Eichstätt
Jedes Ei erzählt seine eigene Geschichte

Die slowakische Künstlerin und Sammlerin Ludmila Batorova lässt alte Traditionen der Ostereierverzierung wieder aufleben

18.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

 

Eichstätt (EK) Geschickt und hoch konzentriert führt Ludmila Batorova die feine Stahlfeder über das Hühnerei, tunkt die Feder in das heiße Wachs ein und trägt es schnell auf die gefärbte Eieroberfläche auf. Mit kurzen feinen Strichen entstehen nach und nach wunderschöne Ornamente und Muster, Blüten und Ranken und Figuren. Geduld, Ruhe und Geschick benötigt Ludmila Batorova, um ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: dem künstlerischen Verzieren von Ostereiern. Als Gast der Eichstätter Schule St. Walburg gewährte Batorova jüngst Einblicke in ihre Kunst.

Seit über 25 Jahren beschäftigt sich die Künstlerin Ludmila Batorova, die in Prievidza lebt, einer 50 000 Einwohner-Stadt im Nordosten der Slowakei, mit alten slowakischen Traditionen, deren wichtigste das kunstvolle Schmücken von Eiern darstellt. In Heimat- und Freilichtmuseen, Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, Kinderkunstschulen und privaten Kursen veranstaltet sie regelmäßig Workshops, um die Techniken zu vermitteln. Viele europäische Länder hat sie schon bereist, um ihr Wissen zu teilen und zu verbreiten, und auf Kunsthandwerksmärkten ist sie mit ihrer vielfältigen Palette an österlichen Eierkunstwerken stets ein gern gesehener Gast – wie eben nun in Eichstätt.

In ihrem Haus in Prievidza hat sich das Erdgeschoss zu einem eigenen kleinen historischen Museum mit ihrer 1016 Ostereier aus aller Welt umfassenden Sammlung und typischen Bauernmöbeln der Großeltern verwandelt: „In 100 Jahren sollen unsere Enkel und Urenkel noch wissen, welche Traditionen, Bräuche und Techniken es in der Slowakei beim Ostereierverzieren gab und gibt.“

Zu den ältesten und anspruchsvollsten Techniken gehört das Bemalen der Eier mit flüssigem Wachs. Die Eier werden in einer Farbstofflösung gekocht, dann trägt man mit einer Stahlfeder von Hand kunstvolle Ornamente mit weißem oder farbigem Wachs auf.

Seit über 100 Jahren ist auch die Kratztechnik verbreitet. Dabei werden Eier zunächst in einem kräftigen Farbton eingefärbt und anschließend mit feinen Ritzmessern die filigranen Muster von Hand in die Oberfläche gekratzt. Eine alte und beliebte Technik ist auch das Perforieren von Eiern mit Herz- und runden Lochmustern, die dann meist ebenfalls zusätzlich mit Wachsornamenten geschmückt werden – eine angesichts der zerbrechlichen Eierschale sehr schwierige Arbeit.

Seit jeher verwendeten die Menschen gerne auch Naturmaterialien oder Dinge zum Verzieren der Ostereier, die sie selbst zu Hause vorrätig hatten: Stroh, Garne, Fäden, Trachtenbänder oder Pflanzenteile, Samen und Körner.

Stolz zeigt Ludmila Batorova das älteste Exponat ihrer Ostereiersammlung: Es ist ein über 100 Jahre altes, mit dem natürlichen Innenmark einer seltenen Sumpfpflanze verziertes Ei, das zusätzlich mit alten farbigen Trachtenbändern verziert wurde. Sowohl die pflanzlichen, schnurförmigen Teile als auch die Stoffbänder sind mit einer Wasser-Mehlmischung auf das Ei geklebt – ein hervorragender dauerhafter Naturkleber aus alten Zeiten. Eine alte Bäuerin habe mit den wenigen Mitteln, über die sie verfügte, dieses Ei angefertigt und ihr geschenkt, berichtet Batorova. „In meiner Sammlung erzählt jedes Ei seine eigene Geschichte“, sagt die Künstlerin lächelnd, „und hinter jeder Geschichte steht ein Mensch.“

Aus vielen alten Traditionstechniken, die in früheren Zeiten aus der puren Überlebensnot entstanden sind, entwickelten sich bis heute gefragte Kunstobjekte. Ein gutes Beispiel dafür sind die sogenannten „Kesselflickereier“. Die Kesselflicker waren – ähnlich wie die Besenbinder oder Scherenschleifer – arme Handwerker, die mit Wohnkarren und Familie von Ort zu Ort durch das Land zogen, am Dorfrand ihre Lager aufschlugen und dort ihre Werkstätten und Feuerstellen einrichteten. Mit Kupfer und anderen Metallen reparierten sie Töpfe und Pfannen und verfügten immer über Metallreste und Drähte, mit denen sie kunstvoll Ostereier verzierten und sich so noch ein Zubrot verdienten.

Bis heute gehören Ostereier in der Slowakei zu vielen Ostertraditionen. Dazu zählt nicht nur das traditionelle Schmücken der Häuser – innen wie außen – mit Ostereiern. Am Ostermontag wird vielerorts auch der Brauch ausgeübt, dass die Männer Frauen mit Wasser besprengen und mit einer Art handgemachten Rute, die mit bunten Bändern geschmückt ist, „symbolisch“ schlagen. Der Überlieferung nach soll dies die Gesundheit und Schönheit der betroffenen Frauen im kommenden Jahr erhalten. Im Gegenzug schenkt die Frau dem Mann ein bunt bemaltes oder anderweitig verziertes Osterei. Die Attraktivität von kunstvoll in verschiedenen Techniken geschmückten Eiern ist in der Slowakei inzwischen so groß geworden, dass auch Unternehmen gerne auf künstlerisch bearbeitete Eier als Werbepräsente oder Aufmerksamkeiten für ihre Mitarbeiter zurückgreifen. Sie sind dann mit dem Firmenlogo und guten Wünschen verziert. Auch auf großen Festen wie Hochzeiten oder Jubiläen sind mit persönlichen Grüßen versehene Eier gern gesehene Geschenke.

Sogar am slowakischen Weihnachtsbaum fehlen bunt verzierte Eier inzwischen nicht mehr: Neben Strohanhängern und weihnachtlicher Deko haben sich die ovalen Schmuckstücke längst schon ihren festen Platz erobert und haben nicht nur zu Ostern ihren großen Auftritt.