Eichstätt
Vom Lastenträger zum Aktivisten

Adveniat-Gast Orlando Luis Machado berichtete über das Engagement für faire Arbeit in Venezuela

12.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:05 Uhr

Auf Einladung von Weltkirche-Referent Gerhard Rott, KHG-Pastoralreferentin Kristin Langos, Hochschulpfarrer Stefan Weig (von links) und Dr. Monika Pfaller-Rott von der Fakultät für Soziale Arbeit der KU Eichstätt (rechts) berichtete der ehemalige Lastenträger Orlando Luis Machado (Mitte) über das Adveniat-Projekt in Venezuela. Begleitet wurde er von Adveniat-Länderreferent Reiner Wilhelm; Gitarrist Alejandro Conza aus Abenberg (3. von rechts) bereicherte den Abend musikalisch. - Foto: Kusche

Eichstätt (EK) Kaum jemand kennt die Situation Tausender von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die sich in Venezuela ihr tägliches Brot als Lastenträger verdienen, besser als Orlando Luis Machado.

Er schleppte schon als 14-Jähriger tagein, tagaus schwere Lasten auf dem Großmarkt von Maracaibo, der Zweimillionenstadt an der Nordwestküste Venezuelas. Heute setzt er sich mit Unterstützung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat für den Schutz, die Organisation und faire Arbeitsbedingungen vor allem junger Menschen auf dem Großmarkt von Maracaibo ein und er ist zugleich Generalsekretär des Weltverbands der Christlichen Arbeiterjugend (JOC). Auf Einladung des Referats Weltkirche, der Katholischen Erwachsenenbildung und der Fakultät für Soziale Arbeit der KU Eichstätt gab Machado Einblicke in die harte Realität vieler Tausend Venezolaner im Kampf ums tägliche Überleben.

Schuhputzer, Zeitungs- und Saftverkäufer, Lastenträger - gerade in Lateinamerika ist der Anteil von Menschen, die ohne jede soziale Absicherung im sogenannten "informellen Sektor" tätig sind, schon immer sehr hoch. So auch in Venezuela auf dem Großmarkt "Las Pulgas" - "Die Läuse" - in der Hafenstadt Maracaibo: 22 Städte rund um diese Großstadt werden von diesem Markt versorgt, 300 000 Menschen strömen hier tagtäglich über das Gelände. Rund 3700 Arbeiter sind dort im formellen und informellen Sektor tätig, darunter auch 700 Lastenschlepper, die jüngsten von ihnen 13 bis 14 Jahre alt. Per Leihkarren bewegen sie Lasten zwischen 95 und 120 Kilogramm über holprige Böden, berichtete Machado. Er kennt die widrigen Umstände, wuchs der vom indigenen Volk der Wayuu stammende Venezolaner doch selbst in einer der Wellblechhütten am Rande Maracaibos auf. Mit 14 verließ er das Elendsviertel, schlug sich als Lastenträger durch, durchlebte bitterste Armut, Diskriminierung, Drogen und Gewalt. Als Lastenträger tätig zu sein bedeute, eine Arbeit ohne geregelte Arbeitszeiten, ohne Schutzkleidung, mit unsicherem Niedrigstlohn zu haben - kurz: eine Arbeit ohne Würde und ohne Fairness. "Hier treffen die jungen Menschen auf ein ganzes Ensemble von Problemen, die einen ungünstigen Einfluss auf ihr Leben haben", erläuterte Machado.

Dennoch: Tausende junger Venezolaner sind auf den Großmarkt angewiesen, bedauert der engagierte Vertreter der JOC (Juventud Obrera Cristiana). Denn der Arbeitsmarkt im krisengeschüttelten Venezuela hat für Menschen mit geringer Schulbildung keine Arbeitsplätze zu bieten. Inflation und Rezession haben viele Betriebe zur Schließung gezwungen, so dass nahezu ein Drittel aller Venezolaner in der Schattenwirtschaft ums Überleben kämpft.

Genau hier setzt die Arbeit von Machado und der bereits seit über zehn Jahren von Adveniat unterstützten Christlichen Arbeiterjugend an Orten wie "Las Pulgas" an. In den Fokus rücken dabei die in jeder Hinsicht unfairen, entwürdigenden und damit unmenschlichen Arbeitsbedingungen, die Adveniat heuer in ihrer Jahresaktion unter das Motto "Faire Arbeit. Würde. Helfen." gestellt hat. "Wir wollen den jungen Lastenträgern neue Horizonte aufzeigen", formuliert Machado das Ziel der JOC.

Der Verband will die Jugendlichen organisieren, sensibel für Werte machen, die sie alle verbinden: Verantwortungsgefühl, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und der Wunsch nach einer würdigen Arbeit. Die Erfahrung, dass sie gemeinsam viel erreichen und sich gegen Diskriminierung und Ausbeutung zur Wehr setzen können, trägt schon Früchte: "Die Lastenschlepper beginnen sich zu organisieren, indem sie ihr Geld für Zement zusammenlegen, um verletzungsträchtige Unebenheiten auf dem Boden der Markthallen auszubessern. Sie tragen inzwischen gelbe T-Shirts, die sie als organisierte Lastenträger ausweisen - und werden viel respektvoller behandelt", erzählte Machado begeistert. Über einen eigenen "Marktradiosender" rufen die JOC-Mitarbeiter auf "Las Pulgas" zu Treffen, gemeinsamen Essen und Austausch auf.

Machado findet viele lobende Worte für die langjährige Unterstützung des Hilfswerks Adveniat, das zahlreiche Arbeitsbereiche finanziere, ohne selbst als "Experte" aufzutreten. Vielmehr würden die Jugendlichen selbst als die "Experten" betrachtet, die die besten Problemlösungen finden. So, schloss Machado überzeugt, erhielten die jungen Menschen ihre Würde zurück: "Die Jugendlichen sollen sehen, dass sie wichtig sind in dieser Welt und dass jeder einzelne Wertschätzung verdient!"

Mit wunderbaren Liedern des virtuosen peruanischen Gitarristen Alejandro Conza aus Abenberg klang der hochinteressante Vortragsabend in der KHG aus.