Eichstätt
Sich über seine Gefühle im Klaren sein

Die bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin Dagmar Geisler beendet die 5. Eichstätter Frauentage

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Dagmar Geisler las zum Abschluss der Eichstätter Frauentage aus ihren Büchern, die mit großer Sensibilität die Themen Gefühle, Körpererfahrung und sexuellen Missbrauch aufgreifen. - Foto: Kusche

Eichstätt (EK) Zum Ausklang der 5. Eichstätter Frauentage gab es am späten Sonntagnachmittag prominenten Besuch: Die erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchautorin Dagmar Geisler las auf Einladung der Fachstelle gegen sexuelle Gewalt des Landkreises Eichstätt WEIche aus ihren Büchern vor.

Die mehrfach ausgezeichnete Autorin ist bekannt für ihre einfühlsamen Kinderbücher, in denen es über den Umgang mit Gefühlen, den Körper, sexuellen Missbrauch, Grenzüberschreitungen und auch Alltagsgeschichten geht. Im International House der Katholischen Universität in Eichstätt verfolgten rund 40 Zuhörer Geislers Lesung und deren immer wieder eingestreute Erläuterungen und Erfahrungsberichte mit großer Spannung.

Das Thema brennt unter den Nägeln: Nicht nur die schlimmste Dimension - sexueller Missbrauch -, sondern schon die Frage nach dem Umgang mit und der Artikulation von Gefühlen, die Schwierigkeit, wann, wie und in welcher Form Kinder an dieses Thema heranzuführen, erscheinen bei näherer Betrachtung als eine enorme Herausforderung für alle Eltern, Erzieher, Lehrer, ja alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

Der Autorin gelang es mit ihrer offenen und ruhigen Art, schon nach wenigen gelesenen Seiten ihres erfolgreichen Kinderbuches "Ich geh' doch nicht mit jedem mit!" sowie des von ihr illustrierten Erfolgswerks "Mein Körper gehört mir!" mit ihrem interessierten Publikum in eine fruchtbare und höchst inspirierende Diskussion zu treten.

Schnell wurde klar: Dreh- und Angelpunkt sind die Gefühle - ein Bereich, der viele fließende Grenzen zwischen Liebe, Nähe, aber auch Grenzüberschreitung und Missbrauch kennt. Für Geisler steht fest: "Nur wer sich über seine Gefühle im Klaren ist, kann sich selbst vor Gefahren schützen." Die Grundvoraussetzung, Kinder vor negativen Erfahrungen im sexuellen Bereich zu schützen, lautet für Geisler Liebe: "Ein Kind, das sich geliebt fühlt, ist weniger angreifbar. Wir sind alle verführbar, und je weniger Zuneigung wir erfahren, desto angreifbarer werden wir." Ziel müsse es daher sein, Kinder und Jugendliche stark und fit für das Leben zu machen, indem man das Thema "Gefühle" und "Liebe" schon möglichst früh thematisiere: "Schon Kleinkinder kommen heute mit dem Thema eng in Berührung", betonte Geisler.

Dass das Thema "Gefühle" ein enorm weiter Bereich mit zahllosen "Seitenthemen" ist, die weder klar noch einfach einzugrenzen sind, zeigte sich in der regen Diskussion, die sich zwischen der Autorin und dem Publikum entspann. Wie kann es gelingen, "starke" Kinder zu erziehen, die deutlich "Nein" sagen und unangenehme Berührungen abwehren können? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Nettigkeit und Sympathie einerseits und Grenzüberschreitung andererseits? Wer ist die "Bekannte" oder der "Bekannte" und wer der oder die Fremde, wenn, wie die anwesenden Mitarbeiterinnen der WEIche, Angelika Söder, Christine Brandt und Anna Karg, eindrücklich berichteten, 80 Prozent der Missbräuche im nahen Umfeld des Kindes geschehen und nur 20 Prozent Fremdtäter sind? Wie schafft man es, dem Kind mit auf dem Weg zu geben, dass es sofort über unangenehme oder gar dramatische sexuelle Erfahrungen spricht und diese nicht lange mit sich herumträgt?

Es waren unzählige Fragen, die in der Diskussion thematisiert und besprochen wurden. Dagmar Geisler gelang es vorzüglich, mit großer Sensibilität und Offenheit auf ihr Publikum, darunter viele Mütter, Erzieherinnen und Lehrerinnen, einzugehen: "Wir sollten keinesfalls mit Angst arbeiten, das ist kein guter Ratgeber", meinte Geisler. In ihren Büchern wolle sie vor allem die Gelegenheit bieten, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen und über die verschiedenen Möglichkeiten und Lebenssituationen zu sprechen, die sich im Alltag für das Kind ergeben können, zum Beispiel: Wer darf es abholen, Wann fühlt es sich gut und was mag es nicht, wenn es um Berührung und Zuneigung geht? "Klare Regeln sind hier ganz wichtig", betonte Geisler.

Ganz offen erzählte die gelernte Grafikerin und Autorin dem Publikum von ihrer eigenen Erfahrung eines sexuellen Missbrauchs, den sie jahrelang "mit einem Druck auf der Brust" mit sich herumgetragen habe, bis sie durch das Illustrieren und Verfassen eigener Kinderbücher zum Thema die Chance auf Verarbeitung erhielt. Heute sei sie dankbar, dass die Gesellschaft auf zwei wichtige Säulen des Schutzes für Kinder und Jugendliche im Hinblick auf sexuellen Missbrauch bauen könne: die Prävention durch Institutionen, Lehrplaninhalte, Bücher einerseits, und die Schaffung einer Atmosphäre, in der sich kindliche oder jugendliche Opfer anvertrauen und professionelle Hilfe erhalten können, wie beispielsweise in der "WEIche" in Ingolstadt.