Eichstätt
"Für Lehrer Adrenalin pur"

Die Eichstätter Grundschule Am Graben hatte im vorigen Schuljahr die größten Klassenstärken in der gesamten Region

26.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:43 Uhr

An der Grundschule Am Graben sind die Klassenstärken im regionalen Vergleich besonders groß. »Die Lehrer schnaufen«, sagt Schulleiter Florian Rieß - Foto: chl

Eichstätt (EK) Die Eichstätter Grundschule Am Graben nimmt einen Spitzenplatz in der Region 10 ein, den Schulleiter Florian Rieß gar nicht erfreulich findet: Von allen 86 Grundschulen in der Region war sie im vorigen Schuljahr diejenige mit den größten Klassenstärken.

Fünf der acht Klassen an der Grundschule Am Graben zählten im Schuljahr 2013/2014 mindestens 26 Schüler. Das ist das Ergebnis einer Landtagsanfrage der Eichstätter Abgeordneten Eva Gottstein (FW).

Damit ist die Grundschule Am Graben einsame Spitze: Je vier Klassen mit einer solch hohen Schülerzahl haben regionsweit nur noch die Grundschule Ingolstadt-Friedrichs-hofen und die Grundschule Am Schwalbanger in Neuburg – doch die haben jeweils insgesamt zwölf Klassen und damit eine deutlich verträglichere Relation.

Eva Gottstein stellt auf Nachfrage unserer Zeitung klar, dass sie mit dieser Anfrage keineswegs eine Verschmelzung der beiden städtischen Grundschulen in Eichstätt – Am Graben und St. Walburg – herbeireden wolle. Der Hauptausschuss des Stadtrats hatte sich bekanntlich im November 2013 einstimmig gegen eine Zusammenlegung ausgesprochen. Die war damals zur Diskussion gestanden, weil in der frisch sanierten Volksschule Am Graben acht Klassenräume ungenutzt waren. Die Stadt, die als Sachaufwandsträger laut Stadtkämmerer Herbert Rehm im Durchschnitt rund 200 000 Euro je Schule ausgibt, hätte damit Ausgaben reduzieren können.

Wie der Geschäftsführende Beamte Hans Bittl bekräftigt, ist und bleibt das Thema der Verschmelzung vom Tisch. Denn inzwischen hat sich auch die Situation geändert: Am Graben läuft seit diesem Schuljahr die erste sprengelfreie gebundene Ganztagsklasse (1 g). Auch deshalb hat die Schule Am Graben jetzt selbst vermehrten Raumbedarf.

Gleichzeitig schärft derzeit die Grundschule St. Walburg, wie Schulleiterin Bettina Sterner bekundet, ihr eigenes Profil, und auch hier nimmt die Schülerzahl eher zu als ab: Im Oktober 2014 waren es 164 Schüler, zehn mehr als im Vorjahr. Deswegen erklärt Eva Gottstein auch als Stadträtin: „Die beiden eigenständigen Schulen haben sich bewährt.“

Dennoch sieht die Abgeordnete das Ergebnis ihrer Anfrage als deutliches Signal für einen Handlungsbedarf. Gottstein tritt allgemein für mehr Lehrkräfte und in diesem Fall für mehr Flexibilität innerhalb der Schulsprengel ein, wobei sie den Sinn der Sprengelpflicht für öffentliche Grundschulen nicht grundsätzlich in Frage stellt.

Die Klassenstärken an den beiden Eichstätter Grundschulen sind tatsächlich bemerkenswert ungleich verteilt. Das zeigen die Zahlen vom Stichtag 1. Oktober 2014 aus der Stadtkämmerei (siehe Grafik). Besonders markant: Während in der 2 b in St. Walburg nur 15 Schüler sitzen, sind es in der 2 b am Graben 27.

Auf diese Verhältnisse angesprochen, gesteht der Schulleiter Am Graben, Florian Rieß: „Wir sind schon manchmal eifersüchtig auf St. Walburg, wenn wir die Klassenstärken sehen.“ In den vergangenen Jahren war der Schülerzuwachs Am Graben auch deswegen größer als in St. Walburg, weil die jüngsten neuen Wohngebiete (Seidlkreuz und Landershofen) im Sprengel des Grabens liegen. Mit einem Blick auf die Fünf-Jahres-Prognose rechnet Rieß aber erst ab dem Schuljahr 2017/2018 damit, dreizügig und dadurch wieder mit kleineren Klassen „fahren“ zu können.

Und bis dahin? „Die Lehrer schnaufen schon sehr, wenn sie aus den großen Klassen kommen“, sagt Rieß. Denn auch die Zahl von Kindern, die kein Deutsch sprechen und von „extrem verhaltensauffälligen Kindern“ steige: „Wenn da ein besonders Verhaltensauffälliger in einer Klasse mit 27 Kindern ist, ist das für Lehrer Adrenalin pur.“

Deshalb hätte der Schulleiter gerne einen Jugendsozialarbeiter in Eichstätt – und auch mehr Lehrerstunden als derzeit. Doch die sind landkreisweit budgetiert, was zur Folge hat, dass Am Graben so manche eigentlich der Schule zustehende Lehrerstunde an eine der kleinen Schulen in den Gemeinden abgetreten werden muss, um dort den Grundunterricht aufrechterhalten zu können.

Wenn beide städtischen Grundschulen eine Verwaltungseinheit wären, wäre vieles schon einfacher zu regeln, räumt Florian Rieß ein: Dann ließen sich auch so große Unterschiede wie die derzeit in den zweiten Klassen ausgleichen – natürlich immer unter Rücksichtnahme der Elternwünsche, wie Rieß meint.

Tatsächlich gibt es auch ohne die Verschmelzung der Schulen rechtliche Möglichkeiten dazu. Im Artikel 42 des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes heißt es in Absatz 2: „Bestehen innerhalb einer Gemeinde mehrere Grundschulen, so kann das Schulamt im Benehmen mit der zuständigen Gemeinde und den betroffenen Elternbeiräten zur Bildung möglichst gleich starker Klassen für die Dauer von bis zu vier Schuljahren Abweichungen von den Schulsprengelgrenzen anordnen.“

In vier Jahren dürften dann auch die ersten Familien im neuen Baugebiet in der Weinleite-West eingezogen sein – und die Kinder von dort gehören zum Schulsprengel St. Walburg.