Eichstätt
Brisantes Gutachten

Fusion: Bankenexperte geht mit Vorstand der Eichstätter Sparkasse hart ins Gericht

01.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Unliebsame vorweihnachtliche "Bescherung" für die Sparkasse Eichstätt: Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Guido Eilenberger wirft dem Vorstand rechtswidriges Verhalten bei der Erstellung der Bilanzen vor. Profiteur sei die Sparkasse Ingolstadt, mit der zum 1. Januar fusioniert wird. Die Chefetage der Eichstätter Sparkasse weist die Vorwürfe zurück. - Foto: Knopp

Eichstätt (EK) Es umfasst knapp 20 Seiten, beinhaltet etliche Zahlen und noch mehr Paragraphen - und birgt reichlich Zündstoff. Das bankwissenschaftliche Fachgutachten zur bevorstehenden Sparkassenfusion, das Professor Guido Eilenberger erstellt hat, lässt kaum ein gutes Haar am Gebaren des Eichstätter Geldinstituts.

 

Eilenberger ist nicht irgendwer: Vielmehr gilt der emeritierte Universitätsprofessor und Wirtschaftswissenschaftler als ausgewiesener Fachmann auf dem Bankensektor (siehe Infokasten). Beauftragt wurde Eilenberger vom Eichstätter Geschäftsmann Wolfram Ruoff, der die Fusion der Sparkassen Eichstätt und Ingolstadt, die zum 1. Januar vollzogen werden soll, bekanntlich verhindern will.

Das Gutachten dreht sich in erster Linie um die Frage, wie die Eichstätter Sparkasse in den vergangenen zehn Jahren mit ihren Überschüssen umgegangen ist. Und hier kommt der Experte zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Analyse der Jahresabschlüsse 2006 bis 2015 zeige, dass Bilanzgewinne "systematisch kleingerechnet worden sind", um sie den Trägern - also Stadt und Landkreis - vorzuenthalten. Zudem seien die Jahresabschlüsse wegen "Verletzungen des Bilanzierungsgrundsatzes der Klarheit" laut Eilenberger "unrichtig und damit unwirksam".

Hintergrund ist eine Art Doppelstrategie, die der Vorstand der Sparkasse verfolgt habe. So seien die Überschüsse seit 2006 - insgesamt rund 120 Millionen Euro - in zwei Posten gesteckt worden: zum einen in die Sicherheitsrücklage, zum anderen in den "Fonds für allgemeine Bankrisiken". Letzteren sieht Eilenberger kritisch, um nicht zu sagen "rechtswidrig". Denn die Zuführungen dorthin habe der Vorstand "in erheblichem Umfang ohne den erforderlichen Nachweis der Notwendigkeit vorgenommen".

Konkret sei der "Fonds für allgemeine Bankrisiken" mit 86,5 Millionen Euro gefüllt. Diese offene Vorsorgerücklage ist nach Auffassung Eilenbergers aber nicht notwendig, weil es schon das Instrument Sicherheitsrücklage gibt, "das zweifellos alle erforderlichen Sicherungszwecke für die Sparkasse Eichstätt erfüllt". Eilenberger spricht beim vorliegenden Fall von "Doppelsicherung" und "Übersicherung". Kreditinstitute dürften zwar einen Sonderposten "Fonds für allgemeine Bankrisiken" bilden, allerdings unter der einschränkenden Bedingung, "soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wegen der besonderen Risiken notwendig ist". Dieser Nachweis schließe allerdings eine Doppelung der Risikovorsorge aus und fehle bei der Sparkasse Eichstätt völlig. Eilenberger kommt zu folgendem Schluss: "Die vom Vorstand bevorzugte Zuführung von erheblichen Teilen des tatsächlich entstandenen Gewinns zum Fonds für allgemeine Bankrisiken kann nur dazu dienen, die Basis für eine mögliche Gewinnausschüttung, über die der Verwaltungsrat entscheidet, willkürlich gering zu halten und damit bewusst in die Rechte der anderen Organe der Sparkasse Eichstätt in benachteiligender Weise rechtswidrig einzugreifen." Der Bilanzgewinn sei dadurch in den vergangenen zehn Jahren auf durchschnittlich 663 000 Euro reduziert worden. Eilenberger spricht hier von "einem unrichtigen Ausweis der tatsächlichen Jahresüberschüsse".

