Eichstätt
Schattner und die Kunst der Fuge

Der 2012 verstorbene Diözesan- und Universitätsbaumeister wäre am 24. August 90 Jahre alt geworden

22.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:19 Uhr

 

Eichstätt (EK) Er zählt zu den bedeutendsten Architekten und Baumeistern der Gegenwart. Er hat Eichstätt geprägt und zu einem Mekka der neuen Architektur gemacht: Karljosef Schattner. Am 10. April 2012 ist er verstorben, an diesem Sonntag, 24. August, könnte er 90. Geburtstag feiern.

Karljosef Schattner (Foto) hat in der kleinen Bischofs- und Universitätsstadt Eichstätt Architekturgeschichte geschrieben. Mit seiner Auffassung vom modernen Bauen in historischer Umgebung hat er die Stadt zu einem unter Architekten und Architektur-Schülern weltweit beachteten Vorzeigemodell gemacht. In seinem Dialog zwischen dem Gestern und Heute, seiner Art der Auseinandersetzung zwischen historischer Bausubstanz, wie sie in Eichstätt durch die großen Barock-Baumeister des 17. Jahrhunderts Gabriel de Gabrieli oder Mauritio Pedetti, reichlich vorhanden war, und dem Bauen heute hat Schattner seine Architektur mit den ihm zur Verfügung stehenden oder mit neu- und wieder entdeckten Baumaterialien umgesetzt.

„Die Gegenwart leugnen, heißt, die Geschichte leugnen“, hat der in Gommern bei Magdeburg geborene, im Krieg schwer verletzte und mit einem Lazarettzug nach Ingolstadt und Eichstätt gekommene ehemalige Diözesan- und Universitätsbaumeister einmal gesagt. Und danach hat er gehandelt. Was ihm weltweit Ruhm unter Fachkollegen eingebracht, ist bei seinen Zeitgenossen an der Altmühl lange Zeit auf erbittertes Unverständnis gestoßen. Sie haben sich an Schattner-Bauten förmlich aufgerieben.

Seine „Kunst der Fuge“, das meisterhafte Zusammenfügen von alter und neuer Bausubstanz ohne Identitätsverlust es jeweils anderen, seine Genialität, der Vergangenheit eine Zukunft zu geben, hat Schattner in Eichstätt an zahlreichen Gebäuden vorgemacht, seit er 1957 mit 33 Jahren in den Dienst der Diözese Eichstätt getreten war. Einige Beispiele: die neu errichteten Gebäuden für die ehemalige Pädagogische Hochschule (heute Universität) zusammen mit Josef Elfinger 1960 bis 1965, der Umbau der ehemaligen fürstbischöflichen Sommerresidenz zum Uni-Verwaltungsgebäude (1970 –1974), das Jura-Museum auf der Willibaldsburg (1973–1976), das Diözesanmuseum (1977–1982), der Umbau des Ulmer Hofes für den Fachbereich Theologie der KU (1978–1980), die Katholische Hochschulgemeinde (1979–1981), das neu errichtete Institut für Journalismus (1985–1987), der Umbau des ehemaligen Waisenhauses für die Fachbereiche Psychologie und Journalistik der KU (1985–1988), die Anbauten an das Diözesanarchiv (zuletzt 1985) oder seine Anbauten an das Schloss Hirschberg, Beilngries (1987–1992).

Schattners Werk wurde denn auch national und international mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter dem Großen Architekturpreis des Bundes Deutscher Architekten (1990), dem Deutschen Kritikerpreis (1988), der Heinrich-Tessenow-Medaille (1986), dem Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken (1994) oder der Leo-von-Klenze-Medaille des Freistaats Bayern (2009); Schattner erhielt die Medaille für besondere Verdienste um den Denkmalschutz des Bayerischen Kultusministerium, das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik, den Silvesterorden des Päpstlichen Stuhl, war Ehrensenator der Katholischen Universität Eichstätt und Ehrenbürger der Stadt Eichstätt.

Mit seinen Bauten hat Schattner, so formulierte es der Architekturhistoriker Winfried Nerdinger treffend, in Eichstätt „eine Architekturwelt geschaffen, der nichts Vergleichbares in Deutschland an die Seite gestellt werden kann“. Und der Architekturkritiker und jetzige Geschäftsführer der Gesellschaft für christliche Kunst, Wolfgang Jean Stock, nannte das von Schattner geschaffen architektonische Eichstätt als „in der ganzen Architektur des 20. Jahrhunderts einzigartig“.