Eichstätt
"Vielfalt der Kulturen schätzen"

Schüler berichten zum "Tag des Vorlesens" in der Grundschule St. Walburg aus ihren Herkunftsländern

25.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Märchen aus vieler Herren Länder, aber auch die Erlebnisse eines Klassenkameraden, der mit seinem Vater aus Syrien nach Deutschland geflohen ist, bekamen die Grundschüler aus St. Walburg beim »Tag des Vorlesens« zu hören. - Fotos: Kusche

Eichstätt (EK) Beim „Tag des Vorlesens“ an der Grundschule Sankt Walburg drehte sich alles um das Thema Integration und kulturelle Vielfalt. Unter dem Motto „Die Vielfalt der Kulturen schätzen“ erzählten sich die Schüler Geschichten aus aller Welt.

Eine große Weltkarte im Treppenhaus, zahlreiche Fotos aus aller Herren Länder, die Namen der Schüler der verschiedenen Klassen: Sankt Walburg ist schon längst eine internationale Schule – fast jedes dritte Kind, das hier die Schulbank drückt, ist nicht in Deutschland geboren. Was läge da näher, als den bundesweiten „Tag des Vorlesens“ unter das Motto „Die Vielfalt der Kulturen schätzen“ zu stellen und einen Schwerpunkt auf das Thema Integration zu legen? Neben den Geschichten gab es auch Informationen zu dem Land, aus dem die Geschichte stammt.

Eine Stecknadel hätte man fallen hören können, als Hamzeh (9) aus der Klasse 3 b mit belegter Stimme von seiner dramatischen Flucht aus Syrien im März 2014 erzählt. Zusammen mit seinem Vater Souhyb Kassem sei er über den Libanon geflohen, dann mit einem kleinen Schiff über das Mittelmeer gefahren, das jedoch auf hoher See kenterte. Fünf Stunden, so erzählt der Drittklässler, durchlitten er und sein Vater Todesängste im Wasser, bis sie durch ein größeres Schiff aufgenommen und gerettet wurden. Dann sprudelt es förmlich aus dem Jungen heraus – gerade so, als ob er die unfassbare Odyssee voller Gefahren und Ängste noch einmal durchlebe. Im Gefängnis seien sie gelandet, berichtet er den angespannt lauschenden Mitschülern, von korrupten Schleppern für viel Geld zu falschen Zielen transportiert worden. Aber dann, im Juni 2014, haben sie endlich Deutschland erreicht, im August sind sie in Eichstätt angekommen. Über eineinviertel Jahre sollte es jedoch noch dauern, bis er auch seine Mutter und Schwester wieder in die Arme nehmen konnte. Darüber hat auch der EICHSTÄTTER KURIER mehrfach berichtet.

Dann greift Hamzeh entschlossen zu dem einzigen syrischen Buch, das ihm seine Mutter aus der Heimat mitbringen konnte: „Der Sohn von Adam“. Bei der syrischen Sprachprobe stellen die Kinder erstaunt fest, dass Hamzeh von rechts nach links liest: „Klar, das ist bei allen arabischen Dialekten so“, erklärt Hamzeh nicht ohne Stolz. Nach nur einem Schuljahr in Sankt Walburg spricht und versteht er nahezu perfekt Deutsch.

Auch Yuriko aus Japan, die im April 2015 in die Klasse 3 b von Rektorin Bettina Sterner gekommen ist, hat unglaublich schnell Deutsch gelernt – wenngleich sie noch ein wenig schüchtern ist und lieber ihre Mutter das Märchen „Rapunzel“ auf Japanisch vorlesen lässt. Nuri ist in Deutschland geboren, spricht perfekt türkisch und zeigt auf dem interaktiven Whiteboard zielsicher auf den Wohnort seiner Großeltern – das türkische Erzurum. Seinen Mitschülern liest er die jahreszeitlich passende Geschichte vom „Schneeball“ vor, an deren Ende er seinen Klassenkameraden erklärt: „Im Koran steht, dass man nichts Schweres auf Menschen oder Tiere werfen darf“ – und das gelte auch für Schneebälle.

Bevor ein Festmahl mit einem großen Buffet mit Spezialitäten aus vielen verschiedenen Ländern den Vorlesetag im Klassenzimmer beendet, präsentiert Laura mit ihrer polnischen Mutter noch ein Märchen auf Polnisch. Auch in anderen Klassen erfuhren die Sankt-Walburg-Schüler an diesem Tag vieles über andere Kulturen, Länder und Bräuche. „Wir unterrichten inzwischen fast 30 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund und haben jetzt natürlich auch schon viele Flüchtlingskinder in den Klassen“, berichtet Vizerektorin Schwester Scholastika Hermann.

Auch sie hat den Tag des Vorlesens in ihrer Klasse unter den Integrationsgedanken gestellt und einige Eltern eingeladen, ein Märchen nach Alexander Puschkin auf Russisch, ein Gedicht auf Tschetschenisch, ein Märchen auf Slowakisch und eine Geschichte auf Englisch als Grundverständigungssprache vieler Migranten und erste Fremdsprache der Kinder in der Grundschule vorzulesen.

Die Mädchen und Buben lauschten begeistert. Dass sie für ihr konzentriertes Zuhören sogar noch „hausaufgabenfrei“ bekamen, war schließlich noch ein Extrabonbon an diesem außergewöhnlichen Tag.