Eichstätt
Spektakulärer Überholvorgang im All

Mittwoch früh: Blick vom Blumenberg gen Osten – Wenn die Venus auf der Sonnenscheibe "wandert"

04.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Franz Zitzelsberger mit seinem „C90“-Teleskop, mit dem er Mittwoch früh den „Venustransit“ verfolgen will - Foto: chl

Eichstätt (EK) Unter Todesgefahr segelt James Cook mit seiner „Endeavour“ acht Monate um die Welt, um pünktlich am 3. Juni 1769 auf seinem Posten auf Tahiti zu sein. 243 Jahre später tut sich Franz Zitzelsberger deutlich leichter. Doch beide haben das gleiche Ziel: den „Venustransit“ live miterleben.

Astronomen in aller Herren Länder fiebern jetzt der Nacht auf Mittwoch entgegen, wenn die Venus sich in gerader Linie zwischen Erde und Sonne als kleiner dunkler Fleck über die Sonnenscheibe schiebt. Auch der Eichstätter Hobbyastronom Franz Zitzelsberger ist auf dieses „Jahrhundertereignis“ vorbereitet. Der Pensionist ist Vorsitzender des Vereins Sternwarte Ingolstadt e.V., und für die Vereinszeitung wird er das Ereignis dokumentieren. Am Mittwoch früh um 5.15 Uhr steht er mit seinem Celestron 90-Spiegelteleskop mit 1000 Millimeter Brennweite und 40-facher Vergrößerung auf einer der Bschütthalden am Blumenberg und wartet mit Blick gen Osten auf den Sonnenaufgang.

„K3 wird in Eichstätt um 6.37 sein, K4 um 6.55 Uhr.“ Aha. Der Fachmann lächelt und erklärt: Er meint jene wissenschaftlich besonders interessanten Phasen, wenn die Venus als kleiner Punkt die Randbereiche der Sonnenscheibe erreicht: K3 ist der innere Randbereich, K4 der äußere. Und letzterer ist für Astronomen seit Jahrhunderten besonders interessant. 1769 hatten über 200 Wissenschaftler an verschiedenen vorherbestimmten Positionen in aller Welt das Ereignis mitverfolgt – darunter eben auch James Cook – und aus dem Vergleich ihrer Messdaten ließ sich erstmals der Abstand zwischen Erde und Sonne errechnen: 150 Millionen Kilometer – das war viel, viel weiter als bis dahin gedacht.

Und auch von diesem „Venustransit 2012“ erhoffen sich die Astronomen neue Erkenntnisse, letztlich sogar bis hin zur Frage, ob es jenseits unseres Sonnensystems noch Planeten, auf denen Leben möglich ist, geben könnte.

Wie das gehen soll? Zitzelsberger kann das selber nicht bis ins Detail ausrechnen, aber die Zusammenhänge doch im Groben aufzeigen: In jenem Moment, in dem die Venus die Sonnenscheibe nur noch ganz am Rand berührt („K4“), lässt sich mit dem richtigen technischen Gerät auch die Atmosphäre der vorüberziehenden Planeten sichtbar machen und Rückschlüsse auf deren chemische Zusammensetzung ziehen. Und wenn sich das nun jetzt beim „Venustransit“ nachweisen lässt, müssten sich daraus Rückschlüsse auch für entferntere Sonnen und ihre begleitenden Planeten ziehen lassen.

Doch das geht dann auch den meisten Hobby-Astronomen zu weit, selbst wenn Zitzelsberger meint: „Wenn man das physikalische Prinzip versteht, dann macht das Beobachten noch viel mehr Spaß.“ 2004 erst gab es ein Himmelsspektakel dieser Art. Zum nächsten „Venustransit“ kommt es dann erst wieder in 105 Jahren. Acht Jahre, dann 105 Jahre? Für kundige Astronomen sind das ganz logische Abfolgen. Zitzelsberger hat die erklärende Computersoftware dazu: Da zieht der Lauf der Planeten rund um die Sonne in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft rasant beschleunigt, aber exakt getaktet, über den Bildschirm, und dabei wird auch dem Laien klar: Die Venus „überholt“ die Erde beim Kreisen um die Sonne alle neun Monate – wenn sie auf die Erde zuläuft, so wie heute noch, dann ist sie der Abendstern, wenn sie von der Erde wegläuft, also ab Mittwoch, ist sie der Morgenstern. Alle 18 Monate stehen Sonne, Venus und Erde auf einer Linie – dass die Venus aber tatsächlich vor der Sonne durchläuft und dort der „Transit“ vor deren heller Scheibe als dunkler Punkt zu sehen ist – das passiert dann erst wieder 2117.

Es ist also tatsächlich ein „Jahrhundertereignis“, das – falls es nicht zu bewölkt ist – mit dem Aufgehen der Sonne am Mittwoch früh auch über Eichstätt zu sehen sein wird. Allerdings warnt Zitzelsberger eindringlich davor, einfach so den Blick zur Sonne zu richten: „Das kann zu irreparablen Schäden führen.“ Für sein Teleskop hat der Hobbyastronom verschiedene Filter, wer ohne Technik in den Himmel blicken will, sollte dringend einen Augenschutz aufsetzen – am besten eine jener SoFi-Brillen vom 11. August 1999. Auch wenn der „Venustransit“ in der breiten Öffentlichkeit sicher nicht die Aufmerksamkeit finden wird wie jene große Sonnenfinsternis vor 13 Jahren – für Zitzelsberger und seine Vereinskollegen ist er ein ganz besonderes Ereignis.