Eichstätt
Die Leseinsel an der Altmühl

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
Wie Blätter eines Buches fallen die Lichtstelen von Heinz Mack (Mönchengladbach) vor dem Eingang der Zentralbibliothek in die Wiese. −Foto: upd

Eichstätt (EK) Mit dem Bau der Zentralbibliothek bekam Eichstätt ein weiteres Glanzstück moderner Architektur. Stararchitekt Günther Behnisch plante sie. Einweihung war am 26. November 1987.

Er hat das Münchner Olympiastadion geplant, den Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn, den Kontrollturm am Nürnberger Flughafen – und die Zentralbibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: Günther Behnisch, der 2010 gestorben ist. Der „Spiegel“ bezeichnete ihn in einem Nachruf als „Architekt des gläsernen Deutschlands“. Wer vor der Eichstätter Zentralbibliothek steht, vermag diese Einschätzung zu verstehen: Neben dem Stahl bildet Glas das zentrale Element des Gebäudes – übrigens ähnlich wie beim Plenarsaal des Bonner Bundestages. Der Glasbau in den Altmühlauen war der erste (und bislang letzte) große Erweiterungsbau nach der Errichtung der Katholischen Universität 1980 (KU) in Eichstätt.

Der Bau der neuen Zentralbibliothek galt damals als wichtiges Signal für die KU. Nicht umsonst formulierte Präsident Professor Dr. Nikolaus Lobkowicz: „Das neue Gebäude wird ohne Zweifel zum wichtigsten Mittelpunkt des Lebens unserer Universität werden.“ Es manifestiere zudem den Wunsch, „eine für die Stadt Eichstätt offene und mit ihr verbundene Einrichtung zu sein“. In dem Gebäude sind nicht nur die Bibliothek, der Lesesaal und ein Teil des Büchermagazins untergebracht: Dort haben auch die Büros der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät sowie der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät ihren Platz gefunden.

Dass der Bau nicht in der Stadt, sondern draußen, sozusagen auf der „grünen Wiese“ (genauer gesagt auf einem ehemaligen Sportplatz), errichtet wurde, hat auch seinen Grund. Schon in den Vorjahren hatte Universitätsbaudirektor Karljosef Schattner zahlreiche Barockgebäude um- und ausgebaut, sensibel und feinfühlig Altes und Neues miteinander verknüpft. Nun sollte aber ein neuer, reiner Bau entstehen, wie Günther Behnisch damals erklärte: „Bei einer städtischen Lösung hätte der Neubau eingebunden werden müssen in die städtische Substanz. Zweifellos wäre die Situation beengter gewesen.“

Ohne eine Beschreibung und Würdigung des modernen Bibliotheksbaus, mit dem Behnisch und sein Büro einen ausgelobten Wettbewerb im Juli 1980 gewinnen konnten, kommt heutzutage kein Architekturführer mehr aus. Allein die kleine Festschrift zum Zehnjährigen des Bibliotheksbaus (editiert 1998) zählt bereits annähernd drei Seiten lang nationale und teils internationale Literatur zum Behnisch-Bau an der Altmühl auf, vorwiegend in renommierten Zeitschriften und Sammelbänden zur Architektur.

1987 gewann das Glas-Stahl-Konstrukt den BDA-Preis Bayern: „Die neue Zentralbibliothek Eichstätt ist ein Bauwerk, das in allen Teilen durch sensiblen Umgang mit Licht, Material, Konstruktion und Mobiliar geprägt ist und hervorragende Voraussetzung für die Arbeit der Bibliothekare und das Lesen und Lernen der Benutzer schafft“, ist in der Begründung der Jury nachzulesen.

Mit dem damals 25 Millionen Mark teuren Projekt hat Eichstätt seiner barock-modernen Symbiose einen weiteren architektonischen Wallfahrtsort hinzufügen können. Gut 30 Jahre später ist das Büro Behnisch wieder hier beschäftigt – nur wenige hundert Meter weiter westlich: Im Auftrag von Media-Saturn-Mitgründer Leopold Stiefel baut es gerade in der Spitalstadt ein Wohn- und Geschäftshaus.

Die Studenten können in den Lesesälen der „Bib“ bei Tageslicht arbeiten, können sich in intimiere kleine Arbeitsstuben zurückziehen – alles mit einem Blick ins Grüne. Das war Behnisch wichtig: Immer wieder hat er bei den Präsentationen seines Entwurfs in den verschiedenen Gremien betont, die Auenlandschaft an der Altmühl nicht zerschneiden zu wollen, sondern sie zu erhalten.

„Ohne die spezielle ,Bauherrschaft’, die Stiftung der Katholischen Universität, die sich ihrer ,Besonderheit’ sehr bewusst ist, hätte das Gebäude so nicht entstehen können“, sagte Günther Behnisch einst. Und er fügte an: „Vielleicht hat das neue Gebäude so eine Chance zu bestehen neben der alten Stadt, ihren alten Bauwerk-Schätzen und den kunstvollen Ergänzungen durch Karljosef Schattner.“ 

 

Zahlen

Insgesamt wurden 34 200 Kubikmeter Raum auf einer Grundrissfläche von 9300 Quadratmetern umbaut – innerhalb von vier Jahren. Mit dem Rohbau der Zentralbibliothek konnte allerdings erst im April 1984 begonnen werden. Der Planentwurf stand bereits 1980 fest, die Finanzierung des 25,5 Millionen Mark teuren Baus blieb aber lange eine Hängepartie. Erst 1983 konnten die entsprechenden Gelder freigegeben werden. Am 25. Juni 1985 feierte die Stiftung der Katholischen Universität, die als Bauherrin auftrat, Richtfest, ab Oktober 1986 wurde eingezogen. Die offizielle Inbetriebnahme musste aber auch verschoben werden: Es fehlte schlicht an Mobiliar, sodass es dann Ende November 1987 wurde.