Eichstätt
Verbeugung vor den Eichstätter NS-Opfern

28.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Gunter Demnig setzte die Steine während der Ansprachen, hier für das Ehepaar Liebmann am Marktplatz 2.

Eichstätt (EK) 1933 waren 27 jüdische Mitbürger in Eichstätt registriert, Ende 1938 war es kein einziger mehr. Mit „Stolpersteinen“ wird jetzt auch in der Stadt Eichstätt an jüdische Bürger erinnert, die Opfer des NS-Regimes geworden sind.

Manchen der jüdischen Mitbürger Eichstätts gelang angesichts des Rassenwahns in Deutschland unter der Herrschaft der Nationalsozialisten im „Dritten Reich“ die Flucht, andere wurden deportiert und ermordet, von einigen fehlt jede Spur. Schüler des P-Seminars „Stolpersteine“ am Gabrieli-Gymnasium haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Gedenken an Eichstätter Juden im Stadtbild wachzuhalten und haben gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig dessen Aktion „Stolpersteine“ jetzt auch nach Eichstätt gebracht.

Nach zweijähriger Vorarbeit wurden nun am Mittwoch sieben Steine an fünf Standorten in der Innenstadt gesetzt. In über 500 Städten in Deutschland gibt es bereits solche „Stolpersteine“, Eichstätt ist nun die erste in der Region. Die Aktion ist in einigen Städten durchaus umstritten – bekanntlich wird in München derzeit kontrovers darüber diskutiert, auch im Zentralrat der Juden in Deutschland gehen die Meinungen auseinander. Die ehemalige Vorsitzende Charlotte Knobloch gilt als entschiedene Gegnerin dieser Aktion, ihr Amtsnachfolger Dieter Graubmann hatte sich 2014 auf eine Anfrage der Stadt Eichstätt positiv geäußert. Der Stadtrat hatte sich daraufhin im November 2014 einstimmig dafür ausgesprochen. Oberbürgermeister Andreas Steppberger würdigte nun bei der Verlegung der Steine am Mittwoch die „vorbildliche und nachahmenswerte Initiative“ der Schüler. Steppberger teilt die Auffassung des Künstlers Gunter Demnig: „Wer den Namen des Opfers lesen will, muss sich herunterbeugen. In diesem Moment verbeugt er sich vor ihm.“ Auch Landrat Anton Knapp lobte die Bedeutung der Aktion „wider das Vergessen“.

Die wohl wichtigste Zustimmung zu diesem Projekt kam jedoch von John Dachauer (60) und seiner Schwester Ellen Kaplan, geborene Dachauer (55). Die Enkel von Hermann und Emilie Dachauer waren für diese Aktion eigens aus den USA angereist (siehe eigenen Beitrag). Während ihrem Vater Simon Dachauer die Flucht in die Vereinigten Staaten gelungen war, sind ihr Großvater Hermann 1942 im KZ Theresienstadt und ihre Großmutter Emilie 1944 im KZ Auschwitz zu Tode gekommen. Als Gunter Demnig vor deren früherer Wohnstätte in der Luitpoldstraße 14 zwei Steine verlegte, zeigten sich beide sichtlich gerührt. John Dachauer sagte auf englisch: „We are very happy to have this stones placed“, er sei aso überaus glücklich, dass diese Steine hier nun gesetzt seien. Dieser Tag sei „one of the highlights in my life“, einer der Höhepunkte seines Lebens.

Der erste Eichstätter „Stolperstein“ war zuvor Salomon Guttentag gewidmet, der mit seinem Sohn Egon und seinem Schwiegersohn Paul Freymann am Domplatz 5 ein Kaufhaus geführt hatte, das bereits 1922 erstmals mit Hakenkreuzen besudelt und ab 1933 boykottiert wurde. 1936 beugten sich die Guttentags dem Druck, verkauften das Kaufhaus am Domplatz und wanderten nach Südafrika aus, wo Salomon Guttentag 1961 gestorben ist.

In der Marktgasse 3 platzierte Gunter Demnig einen „Stolperstein“ zum Gedenken von Rosa Löw. Sie und ihr Mann lebten hier über 40 Jahre, bevor beide 1934 nach München fliehen mussten. 1938 starb ihr Mann in München, Rosa Löw wurde 1942 nach Treblinka deportiert und dort ermordet.

Am Marktplatz 2 lebte das Ehepaar Max und Flora Liebmann, bevor sie 1936 nach Würzburg kamen. Von dort wurde Max Liebmann 1942 nach Theresienstadt verschleppt, wo er 1943 starb. Flora Liebmann ereilte das gleiche Schicksal, sie starb ein Jahr vor ihrem Mann in Theresienstadt.

Der letzte Stein dieser Aktion wurde in der Pfahlstraße 17 gesetzt. Er erinnert an Wilhelm Schimmel, der 1939 verhaftet und wegen Devisenverbrechens zu Zuchthaus verurteilt worden war. 1942 wurde er der Gestapo übergeben, sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Als Vertreterin der Diözese verwies Claudia Grund auf die die Bedeutung dieser Steine: „Sie erinnern daran, zu was Menschen fähig waren und fähig sind. Sie erinnern an das Unfassbare, an die Diskriminierung, Diffamierung, Verfolgung und Ermordung von Menschen wegen ihres Glaubens.“

Brun Appel vom Gesprächskreis Judentum – Christentum hatte das Projekt unterstützt und bemerkte nun: „Diese ersten Steine müssen durch weitere ergänzt werden.“