Eichstätt
Kunstfertigkeit statt Künstlichkeit

Wintervortragsreihe an der KU eröffnet überraschende Perspektiven auf die "marinierte" Literatur des Barock

27.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:22 Uhr

Eichstätt (EK) „Prodesse et delectare“, unterhalten und belehren, sollte die Dichtkunst des Barock ihr Publikum. Dies gelang auch Professor Rainer Stillers von der Universität Marburg mit seinem Vortrag im Rahmen der Wintervortragsreihe an der Katholischen Universität (KU) mühelos.

Unter dem Titel „Doppelbilder: Metapher und Einbildungskraft in der Lyrik Giambattista Marinos (1569– 1625)“ bot er seinen Zuhörern ein beeindruckendes Panorama barocker Dichtung in Theorie und Praxis.

Mit Marino brachte Stillers eine echte Berühmtheit nach Eichstätt: Der italienische Dichter war nicht nur bekannt für seine Dichtkunst, sondern auch für seinen abenteuerlichen Lebenswandel. Das sonst eher trockene Forschungsgebiet der Rhetorik veranschaulichte der Vortrag gekonnt durch die Einbindung reichen Bildmaterials. So erklärte er unter anderem anhand der Doppelbelichtung analog geschossener Urlaubsbilder, wie die Metapher als zentrales Stilmittel des Barock solche „Doppelbilder“ auch auf sprachlicher Ebene erzeugt.

Den notwendigen theoretischen Hintergrund legte er dabei mit den poetischen Überlegungen Emmanuele Tesauros, einem der bedeutendsten Rhetoriker des Barock. Die zugehörige Praxis illustrierte Stillers anschließend anhand dreier ausgewählter Texte aus dem umfangreichen Werk Marinos. Dabei verwöhnte er die Ohren seines Publikums stets zunächst mit dem italienischen Original, bevor er anhand eigenhändiger deutscher Übersetzungen die rhetorischen Feinheiten der Texte erläuterte. Als besonders kunstvoll präsentierte sich so beispielsweise ein Text aus Marinos erster Gedichtsammlung, La Lira, der die Angebetete des lyrischen Ichs beim Kämmen beobachtet, wobei es die goldenen Fluten ihrer Haarpracht mit den wilden Wogen des Meers gleichsetzt.

Zwar vermochte Stillers auf diese Weise nach eigener Aussage „nur einen winzigen Ausschnitt“ der Barockliteratur zu beleuchten – die Leitfrage der Vortragsreihe „Was ist Barock“ konnte er jedoch bravourös beantworten, indem er diese besondere Form der Dichtkunst klar von der Renaissance abgrenzte und im Vergleich mit zeitgenössischen Kollegen Marinos stilistische Besonderheiten des „Marinismus“ hervorhob.

Am Ende eines spannenden Vortragsabends war es Stillers gelungen, den Eichstättern neue Perspektiven auf die vermeintlich „schwülstige“ Lyrik des Barock zu eröffnen und die ihr oftmals unterstellte Künstlichkeit als veritable Kunstfertigkeit zu enthüllen.