Eichstätt
Gut im Austeilen, schlecht im Einstecken

Ex-Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo plädierte an der KU für mehr journalistische Selbstkritik

01.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Klare Position: Georg Mascolo sprach sich im Journalistischen Kolloquium an der Katholischen Universität dafür aus, dass Journalisten ihre Fehler eingestehen und richtigstellen sollten. - Foto: Poese

Eichstätt (EK) Eigentlich hätte Georg Mascolo am Mittwoch als Terrorismusexperte in einem ARD-Brennpunkt zu den Anschlägen in Istanbul auftreten sollen - seinen Vortrag im Journalistischen Kolloquium der Katholischen Universität (KU) wollte er aber nicht noch einmal verschieben.

Der ehemalige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" sprach also stattdessen im Vortragssaal des ehemaligen Kapuzinerklosters über ein Thema, das ihm offenbar ein Anliegen ist: Wie sollten Journalisten mit ihren Fehlern umgehen?

Der 51-Jährige arbeitete von 1988 bis 2013 für die Spiegel-Gruppe. Seit 2014 leitet er einen gemeinsamen Rechercheverbund von NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung, der an der Auswertung der "Panama Papers" beteiligt war. Über seinen Berufsstand sagte Mascolo in seinem Vortrag: Journalisten seien gut im Austeilen, aber ziemlich schlecht im Einstecken. Und: "Es wird uns nie gelingen, überhaupt keine Fehler mehr zu machen." Entscheidend sei also, wie Medien mit ihren Fehlern umgingen. Eigentlich gebe es dazu klare Regeln. Der Pressekodex des Deutschen Presserates schreibt vor, dass Sachverhalte, die sich nachträglich als falsch herausstellen, unverzüglich richtiggestellt werden müssen. Genau das passiere aber im Arbeitsalltag viel zu selten. Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen im März 2015 sei beispielsweise berichtet worden, dass ein Arzt bei dem Piloten eine bipolare Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hätte, dass Andreas Lubitz unter dem Namen "Skydevil" im Internet unterwegs gewesen sei oder dass man Zeitungsartikel und Bücher über Flugzeugabstürze in seiner Wohnung gefunden habe. All diese Dinge hätten sich im Zuge der Ermittlungen einer Sonderkommission der Polizei in Nordrhein-Westfalen und der Staatsanwaltschaft Düsseldorf als falsch herausgestellt, sagte Mascolo. Die Medien hätten das aber kaum transportiert. "Ich habe nicht viele Richtigstellungen gelesen."

Dabei sei Vertrauen die entscheidende Währung im Berufsstand der Journalisten. Für Mascolo gibt es nur einen Ausweg, um dieses Vertrauen zu erhalten: "Da, wo etwas schiefgelaufen ist, es einzugestehen und für alle nachvollziehbar richtigzustellen."

Ein gutes Werkzeug dafür seien Korrekturspalten in Zeitungen. Auch Online-Medien böten mit ihrer Kommentarfunktion eine Überwachungsmöglichkeit: "Heute kann sich jeder selbst zu Wort melden." Als "machtvoll" bezeichnete Mascolo außerdem große Blogs wie "Übermedien" oder den "Bildblog", die oft auf Fehler hinwiesen. Als positives Beispiel nannte er das US-amerikanische Vorgehen: Bei den großen Medien dort gehöre die gegenseitige Kritik zum täglichen Geschäft. Außerdem sei es üblich, dass Ombudsleute innerhalb der Medienhäuser auf die Wahrung der journalistischen Sorgfalt achten.

In der regen Diskussion mit den Zuhörern - überwiegend Journalistik-Studenten der KU - kam Mascolo auch auf den zunehmenden Druck durch die Digitalisierung zu sprechen. "Die unglaubliche Beschleunigung ist ein wesentlicher Grund, warum wir heute viele Fehler machen." Das Handwerk der journalistischen Recherche ließe sich nicht beliebig beschleunigen. "Wir haben die Geduld verloren, Dinge erst dann mit einer Bewertung und einer Einschätzung zu versehen, wenn wir sie richtig verstanden haben."