Eichstätt
Sport für Herz und Seele

Zwischen Schicksalsschlägen und neuer Lebensfreude: die Koronarsportgruppe Eichstätt

23.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Sie leiten die Teilnehmer an und achten darauf, dass sich niemand überfordert (von links): Dr. Josef
Schmidramsl, Karin Gierczak, Dr. Bernhard Mödl, Christiane Pfister-Koller und Teresa Mayer.

Eichstätt (EK) Es ist Montag, 18.30 Uhr, in der Halle der DJK Eichstätt. Die Sportler, die sich hier treffen, verbindet eine gemeinsame Sache: Ein Großteil der mittlerweile 60 Personen starken Koronarsportgruppe hat eine Herzoperation hinter sich.

"Die meisten sind auf ärztliche Verordnung hier", meint Dr. Josef Schmidramsl, lange Jahre Oberarzt an der Klinik in Eichstätt. Dieses Mal sind mit ihm und dem Kardiologen Dr. Bernhard Mödl zwei Ärzte anwesend, doch in der Regel schafft es nur einer, den Stunden beizuwohnen.

Noch während der Begrüßung beginnen die Ärzte, den Blutdruck der Teilnehmer zu messen. Ist der Blutdruck nämlich zu hoch, besteht ein ernst zu nehmendes Risiko für das Herz des Sportlers. Die Belastung muss dann individuell angepasst werden. Anschließend machen sich die Teilnehmer zum Aufwärmen bereit.

Die beiden Übungsleiterinnen Karin Gierczak und Christiane Pfister-Koller beginnen mit der Anleitung der Stunde. Auch drei neue Gesichter sind heute dabei und startklar für ihre erste Trainingseinheit. Schon nach wenigen Minuten weiß man aber nicht mehr, wer neu und wer schon seit 30 Jahren dabei ist. Die Integration gelingt sofort, ein großes, geschlossenes Kollektiv entsteht. Dementsprechend fällt auch das Resümee der Neuzugänge aus. Es sei schön, habe super gepasst. Sie wollen dabei bleiben, auch über die vom Arzt verordnete Zeit hinaus.

"Der Sport hier unterscheidet sich gar nicht so sehr vom Breitensport der Gesunden, aber wir achten darauf, dass die Belastung individuell dosiert ist", so Dr. Josef Schmidramsl. Und doch ist dieses Sporttreiben weit entfernt von Wettkampf und Leistungsorientierung. Es ist Gesundheitssport - ein enorm wichtiger noch dazu. Wenn ein Sportler außer Atem gerät, wird er nicht gepusht. Ganz im Gegenteil, die Person darf und soll sich erholen. Im weitesten Sinne geht es darum, mit dem Körper wieder selbstbewusst umzugehen, das Vertrauen in das eigene Herzen zurückzuerlangen. Detaillierter kann man festhalten: Ziele des Trainings sind eine Stabilisierung und Senkung des Blutdrucks, eine allgemeine Kräftigung sowie eine verbesserte Koordination.

Durch den Sport können sich die Teilnehmer wieder in die Berufswelt oder den Alltag zurückkämpfen, wie die Geschichte von Franz Dittenhauser eindrucksvoll demonstriert: Er erlitt im November 2013 einen Schlaganfall, absolvierte ein halbes Jahr lang Reha, um kurz darauf den nächsten Schock zu erleiden: "Ich hatte vor eineinhalb Jahren einen Hinterwandinfarkt, eine Form des Herzinfarkts. Die Ärzte meinten sofort, dass ich nie wieder arbeiten werde." Doch der mittlerweile 58 Jahre alte Mann hatte Glück und zeigte ein zweites Mal beeindruckenden Willen. Er ist wieder voll arbeitsfähig, auch dank des Herzsports. "Man geht wieder über Grenzen hinaus, weil man sieht, dass es bei anderen auch geht. Man baut die Angst Stück für Stück ab", erklärt Franz Dittenhauser.

Ein äußerst bedeutsamer Aspekt neben dem Sport sei allerdings die soziale Komponente, davon sind die beiden ausgebildeten Herzgruppenleiterinnen überzeugt. Daher enthalten viele Trainingseinheiten Gemeinschaftsübungen - zur Gruppen- und Vertrauensbildung. Otto Riß kann das nur bestätigen: "Ich hatte sechs Wochen nach Beginn der Rente einen Herzinfarkt. Das war ein richtiger Tiefschlag.\" Mittlerweile ist er schon seit 15 Jahren dabei und wie viele andere Gruppenmitglieder mehr als nur Sportler, er ist auch Ansprechpartner. "Es ist eine Gruppe, die im eigenen Leben eine große Rolle spielt, ähnlich wie Freunde", erklärt er. Der Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Schicksalschlägen helfe, das Leiden zu ertragen und neuen Mut für das Leben zu schöpfen, führt Otto Riß weiter aus.

Auch für die 69-jährige Anneliese Wagner ist der Montagabend elementar: "Die Sportgruppe war der wichtigste Grund nach meinem Herzinfarkt, dass ich meine Lebensfreude wiedergefunden habe. Mittlerweile sind aus den Kollegen gute Freunde geworden." Ein besonderes Highlight sind dabei die geselligen Abende, die mindestens zweimal im Jahr stattfinden. Vor allem die gemeinsame Messe in der Eichstätter Frauenbergkapelle hat es den Mitgliedern, die zwischen 46 und 89 Jahren alt sind, angetan.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Teilnehmerzahl kontinuierlich wächst. Einer der Sportler stellt erstaunt fest: "Das ist ja Wahnsinn, ich hab vor drei Jahren angefangen mit 25 Leuten, heute sind 55 da!" So schön es aber auch ist, dass regelmäßig neue Personen dazukommen und die Koronarsportgruppe immer größer wird, es birgt auch einen gravierenden Nachteil - für die beiden Übungsleiterinnen ist langsam, aber sicher das Maximum der Gruppenstärke erreicht. Mit Frank Glöckler steht zwar eine kompetente Aushilfe zur Verfügung, eine langfristige Lösung stellt das aber nicht dar. Karin Gierczak betont deshalb die Notwendigkeit von weiteren Herzgruppenleitern und Medizinern: "Danke an die Ärzte, die sich die Zeit nehmen. Wir müssen um Ärzte betteln. Es tut uns leid, dass wir in absehbarer Zeit einen Stopp machen müssen und keine neuen Leute aufnehmen können."

Nun geht es aber zunächst am nächsten Montag um 18.30 Uhr weiter mit dem Koronarsport.

Im Hinterkopf bleibt die Hoffnung, für das Personalproblem zeitnah eine Lösung zu finden. Denn es wäre schade, wenn man Personen die Teilnahme verwehren müsste, nur weil die Anzahl solcher Angebote im Landkreis begrenzt ist. Die Menschen mit Herzproblemen werden nämlich nicht weniger.