Eichstätt
Mit Akribie dem Archaeopteryx auf der Spur

"Missing link" in der Galerie "Bildfläche": Eine faszinierende Fotoausstellung über den berühmten Urvogel

28.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:22 Uhr

Eröffneten die Ausstellung des jungen Fotokünstlers Simon Sola Holischka (Mitte): Galerist Hubert Klotzeck (rechts) und Andreas Hochholzer, der eine umfassende Betrachtung bot. Im Hintergrund ist eine Fotografie des 11. Exemplars des Archaeopteryx Lithographica zu sehen, die aus einer Bildkomposition von nicht weniger als 493 Fotos entstand. - Fotos: ddk

Eichstätt (EK) Immer wieder übt der Urvogel Archaeopteryx große Faszination auf Menschen aus. Wissenschaft und Forschung arbeiten auf neue Erkenntnisse hin. Auf eine fotografische Spurensuche hat sich der 1987 in Eichstätt geborene junge Fotograf Simon Sola Holischka begeben.

So hat er sich dem einzigartigen Sauriervogel künstlerisch angenähert. „Missing Link“ – das „fehlende Bindeglied“, lautet der Titel der Ausstellung, die Holischka am Freitagabend mit rund 100 Gästen in der Galerie „Bildfläche“ zusammen mit Hubert Klotzeck und Andreas Hochholzer eröffnen konnte.

„Der direkte Zugang zu den Fotografien von Simon Sola Holischka ist alles andere als eicht“ – so musste Andreas Hochholzer, der die kunstbetrachtende Einführung übernommen hatte, schmunzelnd zugeben. Er bedauerte, dass die fachwissenschaftliche Einführung in die Ausstellung durch Martin Röper, Leiter des Bürgermeister-Müller-Museums in Solnhofen, wegen Erkrankung ausfallen musste. Umso intensiver und eindrücklicher fiel Hochholzers Betrachtung der Fotokunstwerke Holischkas aus. Es handele sich, so Hochholzer, um fast plastisch wirkende Fotografien, die mittels aufwendiger Technik und größtmöglicher Akribie Versteinerungen urgeschichtlichen Lebens ablichten. Ernst, unnachgiebig, exakt und mit größtem Nachdruck wolle sich der Künstler dem „missing link“, diesem verlorenen Bindeglied des Urvogels Archaeopteryx widmen, so Hochholzer, „als wolle er das Thema endgültig erschöpfend abarbeiten, damit der Stein endlich alles preisgeben kann, was in ihm eingeschrieben ist“.

In der Tat ist es diese unglaubliche Genauigkeit, mit der Holischka, der den Master-Studiengang Gestaltung an der Fachhochschule Bielefeld abgeschlossen hat, die fossilen Überreste des Archaeopteryx mittels Spezialverfahren in bisher ungesehenem Detailreichtum fotografiert. Krallen, Knochen, Wirbel, Rippen, Gefieder – in Einzelheiten oder auch als Ganzes, in zusammengesetzter Form, als Negativbild oder in strahlendblauer Cyan-Umsetzung – keine Einzelheit lässt der Künstler bei dem Versuch aus, zu erforschen, was in den Steinen zu dechiffrieren ist. Akribisch arbeitet er sich fotografisch immer weiter in die Steinplatten und fossilen Überreste vor, will – den Steinbrucharbeitern und Paläontologen scheinbar gleich – Schicht für Schicht freilegen. Mit dieser Präzision hat Holischka sich eine ganz eigene künstlerische Position geschaffen.

Technisch aufwendig greift Holischka hierbei oftmals auf eine Technik namens „focus-stacking“ zurück. Mit der gelingt es ihm, eine große Tiefenschärfe eines Bildes zu erzielen. Da es bei starken Vergrößerungen mit einer Kamera nicht möglich ist, das ganze Bild scharf zu stellen, macht der Künstler hierbei zunächst Fotos, in denen unterschiedliche Bereiche des Objekts scharf sind. Anschließend kombiniert er diese. So finden sich dann auch zahlreiche Fotografien in der Ausstellung, für die bis zu 715 Einzelfotografien notwendig waren, bevor die endgültige Bildkomposition entstehen konnte.

Doch Simon Sola Holischka, der 2014 den bundesweit angesehenen Förderpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland entgegennehmen konnte, geht es als Fotokünstler nicht um den Archaeopteryx als rein wissenschaftliches Objekt, das seine Neugier auf sich ziehen konnte. Er ist vielmehr ein Kunstobjekt und Medium, um dem Betrachter zu zeigen, was eben nicht fotografierbar ist: „Je schärfer und härter Holischka dem Stein auf den Leib rückt, umso mehr verliert dieser seine scharfen Ränder, den wissenschaftlich abgesicherten Wissensumriss“, so betonte Hochholzer in seiner Kunstbetrachtung. Zwei Aufnahmen – eine Fotografie einer echten Feder auf blauem Hintergrund und ein privates Erinnerungsfoto, das Holischkas Vater mit seinem Sohn Simon als Baby im Arm in einer urzeitlich anmutenden Landschaft im Meer stehend zeigt – könnten, so Hochholzer, als „Schlüsselfotos“ dienen: Verkörpert die reale Feder den Traum des Menschen zu fliegen, führt die zweite Fotografie vor Augen, dass der Mensch sich nicht wirklich vorstellen kann, wer und wie wir früher waren. Zwar sei diese Erfahrung in uns eingeschrieben, wie der urzeitliche Archaeopteryx vermeintlich deutlich in den Stein eingeschrieben sei. Doch der Mensch sei nicht wirklich in der Lage zu dechiffrieren, wie und was damals war. So erhält das Foto eine ganz neue Dimension: Es ist die Brücke zu dieser Ahnung, wie es einmal war.

Bei Crêpes und Getränken diskutierten die Besucher nach der Vernissage noch lange über die Fotos von Holischka. Der Erlös aus dem Crêpes-Verkauf wird übrigens einem künftigen Kunstprojekt in Eichstätt zugutekommen.

Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai mittwochs und freitags von 14 bis 16 Uhr sowie am Samstag von 10 bis 13 Uhr zu besichtigen. Außerdem kann eine Öffnung auch telefonisch unter (01 51) 25 35 02 96 vereinbart werden.