Eichstätt
Durch keinerlei Stilzwänge gebremst

Die Stampferkrippe ist immer noch eine Eichstätter Besonderheit Eine Rückschau

04.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Eichstätt (EK) Die Stadt Eichstätt hat 2011 die Stampferkrippe erworben und durch Kunsthistorikerin Dr. Christina Grimminger inventarisieren lassen. Der Förderverein Stadtmuseum Eichstätt hat etliche der wertvollsten Figuren aus dem Gesamtbestand fotografiert und möchte nun dieses einmalige Dokument Eichstätter Volkskunst noch einmal der Öffentlichkeit vorstellen.

"Von Haus aus waren meine Eltern für Krippen sehr eingenommen. Jeden Sonntag in der Krippenzeit nach der Nachmittagsandacht in Sankt Walburg pilgerten wir zum Weber Linz und waren ganz begeistert von seinen Darstellungen. Dazu seine Erklärungen: Bei der Hochzeit von Kana hatte er immer als Parallele eine Bauernhochzeit unserer Gegend. Da hörte man dann: Da sitzt das Brautpaar, das ist der Herr Pfarrer und da sitzt der Herr Bezirksamtsmann. Die Kranzljungfern waren auch dabei, mit Wachsstöcken, rund geringelten, Bierfässer standen auch bereit, und der Bräuknecht hatte, wie es sich gehörte, eine lederne Schürze."

Das schrieb der damals 86-jährige Pfarrer Sand an Konrad Held über seine Krippenbesuche im Eichstätt des frühen 20. Jahrhunderts. Sand war ein Krippennarr, und seine Begeisterung über die Darstellungen des heiligen Geschehens veranlasste ihn, eben diese Krippe nach dem Zweiten Weltkrieg der späteren Besitzerin, der Witwe des Gärtners Steidl, der die Krippe geerbt hatte, abzukaufen. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde sie durch Vermittlung von Konrad Held an die Familie Stampfer weitergegeben. Die Weihnachtsgeschichte und die begleitenden biblischen Szenen sollten im Haus der Familie Stampfer eine neue Heimat finden und vor allem der Bevölkerung gezeigt werden.

Mit diesem Geschenk des Pfarrers hat die Stampferkrippe ihre wertvollsten Bestandteile erhalten. Hauptgruppen sind wie bei vielen anderen volkstümlichen biblischen Darstellungen der Zug der Könige und die Bürgerwelt, die die Herbergssuche und die Hochzeit zu Kana bevölkerten.

Hunderte ungefähr 20 Zentimeter hohe Figuren mit individuellen Gesichtern, wunderbar bunten, fantasievollen Kostümen und Trachten bevölkern das Geschehen und schaffen ein Panorama farbiger Volkstümlichkeit und orientalischer Pracht, immer eingebettet in ein biblisches Parallelgeschehen, in eine überirdische Sphäre.

Berufs- und Bevölkerungsgruppen aus der Vergangenheit ziehen an uns als Begleiter der Hochzeit zu Kana vorbei: Metzger, Bräuknecht, Köchin, Bäcker, Pfarrer, Kutscher, Vogelfänger, aber auch feine Damen und rustikale Trachtler. Alle sind dabei, gruppieren sich um die fromme Geschichte und wollen am himmlischen Geschehen teilhaben.

Die heilige Szenerie wird mit einem riesigen Volkszulauf bestückt. Erst recht im Zug der Könige, in dem sich orientalische Pracht und Farbigkeit in der Gestaltung der Figuren ausleben. Der Aufbau der Figuren wurde in einer Serie von Dias, die im Diözesanarchiv lagern, festgehalten. Die unterschiedlichsten Köpfe wurden in Wachsmodeln gegossen, dann auf ein Holz-Drahtgerüst montiert, entsprechend unterfüttert und schließlich mit aufwendiger regionaler Tracht oder orientalischem Prachtgewand ausgestattet.

Leinen, Brokat, Samt, Goldborten und handgeklöppelte Spitzen, Hütchen aller Art und Goldlitzenkrönchen geben den Figürchen ihren hohen Reiz und zeigen eine handwerkliche Freude am Feinen und Kleinen, die man fast als handwerkliche Meditation, eine Art tätiges Gebet der einfachen Leute zu Ehren der Geburt des Christkindes sehen kann.

Himmlisches trifft auf Hiesiges, und beide Sphären toben sich in der Stampferkrippe buchstäblich aus. Denn die Darstellung der biblischen Geschichten hat in den Stampfers überaus eigenwillige Regisseure gefunden. Aufnahmen aus den frühen 1980ern zeigen ein wahres Wimmelbild. Eine Überfülle von Figuren, Tieren und Requisiten belebt eine liebevoll arrangierte, aber ebenfalls übervolle Landschaft aus Steinen, Moos, Kiefern- und Schlehenzweigen garniert mit Strohblümchen aller Art und Farbe. Auf der einen Seite des Weihnachtsgeschehens werden Adam und Eva mit Flammenschwert aus dem Paradies vertrieben, auf der anderen Seite tummeln sich die Hirten mit unzähligen Schafen, die gar nicht weit von Löwen, Tigern und anderen exotischen Paradiesbewohnern friedlich grasen. Die Heiligen Drei Könige mit Riesengefolge sind auch nicht fern, sie ziehen mit ihrem prachtvollen orientalischen Reitern zwischen der Krippe und der Beschneidungsszene umher. Eine Schar von Puttchen schwirrt über der Geburtsstätte, und darüber waltet eine Heerschar feierlicher Erzengel vor Bethlehemkulisse unterm Sternenhimmel. Das alles ganz ungeniert zwischen einem fränkisch-mittelalterlichen Turm und einer Wegkapelle.

Heiliges und Profanes, Biblisches und Regionales treffen sich auch in den anderen dargestellten Szenen dieser Wandelkrippe: Jesus als Zimmermann in Nazareth arbeitet bei den Stampfers in einer funktionsgerecht ausgestatteten bayerischen Werkstatt des 19. Jahrhunderts. Daneben sitzt Maria im Rosenhaag und betrachtet freundlich ihren Sohn, vor ihnen zieht ein Ochsengespann friedlich seinen Weg durch Ackerfurchen.

So viel unorthodoxe Stilmelange war selten, überwältigt aber den Betrachter nach all den schönen, stilisierten Krippen, die man sonst überall sieht. Die Stampfers haben mit ihrer einfachen, durch keinerlei Stilzwänge gebremsten Frömmigkeit den lieben Gott auf sehr besondere Art nach Eichstätt geholt, und die Eichstätter mit ihren Familien haben es ihnen jahrzehntelang durch eifrigen Besuch gedankt.