Eichstätt
Ein Buch weckt gemischte Gefühle

"Mein Kampf" von Adolf Hitler in kommentierter Fassung fordert auch die Eichstätter heraus

08.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

14 Regelmeter verbotene Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus werden in der „Remota-Abteilung“, dem „Giftschrank“ der Eichstätter Unibibliothek am Hofgarten, gehütet, darunter auch über ein Dutzend Exemplare von „Mein Kampf“. Im Bild Leiterin Constance Dittrich. - Fotos: Auer

Eichstätt (EK) 70 Jahre lang war dieses Buch in Deutschland verboten – seit Freitag ist es in einer umfangreich kommentierten Form wieder im Handel: Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Im Vorfeld hatte es große Diskussionen über dieses Buchprojekt gegeben. In Eichstätt hält sich das Interesse in engen Grenzen.

Der örtliche Buchhandel hat nicht den Eindruck, dass mit der 59 Euro teuren, zweibändigen, umfassend kommentierten Neuausgabe dieses Machwerks ein Geschäft zu machen ist. Die Buchhandlung St. Willibald ist mit sechs Vorbestellungen der „Spitzenreiter“, die Kunden sind zumindest zum Teil Wissenschaftler der Universität. Maria Rupprecht, Chefin von 34 Buchhandlungen in ganz Bayern, hat in ihrer Eichstätter Filiale aktuell drei Vorbestellungen. Die Bestellungen seien durch die Berichterstattung in den vergangenen Tagen überall stark gestiegen, sagt sie. Man habe intern lange diskutiert, wie mit dem Thema umzugehen sei. Jetzt aber sei sie der Ansicht, die kommentierte Fassung sei eher positiv zu sehen: „Ich hoffe, dass dieses Buch dadurch seinen großen Symbolcharakter verliert.“ Buchhändlerin Annina Peter von der Buchhandlung Sporer in der Gabrielistraße sagt: „Bei uns gab es keine einzige Anfrage“ – und sie macht keinen Hehl daraus, dass sie damit gut leben kann. Sie habe die Diskussion über das Buch verfolgt. „Ich war etwas entgeistert, ich dachte: Das muss doch nicht sein.“ Aber eines sei klar: „Wenn schon, dann soll es in dieser kommentierten Form erscheinen.“

Ihr Kollege Christoph Cebulla von der Buchhandlung Cebulla an der Ostenstraße meint zur Frage nach Bestellungen. „Null Reaktion – und damit bin ich sehr zufrieden.“ Cebulla: „Wer dieses Buch lesen will, geht in eine Bibliothek. Und wer’s zu Hause haben will, dem ist nicht zu helfen.“

Da wären also die öffentlichen Bibliotheken oder Büchereien gefragt, und die sind vielfach in kirchlicher Trägerschaft. Wolfgang Reißner, der Leiter der Diözesanstelle für Büchereiarbeit im Bistum Eichstätt, betreut über den St. Michaelsbund 103 Büchereien in der Diözese. „Die größeren Stadtbibliotheken werden das Buch sicherlich anschaffen“, vermutet er. Die kleinen Büchereien dagegen würden es wahrscheinlich erst auf Anfragen mehrerer Leser in den Bestand aufnehmen. Er selbst, so Reißner, sei bei der Einschätzung dieses Buchprojekts „sehr gespalten“. Der Urtext sei „eine Hetzschrift, die katastrophale Folgen hatte“. Anderseits habe er, Reißner, als früherer Deutschlehrer „ein gewisses Vertrauen in die Mündigkeit des Lesers“, sei sogar selbst interessiert an der kommentierten Ausgabe: „Vielleicht tue ich es mir selber an.“

Gemischte Gefühle hegt man an den beiden Eichstätter Gymnasien in Sachen „Mein Kampf“. Das Buch als Basis des Nationalsozialismus wird zwar bereits im Geschichtsunterricht der neunten Klassen thematisiert unter der Frage: „Hätte man die Katastrophe nicht vorhersehen können“ Aber nun steht erstmals auch der Quelltext zur Verfügung. Adalhard Biederer, Direktor des Gabrieli-Gymnasiums (GG), gibt sich abwartend: „Das ist ein sensibles Thema, das wirklich einen reflektierten Umgang erfordert.“ Wenn, dann man müsse man tief einsteigen, denn manche Argumentationen Hitlers wirkten oberflächlich betrachtet scheinbar plausibel. „Wenn man da nur zehn Minuten Zeit dafür hat, dann wird man scheitern.“ Umgekehrt bestehe mit der Neuveröffentlichung die Chance, „diese Suada aus der Ecke des Verbotenen herauszuholen, das ja mit einer gewissen Faszination verbunden sein kann.“ Biederers Ankündigung: „Wir setzen uns damit auseinander. Das ist möglich.“

Sein Kollege Claus Schredl vom Willibald-Gymnasium kündigte an: „Die Lehrer-Fachschaft Geschichte wird sich bei uns mit dem Thema auseinandersetzen, damit jeder Lehrer ein gewisses Rüstzeug hat.“ Die Lehrer könnten dann versuchen, die Quellen in den Lehrplan zu integrieren. Eventuell werde auch ein Exemplar für die Schulbibliothek angeschafft, sagt Schredl. Wichtig sei ihm, dem Werk keine Aufmerksamkeit zuzuschreiben, die es nicht verdiene. „Wir werden das alles ruhig, unspektakulär und wachen Auges angehen.“