Eichstätt
"Halb Afrika kocht mit Maggi"

Bei der Sommerschule von Tun.Starthilfe bereiten Deutsche und Nigerianer gemeinsam Essen zu

24.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Gemeinsames Essen verbindet: Nach getaner Arbeit lassen es sich die Köchin Esther (3. von links) und ihre Hilfsköche mit einigen Gästen schmecken. Für die beiden Teilnehmerinnen ist es ungewohnt, mit den Händen zu essen. - Fotos: Kister

Eichstätt (EK) Der 33-jährige Anthony aus Nigeria ächzt, seine Stirn glänzt vor Schweiß. Er beugt sich über einen großen Topf, den er auf den Boden gestellt hat, damit er ihn besser festhalten kann. Mit dem breiten Kochlöffel rührt er die zähe, klebrige Masse in dem Topf um: Weizengrieß.

Eichstätt (EK) Anthony aus Nigeria ächzt, seine Stirn glänzt vor Schweiß. Der 33-Jährige beugt sich über einen großen Topf, den er auf den Boden gestellt hat, damit er ihn besser festhalten kann. Mit dem breiten Kochlöffel rührt er die zähe, klebrige Masse im Topf um: Weizengrieß.

Zwei Stunden zuvor: Bevor die Arbeit richtig losgeht, müssen sich die beiden Teilnehmerinnen des Workshops "Nigerianisches Kochen" im Gebäude der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Geduld üben. Von der Köchin fehlt jede Spur. Genug Zeit, um sich kennenzulernen: Anna (79) ist eine der freiwilligen Helferinnen bei der Sommerschule von Tun.Starthilfe für Flüchtlinge und leitet einen Deutschkurs. Gekommen ist auch die 28-jährige Manuela. Sie hat im vorigen Jahr selbst einen Deutschkurs gegeben, diesmal fehlt ihr die Zeit.

Etwa eine halbe Stunde später taucht die Köchin Esther Aqwaranonge aus Nigeria auf. Mit ihr kommt auch Simone Zink (27), zuständig für die Gesamtorganisation der Sommerschule. Zwei Wochen lang erhalten dort Flüchtlinge aus dem gesamten Landkreis Deutschkurse - der Kochkurs gehört zum Rahmenprogramm.

Es kann losgehen. In der Küche packt die 29-jährige Esther die Tüten aus: Tomaten, Tomatenmark, Zwiebeln, Chilischoten, Sardinendosen, Weizengrieß, zwei große Packungen Hähnchenschlegel, eine Tüte gefrorene Makrelen und eine Flasche Maggi.

"Wo sind die Bretter", fragt Simone. Als Erstes zerlegen die vier Frauen die Schlegel, drei Teile sollen es jeweils sein. Die Knochen bereiten den großen Messern Probleme. Anna findet zwei Hackbeile in einer Schublade: "Damit geht's besser!" Während Anna und Manuela die Hähnchenstücke bearbeiten, schneidet Esther die gefrorenen Makrelen in Stücke.

Inzwischen ist Anthony eingetroffen. Er bringt fünf faustgroße Beutel mit einem weißlichen, grieseligen Pulver: "Das ist Egusi, die Samen einer afrikanischen Melone", erklärt er. "Wir trocknen die Samen und zermahlen sie. Das wird die Hauptsoße." Aber es ist zu wenig. Also improvisiert Esther. Neben der "Egusi Soup" wird es noch eine "Spinach Soup", also eine Soße mit Spinat geben. Doch in der Küche ist nur eine Packung Blattspinat vorrätig; auch zu wenig. Die Köchin schickt Anthony wieder los: "Ich brauche noch drei Packungen."

Esther gibt die Fischteile mitsamt den Köpfen in einen großen Topf und lässt sie vor sich hin köcheln, die Hühnerteile wäscht sie. "Fleisch waschen wir mit Salzwasser für den Fall, dass Sand dran ist oder es irgendwie dreckig ist." Auch die Hähnchenstücke gibt sie zum Vorkochen in einen Topf. In beide Töpfe kommt noch ein "bisschen Maggi", sagt Esther, während sie die Würze großzügig in den Topf schüttelt, bis das Kochwasser leicht bräunlich ist. "Das macht niemand sonst, dass er das direkt zum Fleisch gibt", staunt Anna. Simone erklärt: "Maggi ist eine der weitverbreitetsten Marken auf der Welt und halb Afrika kocht damit."

