Eichstätt
Freiheit, Freundschaft und Frieden

Für die meisten ist es unbekanntes Terrain, für vier Eichstätter ist das Klettern so viel mehr als nur ein Sport

29.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Foto: oh

Eichstätt (EK) Wenn im Winter die neue Kletterhalle bei Schernfeld fertig ist, dann freuen sich Lukas und Benedikt Punz, Markus Wittmann und Johannes Baumann besonders.

Die vier Eichstätter bezeichnen sich selbst als den harten Kern und erklären, wie die Kletterei ihr Leben verändert hat. Tief durchatmen, den Blick fest auf den ersten Haken gerichtet und die Hände noch einmal mit Magnesia benetzen für den richtigen Grip. Die Muskeln sind angespannt, der ganze Körper steht unter Strom. Dann geht es los, es gibt kein zurück mehr, Griff für Griff immer nach oben. Adrenalin schießt in die Adern und plötzlich, nach den ersten Metern, liegt eine Ruhe über dem athletischen Körper, der sich geschmeidig immer weiter nach oben kämpft. Anspannung und innerer Stress, sie sind weg – einfach so und mit einem Mal – und weichen dem Gefühl von Freiheit und Frieden.

Das ist es, was in Lukas und Benedikt Punz, Markus Wittmann und Johannes Baumann vorgeht, wenn sie sich einer neuen und wieder schwereren Kletterroute widmen. „Das versteht man auch nur, wenn man das selbst einmal erlebt hat“, erklärt Johannes Baumann. „Andere sehen in einem nur einen sehr muskulösen und attraktiven Typen, der einen Felsen erklimmt.“ Die Freunde brechen in herzhaftes Gelächter aus. „Naja, Hannes, das wünscht du dir wohl. . .“, meinen sie beinahe im Chor. Dass sich die Vier gegenseitig immer wieder aufs Korn nehmen und übereinander lachen können – auch das sei eine Folge ihrer Kletterleidenschaft, über die sie sich vor etwa fünf Jahren kennengelernt haben. „Wir ticken ähnlich, sind auf einer Wellenlänge und motivieren und unterstützen uns gegenseitig. Das ist enorm wichtig“, erklärt Markus Wittmann, der älteste der Gruppe.

Er ist es auch, der schon am längsten klettert. „Zehn Jahre sind es bald“, sagt der 30-Jährige. Ein Freund habe ihn damals mitgenommen, seither habe ihn das Kletterfieber gepackt und nicht mehr losgelassen. Ähnlich war es auch bei Johannes Baumann. „Der Freund, der mich 2008 mitgenommen hat, hat schon längst wieder aufgehört, ich hab immer weiter gemacht“, sagt der 28-Jährige. Damit sind die Zwillinge Benedikt und Lukas Punz mit ihren 22 Jahren die Küken der Truppe – jedoch aber nicht minder mit Leidenschaft dabei. „Unser Vater hat uns schon zum Klettern mitgenommen, als wir etwa acht Jahre alt waren“, erzählt Lukas Punz. Dann habe die Kletterei jedoch dem Fußball weichen müssen. Dass beide heute doch lieber wieder Felsen erklimmen statt Bälle zu kicken, ist rund fünf Jahre her. „So etwa mit 17 Jahren habe ich gemerkt, dass mir das Fußballspielen nichts mehr gibt. Es geht immer nur ums Gewinnen und Verlieren und mehr nicht“, erklärt Benedikt Punz. Unabhängig von ihm habe auch Lukas diese Erfahrung gemacht. „Ich habe noch etwas länger gespielt als mein Bruder, langsam aber gemerkt, dass im Fußball nichts Spirituelles steckt, es tut nichts für den Geist.“

Was er beim Fußball vermisste, fanden auch er schließlich beim Klettern. „Es gibt nichts mehr um dich herum, du bist eins mit dir. Das ist eine unglaubliche Erfahrung gewesen und eine echte Bereicherung“, sagt er – und kann damit auch für seine Freunde mitsprechen. „Ich habe, bevor ich mit dem Klettern angefangen habe, keinen Sport gemacht“, gibt Markus Wittmann zu. „Das Klettern hat mein Leben komplett verändert.“ Schließlich ist das nicht einfach ein Sport, „es ist ein Lebensstil“, ist auch Johannes Baumann überzeugt. „Das fängt bei der Ernährung an und zieht sich bis zur Gestaltung des Urlaubs und des ganzen Lebens.“

Denn drei- bis viermal die Woche müsse man schon unterwegs sein und trainieren, das sei zeitintensiv. Und Urlaube – Wittmann ist technischer Angestellter, Baumann arbeitet in der Verwaltung der KU, die Punz-Brüder studieren – würden ohne Frage fast ausschließlich zum Klettern verplant, dann aber gerne auf der ganzen Welt. „Ich muss sagen, dafür, dass meine Freundin nicht klettert, war sie schon in recht vielen Klettergebieten“, gibt Witmann lachend zu. Aber Grund, traurig zu sein, findet er, sei das nicht, schließlich hätten ihn seine Touren zu herrlichen Orten wie Thailand, in die USA und auf Sardinien und Korsika geführt. Auch Lukas und Benedikt Punz können schon auf Touren in Teneriffa, Slowenien und Tschechien zurückblicken. Baumanns bisheriger Höhepunkt: Er bezwang eine der Big Walls im Yosemite Nationalpark – inklusive Übernachtung an der Felswand in 500 Metern Höhe. „Beim Reisen halten wir es eher wie in einer offenen Beziehung“, sagt Wittmann grinsend. „Wenn einer die Chance hat, an einem guten Ort zu klettern, dann soll er das.“

Aber natürlich sind die Freunde am liebsten zu viert unterwegs, zum Beispiel im spanischen Chulilla. Und wenn gerade einmal kein Auslandsabenteuer möglich ist, dann sieht man sie gemeinsam im Klettergebiet Konstein. „Dass wir das vor der Haustür haben, ist natürlich erste Sahne“, sagt Baumann. „Und dann bald noch die neue Halle“, fügt Wittmann an, „da können wir uns wirklich glücklich schätzen.“ Schließlich wollen die Vier auch im Winter nicht ohne das Klettern leben. Für die Zukunft wünschen sich alle, noch besser zu werden – natürlich mit der jeweiligen Hilfe der anderen. „Ich würde mich aber auch freuen, wenn – vielleicht gerade durch die neue Halle – auch andere das Klettern und alles, was daran so toll ist, für sich entdecken“, sagt Lukas Punz.