Eichstätt
"Und plötzlich eine Familie"

Rund 20 Jugendliche aus vier Nationen zu interkulturellem Erasmus-Austausch in Eichstätt

22.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:31 Uhr

Eine große Gemeinschaft: Jugendliche aus Portugal, Frankreich, Deutschland und aus den Flüchtlingsunterkünften in Eichstätt nahmen an der "Interkulturellen Jugendbegegnung" auf dem Eichstätter Campingplatz teil. - Foto: Schmölz

Eichstätt (EK) Eine Woche lang nahmen Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren aus Portugal, Frankreich, Deutschland und den Flüchtlingsunterkünften aus Eichstätt am Erasmus-Plus-Programm "Interkulturelle Jugendbegegnung" teil. Dabei ging es um das Miteinander und das Thema Nachhaltigkeit.

Action in der gemeinsamen Küche. Während ein junger Mann mit braun gebrannter Haut und schwarzen Haaren eifrig in einem großen Kochtopf mit Reis, Hühnerfleisch und einigen anderen Zutaten herumrührt, werden an einer separaten, kleineren Kochstelle geschnittene Kartoffeln in einer orangefarbenen Soße zubereitet. Es riecht nach Gewürzen, Gemüse und gebratenem Fleisch. "Heute sind wir dran mit kochen", erklärt einer der jungen Männer. Jeden Abend ist eine Gruppe der Jugendlichen dafür eingeteilt, etwas Traditionelles aus der Heimat zu kochen.


Die Teilnehmer des Erasmus-Plus-Programms "Interkulturelle Jugendbegegnung" teilen sich am Vorabend bei einer gemeinsamen Zusammenkunft für die bevorstehenden Aufgaben am nächsten Tag ein. Eine Wäscheklammer, auf der der Name der jeweiligen Personen steht, wird auf eine Tafel mit bunten Feldern wie "Breakfast", "Media" oder "Flair, Fire, Cleaning" (FFC) angebracht. Die Stimmung ist ausgelassen.

"Ich habe gehofft und gewusst, dass es möglich ist, aber dass sie so schnell so zusammenwachsen, das finde ich einfach faszinierend", erklärt Claudia Treffer, Leiterin des Programms und Kreisjugendpflegerin. "Alle laufen mit einem Riesen-Grinsen herum." In den sieben Tagen seien sehr schnell intensive Freundschaften entstanden. Manche der Flüchtlinge haben in den ersten drei Tagen mehr Freundschaft erfahren, als in den Jahren davor, obwohl der erste Tag aufgrund des Unbekannten und der sich noch entwickelnden Kommunikation etwas schwierig war. Mittlerweile sei die Stimmung aber "extrem toll", was nicht zuletzt den täglichen Team- und Kommunikationsübungen zu verdanken sei.

Die "Interkulturelle Jugendbegegnung", für die die Kommunale Jugendarbeit im Landkreis Eichstätt über das Erasmus-Programm Fördermittel abgreifen konnte, zielt auf zwei Schwerpunkte ab: Zunächst steht die Förderung des interkulturellen Verständnisses im Vordergrund, bei dem die Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten der Kulturen erkannt werden sollen. Zudem soll das Programm die Integration Geflüchteter und die Verständigung der Teilnehmer fördern. Teil davon ist auch die Beseitigung von Vorurteilen jeder Art ist. Vor allem durch das intensive Zusammenleben erhoffen sich die Organisatoren ein positives Ergebnis, weshalb die Teilnehmer selbst über Nacht in Zelten am Eichstätter Campingplatz bleiben. Der zweite Schwerpunkt kann als Bildungsauftrag aufgefasst werden. Jugendliche sollen lernen, eine nachhaltige Lebensweise zu führen. So sollen sie während der Jugendbegegnung nur regionale, faire und Bioprodukte konsumieren, sich über die Lebensweisen in ihrer Heimat austauschen und über Themen wie Achtsamkeit Gedanken machen.

Dazu gehören auch Meditationen, Workshops wie das Herstellen von Naturkosmetik und eine Dialogwanderung, in der unter anderem die Frage nach dem Glück thematisiert wird. Vor allem das Leben der Flüchtlinge sei ein interessanter Aspekt, sagt Treffer. Die Portugiesen und Franzosen seien erstaunt gewesen, wie gut die Geflüchteten in die deutsche Gesellschaft integriert sind. Der Kontakt mit ihnen sei für sie nichts Selbstverständliches, sogar etwas völlig Neues. Laut Treffer unterschätzen viele Menschen die Schicksalsschläge der Flüchtlinge. In den Diskussionen berühren diese jedoch alle Anwesenden. "Die Essenz aus der Frage nach dem Glück war: So hart das Leben auch sein mag, so schlimm das Schicksal auch ist, es gibt immer glückliche Momente", erklärt Treffer.

Die meisten Flüchtlinge wissen nicht besonders viel über Nachhaltigkeit, was ganz einfach daran liegt, dass sie sich aufgrund der Umstände in ihrer Heimat nicht damit auseinandergesetzt haben. Daher können die Teilnehmer noch viel voneinander lernen. "Ich habe gelernt, dass man bestimmte Sachen wie Plastik nicht einfach wegwirft, was ich einkaufen sollte und was besser nicht", verkündet ein junger Mann, der ursprünglich aus Somalia kommt, stolz. Um der Öffentlichkeit ihre gemeinsame Arbeit zu zeigen und um als Anstoß für weitere Projekte in dieser Richtung zu dienen, dreht die kleine Gruppe Kurzfilme und Tutorials, die den gesamten Wochenablauf und damit auch die Methoden widerspiegeln. Themen dieser Formate sind zum Beispiel nachhaltige Kleidung, Recycling oder ein "Repair Café". Außerdem dient dieses Programm als Vorreiter eines geplanten größeren Projekts, welches in der Zukunft in Zusammenarbeit mit dem Juze und den Flüchtlingen stattfinden soll. Um das Gelernte und auch die gesetzten Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, schreiben die Jugendlichen einen Brief an sich selbst, der ihre Wünsche und Forderungen an die eigene Person enthält und ihnen in drei Monaten zugeschickt wird.

Letztendlich bewertet Claudia Treffer das einwöchige Programm als einen großen Erfolg: "Wir haben wahnsinnig viel für die Nachhaltigkeit angestoßen", sagt sie. Auch in Sachen Verständigung kann das Programm nur positiv bewertet werden. "Es macht ,klick' und plötzlich ist es eine Familie."