Währenddessen haben Anna und Manuela Zwiebeln in Würfel geschnitten; die Ausdünstungen beginnen in den Augen und Nasen zu beißen. Maggi-Würze liegt in der Luft, vermischt sich mit den Zwiebeln und dem Geruch der köchelnden Makrelen. Esther bremst ihre Lehrlinge: "Den Fisch nicht umrühren, weil wir sonst nur Stückchen haben." Dann ab in die Pfanne: Der Fisch brutzelt. Esther dünstet Zwiebeln und Tomaten an. Dazu kommen das Egusi-Pulver, etwas Tomatenmark und gehackte Chilischoten. Zuletzt Blattspinat. Esther hält ihren Gehilfen den Kochlöffel hin, sie dürfen probieren. "Sehr lecker", sagt Anna. Das Egusi hat einen leicht nussigen Geschmack, der sich mit den Zwiebeln, Tomaten und der Würze von Maggi vermischt.

Anthony kehrt von seinem Botengang zurück und hat drei Packungen Spinat dabei. Rahmspinat. Esther ist etwas ratlos: "Das ist der Falsche." Also muss er noch einmal los. Manuela: "Ich geh mit." Die Zeit wird knapp, die Egusi-Soße ist fast fertig.

Die Hälfte der Hähnchenteile, einige gebratene Fischstücke und Sardinen aus zwei Dosen landen im Topf, einziehen lassen und abschmecken: Salz nach Geschmack und kräftig Maggi. Anna und Simone füllen die fertige Egusi-Soße in eine große Schüssel, Esther drapiert Fischstücke darauf.

Manuela steht in der Tür, ohne Anthony: "Es gab im Supermarkt überhaupt keinen normalen Spinat mehr. Anthony ist schnell mit dem Rad zu einem anderen gefahren."

Endlich ist er zurück, abgehetzt und mit Spinat; zwar nicht Blattspinat, sondern gehackter Spinat, aber der muss es jetzt eben tun. Während Esther sich um die Soße kümmert, soll Anthony den Grieß machen. Er versucht sich halbherzig dagegen zu wehren, schließlich sei Kochen doch Frauensache, sagt er mit einem leichten Grinsen. Ernst meint er das aber nicht. Anthony hat beobachtet, dass in Deutschland einiges anders läuft als in seiner Heimat: "In Afrika kümmern sich die Frauen um die Küche und die Kinder und die Männer gehen raus zum Arbeiten." Doch langsam ändere sich auch da etwas. "Mein Vater kocht, ich koche." Den Grieß zu kochen sei eben wahnsinnig anstrengend.

In der Zwischenzeit hat Simone die beiden Tische im Hof des KHG-Gebäudes gedeckt: Mit großen Tellern und kleinen Schüsseln. Aber kein Besteck.

Langsam trudeln die Gäste ein. Als Letztes bringt Anthony die Schüssel mit dem Grieß. Vor dem Schlemmen steht jedoch ein Gebet: "Wir danken dem Herrn. . ." Esther löffelt jedem von beiden Soßen in die Schüssel, Anthony lädt die Teller mit der festen Grießmasse voll: Er sticht vom großen Klumpen mit einem kleinen Teller ab.

Anna und Manuela beobachten gebannt, wie die Nigerianer essen: Zuerst die rechte Hand in den Wasserschalen waschen, vom Grieß einen ordentlichen Batzen in die Hand nehmen und daraus eine Kugel formen, den vorderen Teil zwischen Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger flach drücken, damit in die Schüssel und die Soße "auflöffeln". "Sehr gut", tönt es aus der Runde. "Ich esse normal wenig Fleisch, aber das ist schon lecker." Oder: "Das Egusi schmeckt ziemlich streng." Die Mühe hat sich gelohnt: Die große Grießschüssel ist leer.