangen. Und das hat dann eine große Dynamik. Man darf das nicht unterschätzen. Das funktioniert aber auch nur, wenn ich das Signal gebe: Wir wollen die Menschen, die hier sind, gut integrieren. Und dann rede ich nicht den ganzen Tag über irgendwelche Grenzkontrollen nach Österreich oder irgendwelche Obergrenzen und baue Abschiebegefängnisse, sondern dann stecke ich meine Kraft und meine Botschaften wirklich in das Gelingen von Integration.

Wie würden die Grünen denn mit dem Instrument Abschiebehaft umgehen, wenn sie an der Regierung wären?

Hallitzky: Haft ist für mich etwas, das dann stattfindet, wenn jemand ein entsprechendes Verbrechen begangen hat. Und Flüchtlinge haben nichts getan. Man kann Meldepflichten einführen. Man kann sagen: Du meldest dich täglich oder alle drei Tage hier oder da bei der Polizei. Das reicht doch völlig. Und wenn dann ein kleiner Teil davon untertaucht, irgendwo findet man die wieder. Wir haben eine Vorstellung in unserer Verfassung von Menschenwürde, die vom Einzelnen ausgeht. Wenn Sie irgendwo sind und Sie werden erst mal in den Knast gesteckt, dann geht das nicht von Ihnen aus, sondern Sie stehen dann für ein Kollektiv, und es wird Ihnen unterstellt, dass Sie was Böses im Schilde führen. Das widerspricht völlig meinem Demokratie-, meinem Rechts- und Werteverständnis. Deswegen ist unsere klare Botschaft, dass Menschen, die nichts gegen unser Gesetz getan haben, nicht in den Knast kommen. Punkt.

 

Sollen sogenannte Gefährder auch nicht in Abschiebehaft?

Hallitzky: Wissen Sie, diese Gefährder-Debatte - verhindern tut man sowieso nichts damit. Hätte man dem Amri eine Fußschelle (elektronische Fußfessel, Anm. d. Redaktion) angelegt, das hätte überhaupt nichts geändert. Der hätte trotzdem den Weihnachtsmarkt angegriffen. Man muss sich grundsätzlich bei dieser Frage überlegen, ob die Dinge, die man tut - sei es Videoüberwachung auf zentralen Plätzen, sei es Abschiebehaft -, ob das ein Mittel ist, was taugt und was angemessen ist. Und bei tatsächlichen Gefährdern könnte man überlegen, wie man die kontrolliert. Aber dafür würde sich mit Sicherheit kein Abschiebegefängnis lohnen, denn da gibt es ja nur zwei, drei Fälle in Bayern. Hier in Eichstätt werden ja Menschen in Haft genommen, die nichts getan haben.

 

Die Fragen stellte

Katrin Poese.

 

 

ZUR PERSON

Eike Hallitzky, Jahrgang 1959, wurde 2014 zum Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen gewählt - in einer Doppelspitze mit der Landshuterin Sigi Hagl. Der gebürtige Kölner lebt schon lange in Niederbayern. Er war Landtagsabgeordneter und ist heute noch Kreisrat und Gemeinderat im Landkreis Passau.