Eichstätt
Früher raus aus dem Fegefeuer

Zum Abschluss-Wintervortrag über Dantes "Göttliche Komödie"

20.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Eichstätt (buk) Schon im vorletzten Wintervortrag war es um den Dichter Dante und die Malerei zu Motiven des "Jenseits" zu seiner Zeit gegangen. Zum Abschluss der jüngsten Vortragsreihe über das Thema "Grenzen" war der Romanist Michael Schwarze aus Konstanz zu hören, der unter dem Motto "Im Grenzgebiet" über Dantes "Göttliche Komödie" referierte.

Einigen der rund 40 Besucher war Schwarze noch bekannt, da er vor rund 15 Jahren in Eichstätt promoviert und damals selbst zum Team der Vortragsreihe gehört hatte.

Die "Göttliche Komödie", an welcher Dante Alighieri (1265 bis 1321) anderthalb Jahrzehnte arbeitete, und die er erst kurz vor seinem Tod vollendete, die bedeutendste Dichtung der italienischen Literatur, sah der Referent als "christliches Epos, welches das Kommen des Erlösers umkehrt" - denn sie schildere "den Weg eines Lebenden durch die Transzendenz, um das Heil wieder gegenwärtig zu machen". In seinem Vortrag ging es Schwarze darum, dem Konzept der Grenze in dem Text nachzuspüren. Man habe es hier nämlich zu tun mit einer Jenseits-Konstruktion, die Diesseits und Jenseits zu einem hybriden Raum verbinde und so ein "Zwischengebiet mit einem Sonderstatus" bilde. Dies gelte auch hinsichtlich ethischer und ästhetischer Abgrenzungen.

In der kosmologischen Ordnung der drei Reiche von Himmel, Hölle und Purgatorium, die eine Analogie zur Struktur der Trinität bilde, zeige sich Zahlensymbolik, meinte Schwarze; die Zahl Drei sei dabei dominant, selbst im Strophenbau in Terzinenform. Schwarze zeigte dazu Abbildungen vom dreiköpfigen Luzifer, der die Seelen der drei Verräter Judas, Brutus und Cassius durch Auffressen und Ausscheiden quält.

Es gebe in der "Divina Commedia" auch natürliche Grenzen wie Angst einflößende Sümpfe, steile Berge und finstere Wälder, doch herrsche "das Prinzip des Transitorischen", stets spiele die Durchlässigkeit eine Rolle, wenn die Figur des Protagonisten Dante "vom suchenden Zweifel getrieben" über alle Grenzen hinweg wandere. Dazu ging der Referent auch auf eine jüngere Rezeption des Werkes durch Sybille Lewitscharoff ein, die in ihrem neuen Roman "Das Pfingstwunder" über einen Kongress von Dante-Forschern davon spreche, dass diese Reise mithilfe eines "magischen Passwortes" glücke, die Durchlässigkeit sei gottgewollt.

Dante verbinde Welt- und Erfahrungswissen mit Vorstellungen von der Transzendenz, was den Referenten zu Ausführungen über die Bedeutung des Phänomens "Zeit" in diesem Werk führte. Diese sei außer im Wechsel von Tag und Nacht im Roman "gleichsam ausgesetzt". Dennoch spiele die Zeit des irdischen Lebens auch nach dem Tod eine Rolle - wenn etwa die reisende Dante-Figur sich dafür einsetzen will, dass die Seelen aus dem Fegefeuer auf Fürbitten ihrer Freunde schneller in das Paradies aufgenommen werden sollten: Jenseits- und Diesseits-Zeit würden so zu einer eigengesetzlichen Zeit miteinander verschmolzen - im noch geschichtsgebundenen, aber schon eschatologischen Horizont.

Auch das Inferno, die Hölle, sei eigentlich ein zeitloser Ort der ewigen Schmerzen. Doch Dantes Abstieg dorthin an einem Karfreitag des Heiligen Jahres 1300 bringe Zeit ins Spiel, im Dialog mit Dante treten die verlorenen Seelen wieder in die Zeit ein: "Das Prinzip der Zeitlosigkeit wird temporär suspendiert und durch die Präsenz des Wanderers aufgehoben", formulierte Schwarze. Ähnlich werde die Sphäre des Paradieses, die nicht in Sprache zu fassende zeitlose mystische Schau Gottes, von der historischen Zeit infiltriert, indem sie der Wanderer betritt. Der Dichter thematisiere hier seine Unfähigkeit, das Gesehene in Worte zu fassen - und greife zu den Metaphern des Lächelns und des Lichts.