Eichstätt
Sexuelle Identität und gesellschaftliche Akzeptanz

Der Arbeitskreis Kreuz&Queer setzt sich für gesellschaftliche Akzeptanz ein

21.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Eichstätt (DK) Kreuz&Queer ist der queere Arbeitskreis des studentischen Konvents an der Katholischen Universität in Eichstätt. Die Vorstellung dieses Arbeitskreises in unserer Reihe über die Arbeitskreise der Universität ist ein Gespräch über sexuelle Identität, sexuelle Orientierung und gesellschaftliche Akzeptanz.

Gedimmtes Licht im "Schneider's", einige Getränke stehen auf dem Tisch - ein ganz normaler Stammtisch eben, könnte man meinen. Und er sollte eigentlich wirklich normal sein. Denn für gesellschaftliche Akzeptanz und Normalität setzt sich der Arbeitskreis Kreuz&Queer ein - egal ob schwul, lesbisch, bisexuell, trans oder queer. Wobei queer als Überbegriff für alle sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten gilt, die nicht der gesellschaftlichen Norm von Geschlecht und Sexualität entsprechen, zu verstehen ist.

"Wir sind eine Community, aber keine Partnerbörse und keine Selbsthilfegruppe", beschreibt sich der Arbeitskreis selbst. Vor zwei Semestern habe er nicht mehr existiert, bis ihn die derzeitigen Mitglieder wieder aufgebaut haben. Wenn der Stammtisch gut besucht ist, kommen bis zu 20 Leute. Sie möchten Präsenz in Eichstätt zeigen: "Je normaler wir damit umgehen, desto normaler wird es." Deshalb engagieren sie sich zum Beispiel mit einem Stand beim Hofgartenfest und hängen dort Regenbogenflaggen auf - ein Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. Im Januar haben sie eine "Regenbogeneinhornparty" in der Kellerbar organisiert und im vergangenen Jahr im Rahmen der Weltaidstage Filme gezeigt.

Im Arbeitskreis ist jeder willkommen: auch die, die sich noch nicht sicher sind, zu welchem Geschlecht sie sich hingezogen fühlen. Einmal im Monat trifft sich der Arbeitskreis und lädt mit einer Facebook-Veranstaltung zum Stammtisch ein. Doch darin liegt das Problem: Es wäre nur ein Mausklick auf den Zusage-Button auf Facebook und zugleich ein Outing in Sekundenschnelle. Genau davor haben viele Angst. Lieber bleiben sie noch etwas anonym in der WhatsApp-Gruppe, unter Gleichgesinnten.

Dabei müsste ein Outing in der heutigen Zeit, in der in Deutschland die Homoehe legal ist und ein drittes Geschlecht im Pass stehen kann, eigentlich überflüssig sein. Wieso ist Homosexualität noch nicht normal? Einen Hetero-Stammtisch gibt und braucht es immerhin auch nicht. "Ich bin heterosexuell und das ist gut so" - ein schwer vorstellbares Statement.

Die Gleichberechtigung in diesem Sinne fehle, ist sich der Arbeitskreis sicher: "Die meisten gehen davon aus, dass jeder heterosexuell ist". Treffe das nicht zu, sinke oft die Hemmschwelle: "Alle fragen immer: Wie hast du Sex" Eine Frage, die man sich normalerweise nicht zu stellen traut. Ein Mitglied des Arbeitskreises erklärt: Küssen sich zwei Frauen, denken manche Männer automatisch, es diene ihrer Unterhaltung. Ein anderes Mädchen von Kreuz&Queer erzählt: "Bei meinem ersten Kuss hat mich ein Mann weggezerrt, der meinte: 'Probier es doch mal mit einem richtigen Mann'." Ihr vermeintlich romantischer Kuss endete damit abrupt.

Am schwierigsten sei aber die Akzeptanz in der eigenen Familie, erzählt der Arbeitskreis. "Meine Mutter dachte lange, sie hätte in ihrer Erziehung etwas falsch gemacht, als ich mich geoutet habe", schildert eine Studentin. Auch Bekannte wüssten oft nicht, wie sie sich nach einem Outing verhalten sollen. Transexuelle, die im falschen Körper geboren wurden und ihr Geschlecht angleichen lassen, stoßen oft auf Unverständnis aus ihrem Umfeld. "Wenn du nach deiner OP immer noch auf Männer stehst, hättest du nicht gleich weiblich bleiben können", zitiert ein transexueller Student. Gerade dieser Unterschied von sexueller Orientierung, zu welchem Geschlecht man sich hingezogen fühlt, und sexueller Identität - fühle ich mich als Mann oder Frau? - ist Außenstehenden oft nicht bewusst. Solche Reaktionen sind trotzdem sehr verletzend für queere Menschen.

Deshalb ist eine der obersten Regeln für den Arbeitskreis: sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen. Im Arbeitskreis stellt sich auch keiner mit seiner sexuellen Orientierung vor, er ist einfach eine reine Interessensgruppe, in der es keine Diskriminierung gibt. Genau das liebt der Arbeitskreis an Eichstätt: "Studentenstädte sind einfach sehr tolerant." Um diese Toleranz noch weiter zu fördern, möchte der Arbeitskreis im Mai queere Flüchtlinge für Vorträge zu den "Gesellschaft macht Geschlecht"-Wochen an die Universität einladen. ‹ŒAnna Hausmann