Eichstätt
Zwischen Vorurteilen und Modernität

Lehrerin Özlem Özcan-Dalkaya über das Frauenbild in ihrer Familie und wie die Liebe sie nach Eichstätt brachte

24.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Mit ihrer kleinen Familie führt Özlem Özcan ein glückliches Leben in Deutschland, doch den Bezug zu ihren türkischen Wurzeln hat sie dennoch nicht verloren. - Foto: Kretzmann

Eichstätt (EK) Wenn Özlem Özcan-Dalkaya erzählt, wie sie ihren Mann kennengelernt hat, klingt es beinahe wie ein Auszug aus einem Liebesroman. Als die gebürtige Türkin noch in Ankara studierte, lernte sie ihren zukünftigen Ehemann im Urlaub kennen. Er ist ebenfalls Türke - doch geboren ist er in Eichstätt. Die beiden verliebten sich und die damals 21-Jährige ging mit ihm nach Deutschland, studierte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt Grundschullehramt sowie Deutsch als Fremdsprache und unterrichtet nun Letzteres an der Berufsschule in Neuburg.

Das in vielen Köpfen verankerte Bild der türkischen Frau, die Kopftuch trägt, sich nur um Haushalt und Kinder kümmert und ihrem Ehemann untergeordnet ist, verkörpert die heute 34-Jährige überhaupt nicht. "Ich bin Kurdin und Alevitin, und im Rahmen dieser islamischen Glaubensrichtung ist die Rolle der Frau in der Gesellschaft sehr viel moderner", sagt Özcan-Dalkaya.

Alle Frauen in ihrer, wie sie sagt, modernen und demokratischen Familie sind berufstätig, haben größtenteils auch ein Studium abgeschlossen. "Als ich meinen Mann kennengelernt habe, wollte mein Vater absolut nicht, dass ich so früh heirate, ich solle doch erst mein Studium abschließen, hat er immer gesagt", so die 34-Jährige. Aufgrund ihrer Glaubensausrichtung trägt auch keine Frau in ihrer Familie ein Kopftuch. "Natürlich glauben wir an Allah, besser gesagt an eine übergeordnete Macht, aber nicht nur daran, was im Koran steht; wir hinterfragen Dinge viel mehr, als sie einfach nur hinzunehmen", sagt Özcan-Dalkaya. In ihrer Familie werde auch nicht mehrmals täglich gebetet. Vielmehr sei es wichtig, zu versuchen, ein guter Mensch zu sein.

Für ihre Schüler sei es kein Problem, eine Lehrerin vor sich zu haben, die aus der Türkei kommt und kurdische Wurzeln hat, im Gegenteil: "Ein Deutschlehrer, der kein Muttersprachler ist, kann für die Schüler auch besser sein", meint sie. Da sie sowohl Türkisch als auch Kurdisch spricht, könne sie Schülern, die eine arabische, persische oder auch afghanische Muttersprache haben, manche Dinge besser erklären, weil einige Wörter sich ähneln. "Deutschlehrer, die die Sprache selbst erst lernen mussten, können die Fragen der Schüler leichter verstehen, weil sie damals dieselben hatten und das macht vieles einfacher", sagt die Lehrerin.

Auch wenn sie sowohl in ihrer Familie als auch in ihrem Berufsalltag als Frau große Akzeptanz erfahren hat, wurde sie dennoch ab und an mit Vorurteilen konfrontiert. "Ein damaliger Studienkollege hat mich quasi darauf hingewiesen, dass ich hier in Deutschland ja kurze Hosen tragen kann, was in der Türkei, seiner Ansicht nach, ja nicht möglich ist", erinnert sie sich. "Er wollte mich einfach in ein bestimmtes Raster stecken." In ihrer Familie und der Region, wo sie aufgewachsen ist, sei der Kleidungsstil der Frauen nie ein Thema gewesen und so habe sie auch im Sommer kürzere Kleider oder Röcke getragen. Ihr Mann habe kein Problem damit. "Das war damals kein Problem, aber es hat sich viel verändert", klagt sie. Wenn sie heute ihre Familie in Istanbul besucht, würde sie mehr darauf achten, sich bedeckter zu kleiden. Es habe zudem Fragen gegeben, die ihr immer wieder gestellt wurden: Warum trägst du kein Kopftuch? Warum isst du Schweinefleisch? "Diese mit Vorurteilen belasteten Fragen nerven, und wenn ich dann antworte, dass ich es nicht mag oder sonst etwas, ist das Entsetzen oft groß", sagt Özcan-Dalkaya.

Die Mutter einer eineinhalbjährigen Tochter fühlt sich mittlerweile pudelwohl in ihrer Wahlheimat Eichstätt und genießt auch "typische deutsche" Eigenheiten. "Die Menschen hier sind, im Vergleich zu den Türken, sehr pünktlich und das mag ich", meint die 34-Jährige. Auch schätzt sie die Genauigkeit und den Hang zum Perfektionismus. "Ich selbst bin ein sehr zielstrebiger und ehrgeiziger Mensch und ich habe den Eindruck, dass viele Deutsche auch so sind", so Özcan-Dalkaya. Sie habe etwa ihre Hausarbeiten vor Abgabe immer gefühlt zwanzigmal überprüft. Einmal habe sie sogar Lob von ihrer Dozentin für ihre Pingeligkeit bekommen, in der Form, dass sie eine bessere Arbeit abgab als eine Kommilitonin, deren Muttersprache Deutsch ist.

Özcan-Dalkaya glaubt, dass ihre Zielstrebigkeit sie dorthin gebracht hat, wo sie nun steht. "Es war wirklich ein sehr, sehr harter Weg", sagt sie rückblickend. Als sie noch studierte, habe sie den größten Teil ihrer Freizeit in der Uni-Bibliothek verbracht und gelernt. Die Zeit des Studiums ist zwar schon ein paar Jahren her, aber eine Sache bleibt dennoch: "Ich lerne jeden Tag noch immer etwas Neues dazu, auch von meinen Schülern und das ist wirklich schön und spannend zugleich", betont Özcan-Dalkaya.