Eichstätt
Gräfliches Ambiente

Kostbares Mobiliar aus dem Nachlass des Domapothekers Scheidler

28.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Stolzer Besitzer eines reich geschnitzten gräflichen Zimmers: Joseph Bittl - Foto: je

Eichstätt (EK) Der Eichstätter Joseph Bittl (88) lebt in einem Wohnzimmer mit gräflichem Ambiente. Er hatte mit seiner 2009 verstorbenen Frau Ellinor bei der Versteigerung des Mobiliars des verstorbenen Domapothekers Fritz Scheidler Ende der 1960er Jahre den Zuschlag erhalten.

Seitdem befinden sich ein großer Schrank, eine Anrichte mit Grafenkrone, ein runder Tisch und zehn Stühle in seinem Besitz. Alle Teile sind aus edlem, dunklem Holz und mit feiner Schnitzarbeit verziert. Bittl (88) war viele Jahre Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Eichstätt. Er ist den wenigen Anhaltspunkten über die Herkunft der kostbaren Mobilien nachgegangen und hat in mehreren Büchern in der Universitätsbibliothek nachgeschlagen.

ANNO DAZUMAL

Einziger Hinweis sind die eingekerbten Buchstaben „L. C.“, die Bittl dem Grafen C. Lodron, einem militärischen Befehlshaber von König Friedrich III. (1770 bis 1840) zuordnen konnte. Dieser führte Reitersoldaten am Gardasee und ging siegreich aus einer Schlacht hervor. „Lodron wurde zum Dank durch den Kaiser in den Grafenstand erhoben“, hat Joseph Bittl herausgefunden. Er habe sich dann quasi selbst belohnt und die Zimmereinrichtung schreinern lassen.

Die Möbel sind mit Rittern, geflügelten Pferden (Pegasus, Musenross), Fratzen, Fischen und Trauben und anderem in einer reichen und qualitätsvollen Handwerkskunst geziert. Das Grafenzimmer war Teil der Wohnungseinrichtung des Apothekers Fritz Scheidler, der aus München nach Eichstätt gezogen ist. Wie er in den Besitz der vornehmen Einrichtung kam, ist nicht dokumentiert. Scheidler war ab 1932 Inhaber der Eichstätter Dom-apotheke. Er ist 1967 gestorben und hat das stattliche Haus am Pater-Philipp-Jeningen-Platz (siehe eigenen Beitrag) samt Inventar der Stadt Eichstätt vermacht. Die „Fritz Scheidlersche Stiftung für ärztliche Bedürfnisse von alten Leuten in der Stadt Eichstätt“, so die vollständige Bezeichnung, wird von der Stadtkämmerei verwaltet.

Die Stadtverwaltung räumte Möbel, Apothekeninventar, historische Ölgemälde, Porzellan, Bücher, Teppiche, Silberbesteck und Ähnliches in die benachbarte ehemalige Johanniskirche, die damals eine Gewerbehalle war, und veranstaltete eine Versteigerung. Es waren nicht viele Bieter gekommen. Daran erinnert sich Joseph Bittl noch gut. Er bemerkte, dass viele Einrichtungsgegenstände „unter Wert abgegeben wurden“. Im Klartext: Kostbarkeiten wurden verschleudert; Teile der Einrichtung wurden sogar auf den Schuttplatz geworfen. Stadtkonservator Albert J. Günther sagt dazu heute: „Das war ein Drama.“

Bittls Frau Ellinor und ihm habe das geschnitzte Grafenzimmer gleich gut gefallen, erinnert sich Bittl, und sie konnten es ersteigern. Sie hätten in ihrer Wohnung in der Sebastiangasse darin „gräflich vornehm gewohnt“. Joseph Bittl hat die Einrichtung bei seinem Umzug ins Caritas-Seniorenheim Sankt Elisabeth mitgenommen. „Ich freue mich jeden Tag über die schöne, gediegene Arbeit“, sagte Bittl.