Eichstätt
"Wir müssen mehr vom Kuchen abgeben"

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller fordert bei Vortrag an der KU zu nachhaltigem Denken auf

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Seine „schönsten Jahre erlebt“ hat Entwicklungsminister Gerd Müller als Student an der KU. Nun kehrte er zurück, um den Studenten mit seinem Vortrag die Rolle von Nachhaltigkeit zu verdeutlichen - Foto: tjs

Eichstätt (EK) Für seine mitunter scharfen Worte ist Gerd Müller bekannt. Auch seinem Vortrag zum Thema Nachhaltigkeit an der Universität verlieh der Entwicklungsminister einige Schärfe: Er warnte davor, die Welt durch fahrlässigen Umgang mit Ressourcen zur Apokalypse zu führen.

Nachhaltigkeit wird an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) großgeschrieben. Forschung, Lehre sowie Campusmanagement seien darauf ausgelegt, das Nachhaltigkeitskonzept stets weiterzuentwickeln, wie Moderatorin Ingrid Hemmer erklärte. „Das Ziel ist es, die Welt zukunfts- und lebensfähiger zu machen“, sagte sie.

Dementsprechend voll besetzt war der Hörsaal, in dem Gerd Müller am Mittwochabend seinen Vortrag „Deutsche Entwicklungspolitik – Nachhaltigkeit als Leitprinzip“ hielt. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung war einst selbst Student an der KU. Mit dem Schwerpunkt Pädagogik, Psychologie und Politikwissenschaft habe er hier seine „schönsten Jahre erlebt“, wie er versicherte. Nur eines hatte er mit einem Augenzwinkern zu bemängeln: „Seitdem ist aber nichts renoviert worden.“

Viel mehr zu beklagen hatte Müller den menschlichen Umgang mit den Ressourcen der Erde. „Wir sind die erste Generation, die die Welt zur Apokalypse führen kann“, warnte er gleich zu Beginn. „Dies gilt es zu verhindern.“ Die Menschheit stehe in der Verantwortung für kommende Generationen: „Wir sind nicht die Letzten, die das Licht ausmachen.“

An vielen Zahlen verdeutlichte Müller, wie gravierend er die Situation einschätzt. Das Problem machte er am Bevölkerungswachstum fest. „Jeden Tag werden 230 000 Menschen geboren“, erklärte er. „Sie hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck und brauchen Wasser und Nahrung.“ In Afrika etwa werde sich die Bevölkerung in diesem Jahrhundert verdoppeln.

In rund 16 Jahren werde 30 Prozent mehr Wasser auf der Erde benötigt. „Es wird Kriege um Wasser geben“, prophezeite Müller. Außerdem müssten 50 Prozent mehr Energie und eben so viel Nahrung produziert werden – „auf einem Planeten, der nicht größer wird, sondern der sogar Nutzfläche durch Verwüstung und Bodenerosion verliert“. Um das Ressourcenproblem auf den Punkt zu bringen: „Würden in Zukunft alle Menschen so wie wir in einer Wegwerfgesellschaft leben, bräuchten wir bald drei Erden, um unseren Bedarf zu decken.“

Dabei gebe es durch intelligente Technologien Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken: „Mit weniger Energie mehr Leistung erzielen.“ Manchmal sei das bereits gelungen, so zum Beispiel in der Autoindustrie. „Während mein Auto früher mit 15 Litern gefahren ist, braucht es heute nur noch sechs“, erzählte der 59-Jährige. Nachhaltigkeit sei als Leitprinzip anzusehen.

Zur Ressourcenknappheit komme laut Müller das Verteilungsproblem hinzu: „Die Industrieländer machen nur 20 Prozent der Menschheit aus, verbrauchen aber 80 Prozent der Ressourcen und besitzen 90 Prozent des Reichtums.“ Der Entwicklungsminister forderte seine Zuhörer zu einem neuen Denken auf: „Wir müssen mehr vom Kuchen abgeben.“ Denn Nachhaltigkeit in einer globalen Welt bedeute, Verantwortung für alle zu übernehmen.

Das Prinzip der Nächstenliebe sei durch „neue Partnerschaften im globalen Miteinander“ umzusetzen. Die KU könne zum Beispiel dazu beitragen, indem sie mehr ausländische Studierende aufnähme. „So können Sie interkulturell lernen und Freunde auf der ganzen Welt finden“, appellierte Müller an die Studenten.

Bei allen Schreckensbildern lohne es sich also, sich zu engagieren. „Und das am besten sofort“, sagte Müller. Mit einem nachhaltigen Leben zu beginnen könnte bedeuten, gleich heute fair einkaufen zu gehen. Denn eines wolle er schon einmal sagen: „,Geiz ist geil’ ist ein dummer Spruch.“ In diesem Fall zumindest.