Eichstätt
Pferd, Mensch und Natur im Einklang

Entschleunigung auf vier Beinen: Viele Wanderreiter zieht es ins Altmühltal – Einfache Unterkünfte und Unterstellmöglichkeiten

26.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:19 Uhr

Als „freischaffende Lebenskünstlerin“ bezeichnet sich Claudia Bettrich (links). Ihre ausgedehnten Wanderritte über hunderte von Kilometern sind für sie und ihrem Mann Ottmar Abenteuer und Freiheit gleichermaßen. Wo es ihnen gefällt, schlagen sie ihr Lager auf. Manchmal müssen sie die Straße benutzen – wie hier in Wasserzell. Doch da gebe es keine Probleme. Die Verkehrsteilnehmer seien rücksichtsvoll, besonders die Lastwagenfahrer, sagen sie. - Fotos: baj

Eichstätt (EK) „Mir schlug das Herz; geschwind zu Pferde, und fort, wild, wie ein Held zur Schlacht!“ In die Schlacht zog Johann Wolfgang von Goethe, der Verfasser dieser Zeilen, freilich nicht. Aber für ihn war das Ross die erste Wahl, wenn es galt, möglichst rasch zu seiner neuesten Flamme zu eilen.

Wer sich heute in den Sattel schwingt, hat mit Tempo wenig am Hut. Entschleunigung lautet der einschlägige Begriff, und eine wachsende Anzahl an Leuten verbringt Urlaub und Freizeit auf dem Rücken der Pferde. Diese Wanderreiter finden im Altmühltal ideale Bedingungen vor. Es gibt ein Netz von Wanderreitstationen, bei denen sie willkommen sind. Gerade sind Nina Bauch aus Burgheim mit ihrem zehnjährigen Gino und Iris Glöckner mit ihrem 14-jährigen Haflinger Sunny im Schlossgut Inching angekommen. Die Freundinnen haben nur einen kleinen Ausflug unternommen. Zwei Tage haben sie frei. Iris Glöckner kennt Inching von einem früheren Besuch und wollte wieder hierher zurück. „Mich fasziniert das Minimalistische am Wanderreiten“, sagt sie. „Kein Schnickschnack, kein Schi-Schi.“ Eine Garnitur Reitbekleidung, eine Garnitur Freizeitklamotten, das muss reichen.

Sieben bis acht Stunden sind die Freundinnen täglich unterwegs, davon sind sie sechs Stunden im Sattel. Wo es ihnen gefällt, bleiben sie eine Weile. Nur keine Hektik. Schließlich sind sie im Urlaub. Ihr Tempo ist gemächlich. „Meistens sind wir im Schritt“, erklärt Nina Bauch. Trab oder gar Galopp seien selten, denn Gino und Sunny müssen ja auch noch das in den Satteltaschen verstaute Gepäck schleppen. Manchmal führen die Reiterinnen ihre Pferde am Zügel. „Deshalb brauchen wir gutes Schuhwerk.“ Bei 25 bis 30 Kilometern liegt normalerweise die Tagesleistung.

„In diesem Abstand sind auch die Wanderreitstationen voneinander entfernt“, berichtet Erika Böhm, die mit ihrem Mann Robert die Wanderreitstation in Inching betreibt. „Das Wanderreiten sei zunächst in der Gegend um Dinkelsbühl populär geworden“, berichtet Erika Böhm. Dann wurde das Gebiet ausgedehnt und es wurden dringend solche Stationen gesucht. Familie Böhm bewarb sich und wurde ins Verzeichnis aufgenommen. Viele Reiter haben eine genau abgestufte Prioritätenliste, wie Erika Böhm weiß: „Die Pferde haben Vorrang, dann kommen die Sättel und dann erst die Reiter selbst.“ Den Rössern bietet sie Boxen, Auslauf, Koppel, Heu, Stroh, Hafer, Wasser und was sie sonst noch brauchen, um sich wohl zu fühlen. Die Reiter bekommen eine einfache, aber blitzsaubere Unterkunft in historischem Ensemble und ein reichhaltiges Frühstück.

Viel mussten die Böhms nicht umbauen; sie sind früher selbst geritten. Rund 35 Euro verlangen sie für Übernachtung mit Frühstück und Pferdeverpflegung. Rund 100 Übernachtungen zählen sie pro Jahr. „Reich wird man damit nicht“, sagt Erika Böhm, die auch noch Appartements und Ferienwohnungen anbietet. Deshalb hören manche Wanderreitstationen wieder auf. Die Betreiber setzen lieber auf Einstellpferde, die ein monatliches sicheres Einkommen bescheren, statt darauf zu warten, bis sich Wanderreiter anmelden.

Manche Wanderreiter wollen auch gar nicht auf feste Stationen angewiesen sein. Claudia und Ottmar Bettrich aus der Nähe von Lindau am Bodensee unternehmen jährlich ein- bis zweimal ausgedehnte Ritte. Jetzt sind sie drei Wochen auf Achse. Die heute 57-jährige Claudia reitet seit ihrem neunten Lebensjahr; Ottmar ist auf einem Bauernhof groß geworden. „Das ist Abenteuer pur“, schwärmt der 56-jährige Betriebselektriker. „Mich begeistert die Verbindung von Tier, Mensch und Natur.“ Irgendwo am Strand in der Sonne zu liegen, sei nicht so ihr Ding, ergänzt seine Frau. Sie versuchen sich bei ihren Ritten so viel Freiheit und Unabhängigkeit wie möglich zu verschaffen. Deshalb haben sie ein Wohnmobil dabei. Das lassen sie an einem Ort zurück, reiten los und suchen sich eine Wiese oder einen Platz, wo sie ihr Nachtlager aufschlagen wollen. Einen mobilen Zaun führen sie auch mit.

Absagen seien selten, freut sich Claudia Bettrich fest. Meist trifft das Ehepaar auf nette Leute, die ihnen ein Stück Wiese für die Pferde überlassen und auch noch für Wasser sorgen. Ottmar Bettrich macht sich mit Zug, dem Bus oder per Anhalter zurück zum Parkplatz und holt das Wohnmobil nach. Weil sie dort alles untergebracht haben, müssen sie ihre Pferde Alf und Lexi nicht übermäßig beladen und können hie und da auch mal einen Galopp einlegen. „Geschwind zu Pferde“ funktioniert heute eben doch manchmal.