Eichstätt
"Parteipolitik hat hier nichts zu suchen"

23.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:12 Uhr

Für die ÖDP seit vielen Jahren im Kreistag: Willi Reinbold. - Foto: smo

Willi Reinbold (ÖDP) über die Natur, die Finanzen und die Energiewende im Landkreis Eichstätt

Herr Reinbold, wenn Sie Ihre Gedanken so durch den Landkreis schweifen lassen: Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Willi Reinbold: Der Landkreis hat Naturschönheiten, die leider von den wenigsten Einheimischen erkannt werden. Wir achten das viel zu wenig. Das Verständnis für die Natur bedeutet bei uns in erster Linie: Was bringt es für den Geldbeutel? Wir müssen aber etwas für die Natur tun, und zwar so viel, dass wir in 20 oder 40 Jahren vor unseren Kindern dastehen und sagen können: Wir haben unser Möglichstes getan – auch finanziell.

Das heißt, Investitionen, die auch der Landkreis Eichstätt tut, sind richtig? Ich denke an die Klinik, vor der wir hier gerade sitzen.

Reinbold: Ich halte eine Klinik in kommunaler Hand für unbedingt notwendig. Es darf nicht sein, dass diese Häuser privaten Interessen unterliegen. Da heiße ich es auch gut, dass der Landkreis Investitionszuschüsse gibt. Wir haben nicht nur Pflichtaufgaben im Straßenbau oder in der Jugendhilfe, sondern auch in der Gesundheit. Da müssen wir in den Geldbeutel langen.

Ein zweiter Investitionsschwerpunkt sind die Schulen.

Reinbold: Eine Gesellschaft, die es sich zwar leisten kann, aber die sich Bildung nicht leistet, begeht Selbstmord. Über die Bildung können wir unseren Lebensstandard halten, aber nur, wenn wir in Bildung investieren – auch im Landkreis Eichstätt.

Wir leisten uns aber auch die Dinge, die zu kontroversen Diskussionen führen. Stichwort: Biberlehrpfad im Morsbachtal.

Reinbold: Wir Menschen halten uns alle gern in einer angenehmen Umgebung auf. Wir fühlen uns doch unter Schrott und Beton weniger wohl als im Wald. Der Biberlehrpfad ist eigentlich eine Maßnahme gegen die Natur, eine Störung. Aber man muss abwägen: Wenn man in der Natur lehrt, kann man vielleicht auch Verständnis erfahren. Außerdem könnte es sich hier um eine Infrastrukturmaßnahme handeln, auch, um den Einwohnerschwund dort zu stoppen. Wenn man das richtig und nicht brutal macht, an der richtigen Stelle, dann ist die Störung extrem gering. Ich bewerte den Lehrwert höher als den Störfaktor.

Um die Infrastruktur zu verbessern, sind auch Straßen notwendig. Beispielsweise die Nordumfahrung, die nach langem Ringen nun kommt.

Reinbold: Das ist ein politisches Thema. Meine Forderung war: Wenn die Straße fertig ist, muss man auch einmal den Mut haben, eine entbehrliche Straße zurückzubauen. Künstlich über Verkehrslenkung den Verkehr aufzusplitten, halte ich nicht für gut. Man könnte solche Straßen auch menschenfreundlicher gestalten: Flüsterasphalt, Geschwindigkeitsbeschränkungen. Man muss doch nicht mit 120 fahren, man kann auch mit 80 Kilometern pro Stunde unterwegs sein. Ob man die Straße überhaupt braucht... Es bedeutet halt auch mehr Verkehr, wenn ich den Autoverkehr interessanter mache. Dann bin ich weniger bemüht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.

Beim öffentlichen Nahverkehr ist der Gemeinschaftstarif in der Diskussion, vor allem auch wegen des Vorstoßes der INVG.

Reinbold: Ich bin für so einen Regionaltarif, weil man einfach leichter im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sein kann. Was für mich das „i-Tüpfelchen“ wäre: Dass endlich der Audi-Halt kommt. Ich hoffe, dass das verwirklicht wird. In Sachen Gemeinschaftstarif muss man sich aber jetzt an einen Tisch setzen und alle Interessen abwägen. Warum soll das nicht funktionieren? Meine Hoffnung ist noch nicht gestorben.

Ist das auch so in Sachen Energiewende? Der Landkreis will, mithilfe des Energiebündels, bis 2030 autark da stehen.

Reinbold: Die ÖDP hat bekanntlich den Verein Energiebündel initiiert. Ich bin überzeugt, wir sind überzeugt, dass wir schon 2020 mit der kompletten Energie umgestellt haben könnten – auch im Blick auf Mobilität und Wärme. Wir könnten alles, sämtliche Energie, die wir brauchen, aus erneuerbaren Rohstoffen gewinnen. Und zwar bei uns vor Ort. Dass das möglich ist, zeigen verschiedene Untersuchungen, zum Beispiel für den Landkreis Traunstein. Wind und Sonne stehen zwar nicht immer zur Verfügung, aber im großen Verbund – auch mit Gaskraftwerken – klappt das. Da brauchen wir die 500-kV-Gleichstromleitung überhaupt nicht. Wir können regional erzeugen. Und der Nebeneffekt: Die Wertschöpfung bleibt bei uns.

Die Bürger protestieren gegen die Trasse.

Reinbold: Über diese Trasse ist den Bürgern bewusst geworden, dass da etwas nicht stimmt. Meine Hoffnung ist, dass wir nicht nur mit der „Monstertrasse“ argumentieren, sondern auch das Nachdenken beginnt: darüber, wie ich einsparen kann, wie ich Energie effizienter einsetzen kann...

Wir stehen im ersten Jahr der neuen Wahlperiode. Im Kreistag gibt es eine Pattsituation, die Landratsstimme entscheidet. Wie sieht es denn mit der Zusammenarbeit aus?

Reinbold: Wir sind die kleinste Fraktion. Bisher gab es auch in der Opposition keine Zusammenarbeit. Es hat ja auch keine Rolle gespielt: Die Mehrheit hat immer geschlossen gestimmt. Da hat man reden können, was man wollte, die Abstimmungsergebnisse standen fest. Jetzt geht die Opposition zumindest aufeinander zu. Man tauscht sich sachlich aus und schaut auch, wie man sich auf einen Nenner einigen kann. Bei der Stellvertreterfrage habe ich es nicht verstanden, wie man da statt Sach- Parteipolitik machen musste: Parteipolitik hat hier, in einem Kreisgremium, nichts zu suchen.

Die Sommerferien sind vorbei. Haben Sie Urlaub gemacht?

Reinbold: Ich war zwei Wochen lang in den Abruzzen auf Wolfssuche unterwegs: Ich bin dort mit Menschen zusammengekommen, die Zeit ihres Lebens in einem Gebiet wohnen, wo Wolf und Bär vorkommen. Für die Leute dort ist das selbstverständlich: Die sind stolz auf diese Tiere.

Das Gespräch führte Marco Schneider.