Warum der "Fonds für allgemeine Bankrisiken"? Dieser könne Eilenberger zufolge vom Vorstand "nach Belieben" wieder aufgelöst werden - im Gegensatz zur Sicherheitsrücklage, die in diesem Fall deutlich weniger üppig ausgestattet ist. Vor dem Hintergrund der Fusion "ergibt sich daher das Problem, dass der Fonds für allgemeine Bankrisiken der Sparkasse Eichstätt in Höhe von 86,5 Millionen Euro somit der freien Verfügung durch den Vorstand der Sparkasse Ingolstadt unterliegt und sozusagen als ,Geschenk' der Braut Sparkasse Eichstätt an die Sparkasse Ingolstadt anzusehen ist, ohne dass der Zweckverband als Träger einen finanziellen Vorteil oder einen Ausgleich erhält", wie Eilenberger weiter formuliert. Aber, so schränkt er ein: Selbst wenn der Vorstand der Sparkasse Eichstätt den Sonderposten auflösen und eine Ausschüttung an den Träger durchführen wollte, "käme es wegen der jahrelang versäumten ausreichenden Zuführungen zur Sicherheitsrücklage nur zu einer relativ geringfügigen Abführung an den Träger, jedoch auf alle Fälle zu einer nachhaltigen Stärkung der Sicherheitsrücklage der Sparkasse Ingolstadt". Insgesamt sei dies "ein überaus nachteiliges Ergebnis" für den bisherigen Träger der Sparkasse Eichstätt, "der ohne Not erhebliche finanzielle Ressourcen ohne erkennbare finanzielle Gegenleistung an die Sparkasse Ingolstadt sozusagen ersatzlos abtreten, also verschenken würde".

Unter den gegebenen Voraussetzungen sei die geplante Sparkassenhochzeit nicht möglich, erklärt Eilenberger auf Nachfrage unserer Zeitung: "Im Anschluss an unrichtige und unwirksame handelsrechtliche Jahresabschlüsse der Vorjahre" könne kein wirksamer Jahresabschluss 2016 erstellt werden, der seinerseits die Grundlage für die Fusionsbilanz zum 1. Januar 2017 darstellen müsse. Insofern könne es so lange nicht zu einer Fusion kommen, "bis die Ursachen für die unrichtigen und unwirksamen handelsrechtlichen Bilanzen der Vorjahre beseitigt sind." Überdies empfiehlt Eilenberger ein Bürgerbegehren: "Das wäre ohnehin die beste Lösung, da die Sparkasse ja eine Bürgerbank darstellt und den Bürgern der Stadt Eichstätt und des Landkreises Eichstätt gehört."

In einer ersten Stellungnahme äußerte der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Eichstätt, Emmeran Hollweck, das Gutachten liege der Regierung von Oberbayern und dem Sparkassenverband zur Prüfung vor. Die von Eilenberger für unwirksam befundenen Jahresbilanzen seien allesamt nach den üblichen Verfahren geprüft und für rechtens erklärt worden. Der Vorwurf der "Verschleierungstaktik" laufe ins Leere, so Hollweck weiter. Solche Vorsorgereserven habe es auch schon vor seiner Zeit gegeben und seien gesetzlich zulässig. Außerdem seien die Verwaltungsräte immer darüber informiert gewesen. Hollweck fügt hinzu: "Eilenberger hat das gleiche Gutachten auch schon über andere Sparkassen gemacht. Insofern ist es nichts Neues."