Eichstätt
"Proporz und Maßstab gelten nicht"

Wuchtige Neugestaltung des Altarraums im Dom erregt die Gemüter: Hinweise auf Liturgie

16.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

 

Eichstätt (DK) Die wuchtige Neugestaltung des Altarraums im Eichstätter Dom erregt die Gemüter. Die meisten, die sich in diesen Tagen im Dom umsehen, sind „entsetzt“, manche „außer sich vor Wut“. Die Verantwortlichen verweisen auf den tieferen liturgischen Sinn. Dabei wird klar: Provokation ist gewollt.

Die meisten Menschen, die sich zum „einfachen Kirchenvolk“ zählen, starren im Dom fassungslos auf die „monströsen Metallkonstruktionen“ und zeigen sich von dem 2,70 Meter hohen Osterkerzenleuchter, dem wuchtigen Evangeliar, dem fixierten Ambo und den Kathedraleuchtern erschüttert. Michael Pesold etwa, ein Mann, der 20 Jahre lang im Pfarrgemeinderat aktiv war und als Kirchenführer den Dom „liebt und schätzt“, wettert über diese „Raketenabschussrampen“, sie seien eine „Entgleisung“, die die Altarinsel „total entstellen“. Er hätte sich mehr „Feingespür“ erwartet – vom Künstler und auch von den Verantwortlichen. „Das Ganze wäre in einem Militärmuseum besser aufgehoben als in dem bis dahin wunderschönen Dom.“ Es sind noch Ausrufe Dutzender anderer Kirchgänger zu hören wie: „Da kommt doch keine Andacht mehr auf“, „hässlich, wirklich nur noch hässlich“, „fürchterlich“, und „wie sollen wir denn da noch Ostern feiern, das stört doch jede Liturgie“.

Die Kritik lassen die Verantwortlichen so nicht gelten. Denn bei der Neugestaltung sollte es genau darum gehen, die liturgische Bedeutung von Ostern und der Auferstehung Jesu Christi stärker zu betonen. Das erklärten Domdekan Willibald Harrer, Generalvikar Isidor Vollnhals, Diözesanbaumeister Richard Breitenhuber und der Künstler Rudolf Bott bei einem Pressegespräch im Dom.

Die Auferstehung Jesu Christi mit ihrem Symbol, der Osterkerze, sei eine „Botschaft, die alle Maßstäbe von Raum und Zeit durchbricht“, sagt Generalvikar Isidor Vollnhals. Domdekan Willibald Harrer schlägt Eduard Schweizer zitierend in dieselbe Kerbe: Ostern mit dem Fest der Auferstehung sei ein „weltumwendendes Ereignis“, das die „Begrenzungen der Welt sprengt“.

Dieser elementaren Glaubensaussage werde die bisherige Ausstattung des Altarraums – ein Provisorium, das seit der großen Sanierung vor 40 Jahren Bestand hatte – nicht gerecht. Das „Sammelsurium“ mit hölzernem Ambo und zusammengeliehenen Barockleuchtern war Harrer schon lange ein Dorn im Auge. Den Gedanken zur Neugestaltung des Altarraums hegte er seit spätestens 2010. Als es vor zwei Jahren bei einer Fortbildung des Klerus um die liturgische Gestaltung und den würdigen Umgang mit dem Evangeliar gegangen sei, war dem Domdekan klar: „Da muss im Dom etwas geschehen.“ In Zusammenwirken mit Diözesanbaumeister Richard Breitenhuber und den Gremien habe sich nun diese Lösung mit dem Künstler Rudolf Bott abgezeichnet. Die 130 000 Euro kämen nicht aus Kirchensteuermitteln oder Spenden, sondern vom Etat des Domkapitels, betont der Domdekan. Harrer räumt ein, dass auch ihn die „Massigkeit ästhetisch zunächst nicht positiv angesprungen“ habe, aber die Aussage, die dahinterstehe, rechtfertige die Ausmaße: Die Osterkerze sei ein herausragendes Symbol für Christus, „das muss herausstechen, hier gelten die Gesetze für Proporz und Maßstab nicht“. Der Künstler, Rudolf Bott, ist sich durchaus bewusst, dass seine Arbeit provoziert, und sagt, dass sie das – im positiven Sinne – auch solle. „Um was geht es hier denn eigentlich? Ist das ein Museum oder ein Konzertsaal? Weder noch, es ist ein Gotteshaus!“ Bott sagt, er habe Verständnis dafür, dass die Menschen verstört seien, weil sie Gewohntes und Gefälliges vermissen. Hier gehe es aber um eine Kirche, deren zentrale Botschaft die Auferstehung Christi sei – symbolisiert durch die Osterkerze. Botts erste Leuchterentwürfe waren deshalb noch deutlich höher als die 2,70 Meter. „Diese Wucht ist auch keine Neuheit“, sagt er, es gebe auch historische Kerzenleuchter von enormen Ausmaßen. „Nur in unserer heutigen Zeit ist das natürlich schon gewagt.“ Bott will mit seinen Arbeiten in Tombak, einer kupferhaltigen Messinglegierung, „positiv provozieren im Sinne eines neuen, bewussten Nachdenkens über die Auferstehung“.

Den Verantwortlichen ist bewusst, dass sie da im normalen Kirchenvolk noch einiges an Aufklärung zu leisten haben: Es soll noch öffentliche Informationsveranstaltungen geben. Die scheinen auch bitter nötig zu sein. Denn kaum jemand der gut zwei Dutzend Menschen, die sich der Zeitung gegenüber äußerten, findet ein positives Wort. Und auch die Vorsitzende des Dompfarrgemeinderats, Margarete Weindl, hat kein Verständnis für die Neugestaltung: „Zu wuchtig, zu blechern, zu groß für unseren grazilen Dom.“ Auch sie sieht die Osterkerze als besonders wichtiges Symbol der Liturgie, und genau deshalb kritisiert sie: „Das Licht ist wichtig als Sinnbild des Herrn, aber das wird man wahrscheinlich gar nicht mehr sehen vor lauter Leuchter.“ Dass der drei Viertel des Jahres dann ohne Kerze „viel zu opulent im Weg stehen wird“, findet sie völlig inakzeptabel.

Die Feier der Osternacht werde womöglich „zur Lachnummer, wenn da zwei Leute an diesem Leuchtermonstrum hin- und herturnen müssen, um die Kerze zu platzieren“. Weindl erklärt: „Kunst sollte die Liturgie unterstützen.“ Ihrer Ansicht nach sei es hier genau anders herum gelaufen: Ihr scheint es so, dass sich „hier ein Künstler selbst verwirklicht, und dann wird die liturgische Begründung darum herumgedengelt.“ Sie verweist darauf, dass die Gottesdienste der vergangenen 40 Jahre doch wohl auch gegolten hätten, „oder etwa nicht“.