Eichstätt
Auf der Bühne steht nur das "pure Ich"

Pauline Füg hat sich als selbstständige Künstlerin in der männlich dominierten Poetry-Slam-Szene durchgesetzt

22.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Synchron, zeitversetzt und im Kanon sprechen Pauline Füg und Tobias Heyel ihre Texte. - Foto: Ruppert

Eichstätt (EK) Sie solle sich "ein weißes T-Shirt ohne BH drunter anziehen, dann würde ich auch mal gewinnen" - dieser Satz eines anderen Poetry Slammers habe sie kurz schockiert, sagt Pauline Füg, dann machte sie ein Gedicht draus. Die Künstlerin, die in Eichstätt regelmäßig Poetry Slams organisiert, hat sich in einer von Männern dominierten Szene durchgesetzt.

Angefangen hat alles 2003 in Ansbach. Pauline Füg, die in Franken aufgewachsen, aber in Leipzig geboren ist, trat nervös auf die Bühne, las einen Text "und am nächsten Tag stand über jeden was in der Zeitung außer über mich". Diese Begebenheit erzählt sie immer den Jugendlichen, die ihre Workshops besuchen, denn "so etwas kann einen auch anspornen".

Sie schrieb, tingelte von Auftritt zu Auftritt, den Rucksack auf dem Rücken, "oft ohne zu wissen, wo ich abends schlafe". Rückzugsort war dann Wasserzell, wo sie während ihres Psychologiestudiums wohnte. Die Nebenjobs wurden weniger, nach und nach konnte sich Pauline Füg mit ihrer Kunst finanzieren und sich anschließend selbstständig machen. Es gebe schon Momente, "da sitzt man da, denkt, wenn jetzt kein Auftrag kommt, weiß ich nicht, wie ich die Miete zahlen soll", dann komme wieder ein Monat, der besser laufe. Das erzählt die 33-Jährige wie nebenbei, als sei es keine große Sache. Auch sonst verzichtet die Dichterin beim Gespräch im Bühnengraben am Theater Ingolstadt auf selbstdarstellerische Gesten. An das Jahr, in dem sie den Kulturpreis Bayern gewann - 2011 - muss sie etwa Tobias Heyel erinnern. Mit ihm hat sie 2005 das Elektro-Poesie-Projekt "großraumdichten" ins Leben getextet, seitdem sprechen sie ihre gemeinsamen Gedichte synchron, zeitversetzt, im Kanon.

Im selben Gleichklang halten die beiden "Berufsjugendlichen" ihre Workshops, die sie an Theatern und Schulen anbieten. Als Diplom-Psychologin arbeite sie "unglaublich gerne mit Menschen", sagt Pauline Füg, umso schöner sei es, wenn sich das mit Poetry Slam verbinden lasse. "Wenn ich selbst Kunst mache, heißt das ja nicht, dass andere Zugang dazu haben", sagt Pauline Füg, "deshalb muss ich eine Beziehung herstellen." Wenn die beiden an eine Schule kommen, heiße es oft, diese und jene Klasse sei schwierig. "Am Ende kommt trotzdem immer was dabei raus, es entsteht ein kreativer Prozess und die Schüler haben ein Ergebnis, auf das sie stolz sein können", sagt Tobias Heyel. Gleichzeitig fungiere man auch ein wenig als Ansprechpartner, erklärt Pauline Füg, "da kommen dann Fragen und Themen wie: "Hast du denn ein Piercing? Wie wird man mit Liebeskummer fertig"

Mentorin ist die 33-Jährige auch für den weiblichen Nachwuchs ihrer Kunstszene. Dem Netzwerk "Slam Alphas" gehe es darum, Frauen mehr Gehör zu verschaffen. Gerade im U-20-Bereich gebe es mehr Frauen als Männer, betont die Poetin, die mittlerweile in Würzburg lebt, aber die blieben oft nicht dabei und würden insgesamt seltener angefragt.

Dazu kommen Fragen, die sich freiberufliche Künstlerinnen irgendwann stellen müssen, etwa, wie sich Kinder und Poetry Slam vereinen lassen. "Ich hadere da noch mit mir selber", sagt die Poetin, die seit Kurzem verheiratet ist. Auf der einen Seite würde sie es vielleicht später bereuen, keine Kinder zu haben, auf der anderen Seite gingen viele Kontakte während der Babypause verloren. "Es gibt aber auch schon Poetry Slammerinnen, die nehmen ihre Kinder mit auf Tour", überlegt Pauline Füg weiter, und Tobias Heyel wirft ein: "Ich könnte ja Großraumdichten weiter promoten."

Insgesamt seien die Veranstalter in den vergangenen Jahren zunehmend für die Belange der Frauen sensibilisiert worden, sagt Pauline Füg. Und vielleicht kommt es irgendwann so, wie es in ihrem Gedicht "Frauenquote" heißt, das sie nach dem dummen Spruch des Slam-Gegners, sie solle ein weißes T-Shirt ohne BH drunter anziehen, geschrieben hat: "(...) fragt mich nicht und sagt mir nicht, wer ich bin, denn viel lieber bin ich einfach nur ein pures Ich".