Eichstätt
"In die Tonne getreten"

Beratung gegen sexuelle Gewalt: Verein Wirbelwind kann Pläne des Landkreises nicht verstehen

05.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Kein Verständnis für die Empfehlung des Jugendhilfeausschusses: die Vertreterinnen des Vereins Wirbelwind (von links) Andrea Teichmann, Marion Baumann und Petra Kufner - Foto: aur

Eichstätt/Ingolstadt (EK) Der Verein Wirbelwind aus Ingolstadt will nicht akzeptieren, dass der Landkreis Eichstätt eine eigene Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt einrichten möchte. Wirbelwind ist fest davon überzeugt, dass er für betroffene Menschen das bessere Konzept anbietet.

„Als ich das in der Zeitung gelesen habe, ist mir die Kaffeetasse aus der Hand gefallen.“ Andrea Teichmann, Geschäftsführerin und hauptamtliche Beraterin des Vereins Wirbelwind, kam gestern Vormittag in die Redaktion nach Eichstätt, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Begleitet wurde sie von der Beraterin Petra Kufert und Vorstandsfrau Marion Baumann. Wie berichtet, empfiehlt der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Eichstätt dem Kreistag, der Landkreis solle eine eigene Fachstelle (mit einer Vollzeitstelle) einrichten und diese in zwei neu zu bildende „Beratungszentren“ einbinden. Die Fachstelle wäre eine Dienststelle des Jugendamtes.

Der Verein Wirbelwind hatte dagegen im Vorfeld über die Grünen beantragt, der Landkreis solle ihm als freiem Anbieter 1,4 Stellen finanzieren, dann könne man die hiesigen Bürger von Ingolstadt aus mitbetreuen. Wirbelwind besteht bereits seit 22 Jahren, und seit dem ersten Tag betreut er auch Klienten aus dem Landkreis Eichstätt, etwa ein Fünftel aller Hilfesuchenden kommen von da. Genauso lange versucht der Verein aber schon, für dieses Engagement einen Zuschuss aus dem Eichstätter Landratsamt zu bekommen. „Bei wechselnden Landräten und Jugendamtsleitern waren die Ablehnungsschreiben zum Teil sogar im Wortlaut identisch“, sagt Andrea Teichmann, und da schwingt durchaus Frust mit.

Der Landkreis war der Ansicht, das Problem sexuelle Gewalt sei bei den bestehenden Erziehungsberatungsstellen bereits gut aufgehoben. Dass trotzdem zahlreiche Menschen aus dem Landkreis zu Wirbelwind kamen und dort betreut wurden, änderte nichts. Akut wurde das Problem dann vor zwei Jahren, als Wirbelwind entschied, nur noch Betroffene aus Ingolstadt und dem Landkreis Pfaffenhofen aufzunehmen, weil hier Stadt und Kreis mitzahlen. Marion Baumann sagt: „Wir weisen konsequent Bürger aus dem Landkreis Eichstätt ab – aber nicht gerne.“

Dass der Landkreis Eichstätt nun auf eine eigene Fachstelle setzen will, hält Wirbelwind für problematisch – nicht für den Verein, sondern für die Klienten. Der Kreis Neuburg sei mit so einem ähnlichen Konzept schon einmal auf die Nase gefallen. Die Betroffenen seien nämlich nicht bereit, ihre gewaltigen Nöte einem „amtlichen“ Berater mitzuteilen. Es wäre viel sinnvoller, Wirbelwind endlich zu unterstützen. Hier gebe es die Erfahrung, die Kontakte, bewährte Strukturen, die man nur noch aufstocken müsse. Und der Landkreis Eichstätt habe echten Bedarf. Früher wurden immer etwa 40 bis 50 Betroffene aus dem Kreis betreut. Heute seien es – trotz „Torschluss“ – immer noch zehn. Dabei ist der Bedarf steigend – aus tragischen Gründen: „Seit dem Mord an Franziska aus Möckenlohe haben wir uns vor Anfragen nicht mehr retten können“, sagt Beraterin Petra Kufner. Schulen hätten sich nach Präventionsprogrammen erkundigt, Fortbildungen seien nachgefragt worden. Aber es riefen auch erwachsene Betroffene an, bei denen durch diesen Mord schlimmste Erinnerungen aus ihrer Kindheit ins Bewusstsein zurückkehrten. „Es waren 33 Erwachsene aus dem Kreis Eichstätt, die wir ablehnen mussten.“

Die Frauen von Wirbelwind wollen aber noch nicht klein beigeben. Die Entscheidung über die Beratungsstelle fällt in gut zwei Wochen im Kreistag. Jetzt wollen sie erreichen, dass sie in diesem Gremium ihre Sicht der Dinge und auch ihre Kompetenz vorstellen dürfen, „als Lobbyisten der Betroffenen. Das ist ja nicht eigennützig.“ Kufert sagt: „Wir haben 22 Jahre Erfahrung. Und das wird hier einfach in die Tonne getreten.“