Eichstätt
Lebensmut durch Betania in Kolumbien

Eichstätter Besuch in Einrichtung für alleinerziehende Mütter Unterstützung der Diözese

31.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Ordensobere Schwester Marlén Pulido zeigt, wo eine neue Kinderkrippe mit rund 30 Plätzen errichten werden soll. - Foto: Esser

Eichstätt/Bogotá (EK) "Das Textilhandwerk gefällt mir sehr. Ich lerne, wie man Stoffe verarbeitet, mit den entsprechenden Maschinen umgeht und neue Kleidungsstücke entwirft." Begeistert demonstriert die 28-jährige Angela Salazar im Haus Betania in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá dem Pressereferenten des Caritasverbandes Eichstätt, was sie im Schneiderkurs gelernt hat.

Auf einer privaten Reise hat Peter Esser die Sozialeinrichtung für alleinstehende Mütter der Ordensschwestern der Gemeinschaft "Töchter des barmherzigen Herzens Mariens", welche die Eichstätter Journalistin Dagmar Kusche und er seit vielen Jahren unterstützen, vor Kurzem besucht. Angela Salazar lebt seit einem Jahr in Betania, inzwischen mit einem acht Monate alte Töchterchen.

Vor einigen Jahren hatte sie in der Stadt San José de Guaviare etwa 400 Kilometer südöstlich von Bogotá Furchtbares erlebt: "Es gab Massaker mit vielen gewaltsamen Gruppen der Paramilitärs, Guerilla und anderer Banden. Mein Bruder verschwand im Alter von 13 Jahren spurlos, was für mich besonders hart war. Und ich hatte viele familiäre Probleme", erzählt sie. Sie wurde alkohol- und drogenabhängig. Eine Ausbildung hat Angela Salazar nie absolviert.

Neben ihr im Schneiderkurs sitzen und werkeln die 20-jährige Laura Camila, die erst seit drei Wochen mit ihrem Baby in Betania wohnt, und die 30-jährige Mary Luz Susa Martinez, die bereits seit elf Jahren in der Einrichtung ist und ihr Kind zur Adoption freigegeben hat. Wie Angela Salazar konnten auch sie nicht mehr in ihren Familien leben. Eine der beiden Frauen wurde missbraucht.

Dass die drei Frauen sowie derzeit zehn weitere in Betania wohnende alleinerziehende Mütter mittlerweile neuen Lebensmut schöpfen, verdanken sie einer Vielzahl an Hilfen in Betania: zum Großteil der Betreuung durch das Team einer Psychologin, Sozialarbeiterin und Ernährungsberaterin, aber auch dem Kurs in der Schneiderei. Beides wird vom Referat Weltkirche der Diözese Eichstätt und dem Eichstätter Verein Welt-Brücke finanziell gefördert. Dass die Frauen von Anfang an und sogar noch mehrere Monate nach ihrem Auszug aus der Einrichtung durch das psychosoziale Team begleitet werden, ist nach Überzeugung der Ordensoberin Marlén Pulido elementar, damit ihre zuvor verletzten Grundrechte wiederhergestellt werden und sie und ihre Kinder ein stabileres Leben anfangen können. Laut Schwester Sandra Lopez, die seit zwei Jahren die verschiedenen Hilfeprogramme koordiniert, hat dieses Team erheblichen Anteil daran, dass etwa die Hälfte der jährlich rund 60 Mütter in der Einrichtung im Durchschnitt nach einem Jahr wieder in ihre alte Familie zurückkehrt oder ein neues Familienleben beginnt sowie ebenfalls rund die Hälfte eine Arbeit aufnimmt. Zu Letzterem trägt freilich wesentlich bei, dass die Frauen während ihrer Zeit in Betania den Schulabschluss nachholen - an der Ausbildung in der Schneiderei, dem Angebot "Computer" eines Ehrenamtlichen und den Werkstätten Friseurhandwerk und Maniküre/Pediküre.

Eine Fachkraft in der Schneiderei lehrt interessierte Frauen zum Beispiel, Röcke und Blusen, Kissen, Etuis für Handys, aber auch Kinder- und Sportkleidung zu produzieren. Der Verkauf von selbst hergestellten Produkten wird in neue Materialien für die Schneiderei reinvestiert. Aus dem seit gut zwei Jahren angebotenen Kurs hat es mittlerweile eine Frau geschafft, eine Festanstellung in einem Textilbetrieb zu bekommen. Mehrere andere haben sich selbstständig gemacht und arbeiten für Betriebe und Privatleute von zu Hause aus. Dies tun den Schwestern zufolge viele durchaus gerne, weil sie so bei den Kindern bleiben können. Angela Salazar träumt davon, später einmal eine eigene Textilfabrik zu gründen. Nicht alle im Kurs haben solche Ziele. Laura Camila stellt sich beruflich anderes vor, "aber ich mache in der Schneiderei gerne mit, weil ich merke, dass ich dadurch Stress abbauen kann".

Wie viele in Kolumbien sehnen sich auch die Ordensschwestern und die ihnen anvertrauten alleinstehenden Mütter danach, dass der derzeit nach 50 Jahren Auseinandersetzung in Kolumbien stattfindende Friedensprozess zwischen der Regierung und der größten Guerillaorganisation FARC erfolgreich verläuft. Auf die eigene Arbeit hat sich dieser bisher allerdings nach Erfahrung von Schwester Sandra Lopez noch nicht ausgewirkt. Viele Frauen, welche Hilfe in Betania suchen, seien wie Angela Salazar auch Opfer politischer Gewalt sowie Vertreibung. "Und es kommen jetzt auch etliche, die Drogen, zum Beispiel Marihuana oder Kokain, konsumieren", berichtet sie. Auch müsse sich Betania in Kürze vermutlich minderjähriger alleinstehender Mütter annehmen. Um sie kümmerten sich zwar grundsätzlich staatliche Einrichtungen. "Doch diese sind zum Teil überbelegt", hat die Schwester erfahren.