Eichstätt
"Neue Nachbarn"

108 Flüchtlinge beziehen in der Eichstätter Berufsschulturnhalle eine vorübergehende Bleibe

06.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Wieder heißt es Warten: Gleich nach der Ankunft nahmen die Asylsuchenden vor der Turnhalle Platz und bekamen anschließend familienweise ihre Abteilungen (siehe Bild unten) zugeteilt. Daniela Stößl vom Landratsamt (links) und Stefanie Lorenz von „Jonas Better Place“ nahmen die Einteilungen vor – anhand der Registrierungszettel aus München. - Fotos: smo

Eichstätt (EK) Die Berufsschule hat „neue Nachbarn“, wie der kommissarische Schulleiter Wendelin Ferstl sagte: Gestern Nachmittag sind zwei Busse mit 108 Asylsuchenden aus München eingetroffen. Darunter sind sehr viele Familien mit etwa 40 Kindern. Sie haben die Notunterkunft in der Turnhalle bezogen.

Die beiden Busse aus München kommen am frühen Nachmittag an. Müde steigen die Menschen aus, die Kinder klammern sich teils fest an ihre Eltern. Hinter ihnen liegen oftmals weite Wegstrecken einer wochenlangen Flucht. Reden will in diesem Moment niemand. Knapp beantworten sie noch die Frage, wo sie herkommen: Somalia, Eritrea, Afghanistan, Syrien und Pakistan – allesamt Brennpunkte der Fluchtbewegung. Tobias Geyer und Stefanie Lorenz von der Firma „Jonas Better Place“ weisen ihre Mitarbeiter noch einmal kurz ein, mit Hilfe der Bereitschaft des Roten Kreuzes holen sie die Asylsuchenden familienweise in den Vorraum der Turnhalle und weisen ihnen die Abteilungen zu. Es läuft alles reibungslos. Fast. Die Betten gehen aus: 108 Flüchtlinge sind angekommen, 100 waren gemeldet. Georg Stark vom Landratsamt, der die Koordination der Notunterkunft übernommen hat, ordert kurzfristig im Bauhof weitere Stockbetten.

Ein Rädchen greift ins andere. Dieses Miteinander lobt auch der Leiter der Maria-Ward-Erstaufnahme Tobias Geyer von der Firma „Jonas Better Place“. Er hat auch die Betreuung dieses Objekts übernommen. „Dieses Miteinander ist nicht selbstverständlich.“ Es mache aber vieles einfacher. Landrat Anton Knapp spielt den Ball zurück: „Wir sind auch froh, dass wir das Ganze im Team machen können.“ Da fällt es dann auch nicht ins Gewicht, wenn auffällt, dass Toilettenpapier fehlt. Minuten später hat Stark schon ein paar Rollen unterm Arm, den Rest organisiert Geyer aus Maria-Ward. Währenddessen richten sich die Flüchtlinge ein so gut es geht. Privatsphäre ist für die Zeit in der Turnhalle nur eingeschränkt gegeben. Wie lange sie hier bleiben? Normalerweise maximal sechs bis acht Wochen. Aber eine Prognose will hier heute keiner der Verantwortlichen abgeben.

Von alledem möglichst wenig soll der Schulbetrieb beeinträchtigt werden. Die Flüchtlingsunterkunft und das Schulgelände sind durch einen Bauzaun geteilt, übrigens genauso wie die Bettenabteilungen innen. „Eine theoretische Trennung ist damit gewährleistet“, erklärt der kommissarische Schulleiter Wendelin Ferstl am Vormittag in einer Lehrerkonferenz. In vielen Gesichtern ist Unsicherheit abzulesen. Ferstl ruft seine Kollegen zu Gelassenheit auf: „Wir müssen jetzt erst einmal schauen, wie sich das entwickelt.“ In der Theorie könne man vieles klären und festlegen, man müsse die Praxis abwarten. Das Lehrerkollegium, das anschließend selbst noch einen kurzen Blick in die Turnhalle werfen kann, um sich selbst alles einmal anzusehen, treibt auch die Frage nach der gesundheitlichen Vorsorge um. BRK-Rettungsdienstleiter Reiner von Spannenberg ist eigens in die Kurzkonferenz gekommen. „Was kann passieren? Eigentlich nichts“, sagt er.

Zudem habe der Landkreis mit der Betreiberfirma „Jonas Better Place“ einen „guten Partner gefunden“, der „viel Erfahrung“ bei der Betreuung von Flüchtlingen habe, ergänzt Ferstl. Mit den Verantwortlichen stehe man in engem Kontakt, sodass man Unterkunft und Schulbetrieb möglichst auseinanderhalten könne. Gerda Amler, Mitarbeiterin der Schulleitung, verweist darauf, dass man vermehrt den Eingang an der Burgstraße verwenden soll. Außerdem, betont Ferstl gegenüber unserer Zeitung, sei die Berufsschule seit drei Jahren „flüchtlingserfahren“. Es sei keine völlig neue Situation, nur „eine andere“ – der räumlichen Nähe wegen.

Diese Nähe zu anderen Einrichtungen in Eichstätt ist für die kommenden Tage wichtig: Die medizinischen Erstuntersuchungen sollen heute starten. Ronald Meersteiner und Johannes Rank vom Gesundheitsamt nehmen sie im Arztzimmer von Maria-Ward vor, die Röntgenaufnahmen werden in der Klinik gemacht. Rotkreuzler haben die Asylsuchenden gestern bereits einem Erstcheck unterzogen.

Eichstätt ist derzeit nicht die einzige Notunterkunft. Gestern aktivierte die Regierung von Oberbayern zugleich den Notfallplan in Freising. Außerdem stehen Dependancen in zehn weiteren oberbayerischen Orten, wie aus München zu erfahren war. Kapazität: über 2000 Plätze. In Eichstätt selbst leben derzeit fast 500 Flüchtlinge.