Eichstätt
So groß wie noch nie

Die Sommerschule des Tun.Starthilfe-Vereins hat begonnen: Flüchtlinge lehren und lernen 600 Teilnehmer

16.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:25 Uhr

Flüchtlinge und Helfer warten bei der Sommerschule des Tun.Starthilfe-Vereins auf ihr Mittagessen (oben). Am Infostand erhalten die Teilnehmer ihre Namensschilder (links). Dorey Mamour (rechts) hat durch das Projekt Deutsch gelernt und gibt jetzt selbst Kurse. - Fotos: Kister

Eichstätt (EK) Nachdem die Frühlingsschule in diesem Jahr ausfallen musste, gilt für die Sommerschule der Tun.Starthilfe: Jetzt erst recht! Rund 600 Geflohene aus dem gesamten Landkreis Eichstätt haben sich für die Sprachschule angemeldet, die gestern startete. In 30 Klassen unterrichten über 100 Ehrenamtliche die Flüchtlinge: "Bei der Anmeldung hat jeder einen Einstufungstest gemacht", sagt Karolina Albrecht von der Tun.Starthilfe.

Die Stufen reichen von Alpha bis Stufe 3: in Alpha wie Alphabetisierung sind diejenigen, die entweder gar nicht lesen und schreiben können oder nur in einer anderen Sprache. "Stufe 3 entspricht in etwa dem internationalen Standard B 1." Etwa 50 Räume haben die Katholische Universität Eichstätt und der Zweckverband Schulzentrum Eichstätt-Schottenau für die Kurse zur Verfügung gestellt - in der Mittelschule Schottenau über den Campus der KU bis zum Ulmer Hof.

Unter den 600 Teilnehmern sind zum Einen viele neue, aber einige kommen jedes Jahr wieder. "Da haben wir einen Mann, etwa Mitte 70, der seit zwei oder drei Jahren dabei ist. Er spricht zwar kaum ein Wort Deutsch, hat aber eine wahnsinnige Freude", weiß Karolina Albrecht. Bei den ganz Kleinen sieht das wieder völlig anders aus: "Im letzten Jahr war eine nigerianische Mutter da mit ihren beiden Kindern, etwa um die zwei Jahre alt; die haben nach den zwei Wochen munter deutsch geplappert. Auf einmal hat sie ihre eigenen Kinder nicht mehr verstanden."

Insgesamt über 200 ehrenamtliche Helfer engagieren sich bei der Sommerschule. "Wir haben einige neue Helfer, vor allem viele Schüler", sagt Karolina Albrecht. "Es sind aber auch Rentner dabei. Alles von 16 bis 70 Jahre." Einige Anfängerkurse werden inzwischen sogar von Geflohenen geleitet, die vorher selbst durch die Aktion von Tun.Starthilfe Deutsch gelernt haben.

Dorey Mamour ist vor dreieinhalb Jahren von Syrien nach Eichstätt gekommen, daheim war er Englischlehrer. Bei der ersten Sommerschule im Jahr 2013 hat er noch selbst Deutsch gelernt. Danach hat Dorey Mamour sich als Helfer eingebracht und leitet seit 2015 selbst Kurse, unter anderem eine Klasse für Kinder. "Ich habe bei Tun Freunde gefunden, die haben mir viel geholfen. Ich möchte etwas zurückgeben, ich will den Leuten helfen."

Für die Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 14 Jahren hat der Kreisjugendring die Eichstätter Station seiner Spielbustour in die Zeit der Sommerschule verlegt. Mit einem Team von 20 bis 25 ehrenamtlichen Helfern, teils auch jugendlichen Geflüchteten, hat der Kooperationspartner von Tun.Starthilfe ein buntes Programm zusammengestellt, sagt Klaus Bittlmayer vom Kreisjugendring: "Wir haben Großgruppenspiele, Bastelarbeiten und Großbauten. Da bauen wir mit Dachlatten und Bambusstäben Hütten und Zelte." Angemeldet hatten sich über Tun 71 Kinder, insgesamt sind es jetzt etwa 100. "Eigentlich wollten wir die Kleinen und Größeren getrennt betreuen, aber die Kleinen wollen oft bei ihren größeren Geschwistern bleiben. Also bespaßen wir die jetzt alle zusammen."

Damit sich die Teilnehmer nach den Deutschkursen stärken können, gibt es mittags für alle Beteiligten kostenlos ein Essen. Gestern stand auf dem Speiseplan: vegetarische Maultaschen. "In diesem Jahr mussten wir zum ersten Mal auf einen Caterer zurückgreifen. Bisher haben wir immer alles selbst gekocht", sagt Karolina Albrecht. Um alle Teilnehmer versorgen zu können, haben die Helfer von Tun auf der Wiese hinter der KU-Mensa eine Zeltstadt errichtet. Sommerschule bedeutet bei Tun.Starthilfe aber nicht nur Schulbank drücken: An den Nachmittagen der beiden Wochen finden 21 verschiedene Workshops statt. Da können die Teilnehmer zum Beispiel Fußball spielen oder auch gleich lernen, wie man einen Fußball selbst näht. In Deutschland eher unbekannt, dafür international äußerst beliebt: Cricket. In einem Workshop können sich Teilnehmer darüber informieren, wie Liebe und Beziehungen in Deutschland funktionieren oder etwas über das politische System in Deutschland lernen. Die Kultur von Nigeria können Interessierte in einem Trommel- und Tanzkurs und kulinarisch beim Kochen kennenlernen. Erstmals bieten Asylsuchende selbst zwei Sprachkurse an - aber nicht auf Deutsch, sondern in ihrer Muttersprache: Die Arabisch- und Farsikurse sind speziell an Helfer und interessierte Bürger Eichstätts gerichtet. Eine Anmeldung ist dafür übrigens nicht nötig.

So eine große Veranstaltung braucht Organisation. Begonnen haben die Planungen deswegen bereits im November 2015, berichtet Karolina Albrecht. "Richtig los ging es dann Ende Juni, Mitte Juli, sobald die Anzahl der Anmeldungen feststand." Eine große Herausforderung ist die Finanzierung eines solchen Projekts. "Wir sind inzwischen bei etwa 79 000 Euro." Wobei damit aber noch nicht alle Kosten abgedeckt seien. "Das meiste bekommen wir durch Spenden, aber auch durch den Bayerischen Ehrenamtspreis, den wir gewonnen haben." Über die Crowdfunding-Plattform bei betterplace.org versucht Tun die Zielgruppe zu erweitern: "Das läuft aber noch nicht so gut, über Facebook erreichen wir mehr Leute."

Die Sommerschule von Tun.Starthilfe für Flüchtlinge läuft noch bis Freitag, 26. August. Und Freiwillige sind als Helfer immer noch gesucht.