Eichstätt
Vokalmusik auf höchstem Niveau

Jubiläumskonzert des Chorensembles Crescendo im Holzersaal der Sommerresidenz

14.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr
Das Vokalensemble Crescendo feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen. Beim Jubiläumskonzert überraschte der Chor seine Hörer mit unbekannten Werken und anspruchsvollen Interpretationen. Mayer −Foto: Mayer Edgar

Eichstätt (max) Der Name ist Programm, wie das Jubiläumskonzert im Holzersaal bewies: Das Vokalensemble Crescendo, das sich vor genau zehn Jahren aus sangesfreudigen Schülern und Schülerinnen verschiedener Eichstätter Schulen gründete, um geistliche Chormusik der neueren Zeit zu erarbeiten, ist zu einem Kammerchor herangereift und - nomen est omen - gewachsen, der sich zu einem Chor der Spitzenklasse entwickelt hat und keine Vergleiche zu scheuen braucht. Zu verdanken hat das Ensemble diese Tatsache unter anderem seinem überragenden musikalischen Leiter, dem aus Obereichstätt stammenden Volker Hagemann.

Er verriet, dass der Chor sich am kommenden Wochenende beim vom Bayerischen Musikrat ausgerichteten "Bayerischen Chorwettbewerb 2017" mit den besten Chören Bayerns vor einer Fachjury messen wird. Dazu hat der Chor sechs neue Chorwerke einstudiert, die im Rahmen des Jubiläumskonzertes allesamt zu hören waren.

 

Im übervollen Holzersaal der Sommerresidenz stellte der Chor mit einem beeindruckenden Programm, angesiedelt zwischen alten kirchenmusikalischen Schätzen, hochromantischem Liedgut, gewichtigen und bewegenden Kompositionen aus dem späten 19. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, seine außergewöhnliche Klasse unter Beweis.

Gleich im ersten Chorsatz, der achtstimmigen Motette "Am Neujahrstage" von Felix Mendelssohn-Bartoldy bestach der Chor durch die rhythmische und dynamische Lebendigkeit, mit der der mächtige und bildhafte Psalmtext ausdrucksstark gedeutet wurde. Nicht anders bei "Herr, lass meine Klage" von Johann Schein aus "Israelsbrünnlein", das zum wertvollsten kirchenmusikalischen Schatz der evangelischen Kirchenmusik vor Bach gehört. Man spürt sofort, dass hier ein Dirigent am Pult steht, der sein Handwerk versteht und mit historischer Aufführungspraxis vertraut ist. Die filigrane Stimmführung, häufig ausnotierte Verzierungen und historisch definierte Tempowechsel verlangen dem Chor beim Abschwingen und Abphrasieren von langen Noten, Haltetönen und Punktierungen alles ab.

Crescendo sang im weiteren Verlauf auch Chorwerke aus vergangenen Konzerten, so das bereits in der Crescendogründerzeit gesungene "Erbarme dich unser" von Wolfgang Buchenberg oder die Komposition des nahezu vergessenen Dresdner Kreuzkantors Rudolf Mauersberger "Wie liegt die Stadt so wüst", die dieser unter dem Eindruck der zerstörten Stadt am Karsamstag 1945 entstehen ließ: "Ist das die Stadt, von der man sagt, sie sei die allerschönste, der sich das ganze Land freuet?" Mit einer perfekt austarierten rhythmischen, melodischen und harmonischen Balance zeigte der Chor während des gesamten Konzertes, was mit dem "Musikinstrument" menschliche Stimme alles möglich ist.

Da durften auch Streifzüge durch meisterhaft auskomponierte und interpretierte volksliedhafte Sätze wie Max Regers "In einem kühlen Grunde" oder Buchenbergs höchst anspruchsvolles Arrangement "Kein schöner Land" genauso wenig fehlen wie der Eichstätter Brückenschlag nach Würzburg: Dieser war im Programm durch die den Würzburger Domsingknaben gewidmete tänzerische Volksliedkomposition "Es führt über den Main" des Eichstätter Domkapellmeisters Christian Heiß gegeben.

Was diesen Chor noch auszeichnete, war neben dem wunderbaren Gesamtklang eine ausgezeichnete Sprachverständlichkeit, zu der der akustisch gut geeignete Holzersaal seinen Teil mit beitrug: "Ich höre eine Heerschar" von Harald Genzmer, das ging durch Mark und Bein, so als sei man selbst persönlich gemeint gewesen. Dieses Stück war ein Teil des neu einstudierten Blocks, bei dem es nach dem düsteren, trüben Hugo-Wolf-Stück "Resignation" politisch zeitgenössisch aktuell wurde. Der von Martin Luther stammende Text "Friede und gute Zeit" wurde von Thomas Buchholz (*1961) rhythmisch anspruchsvoll vertont, seine dynamische Vielfalt bringt Leidenschaft und Engagement für eine Zeit zum Ausdruck, für die es sich lohnt, auch mit musikalischen Mitteln, kraftvoll und mit Nachdruck zu kämpfen.

Eine spezielle Vorliebe hat Hagemann zu zeitgenössischer Chormusik aus skandinavischen und baltischen Ländern entwickelt, die er gerne in seine Chorprogramme einbaut. Im Jubiläumskonzert erinnerte das mit atemberaubender Leichtigkeit dargebotene "Tykus, tykus" des litauischen Komponisten Vaclovas Augustinas (*1959) an diese Passion.

Der langanhaltende, herzliche Beifall des Auditoriums zeigte, dass der Chor, der unter dem Dachverband des Bayerischen Sängerbundes Mitgliedschor im Sängerkreis Donau-Altmühl ist, inzwischen von einer großen Fangemeinde getragen und wertgeschätzt wird.