Eichstätt
Empowerment durch eine Power-Frau

Ein begeisternder Vortrag der somalischen Frauenrechtlerin Fatuma Musa Afrah

11.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Geflohene Frauen nach ihrer Ankunft in Deutschland mit Zeit und Vertrauen zu begegnen - darin sieht die somalische Frauenrechtlerin Fatuma Musa Afrah die entscheidende Aufgabe für alle Flüchtlingshelfer und die Gesellschaft. - Foto: Kusche

Eichstätt (ddk) In einem Vortrag voller Emotionalität und Begeisterung öffnete die somalische Frauenrechtsaktivistin Fatuma Musa Afrah (Fadhumo) ihren Zuhörern die Augen für die Situation vieler geflüchteter Frauen nach ihrer Ankunft in Deutschland. Über 50 Gäste lauschten gebannt dem Vortrag der Frauenrechtlerin, die sich seit vielen Jahren auf nationaler und internationaler Ebene für die Integration und Vernetzung geflüchteter Frauen einsetzt.

Zu deren Vortrag "How to empower Refugee women and other vulnerable women" hatte das Zentrum für Flucht und Migration gemeinsam mit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt im Rahmen der Ausstellung "Stolen Girls" in die Johanniskirche eingeladen hatten.

Es könnte eigentlich so einfach sein, geflohenen und oftmals vielfach traumatisierten Frauen bei ihrer Ankunft und Integration in Deutschland zu helfen: ein wenig Zeit, ein offenes Ohr, Interesse, Vertrauen und die Möglichkeit, sich untereinander und gemeinsam mit deutschen Frauen auszutauschen. Anstatt sie jedoch nach ihrer Fluchterfahrung auf diese Weise zu stärken, erlebten diese Frauen, die oft allein nach Deutschland kämen und auf der Suche nach Schutz seien, Einsamkeit, fehlende Kontakte, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit und sexualisierte Gewalt sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Flüchtlingslagern, so stellte Fadhumo ihrem Publikum die schwierige Lage geflohener Frauen dar. "Alles, was diese Frauen nach ihrer Ankunft benötigen, ist das Gefühl, willkommen zu sein, Vertrauen und Fürsorge zu erfahren, teilzuhaben und mitentscheiden zu dürfen, was für sie gut und wichtig ist."

Der erste wichtige Schritt dazu, so meint Fadhumo, sei eine veränderte Perspektive, indem der Begriff "Flüchtling" durch das Wort "Neuankömmling" ausgetauscht werde: "Er oder sie ist kein Niemand, sondern ein Individuum mit Bedürfnissen und Rechten."

Die Realität für geflohene Frauen sieht in den Augen der Referentin für Empowerment und Beraterin für Migration, Menschenrechte, Integration, Gender, Kinderschutz und Bildung, die selbst in Berlin und Brandenburg in Flüchtlingsunterkünften tätig war, völlig anders und verbesserungswürdig aus. Die Unterstützung neu angekommener Frauen beschränke sich ihrer Erfahrung nach auf materielle Hilfe, die Unterbringung fernab jeder Begegnungs- und Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Frauen oder aber auf "Projekte", von denen deutsche Institutionen, Gruppierungen oder Hilfsorganisationen glaubten, dass sie den geflohenen Frauen helfen würden: "Dabei sind es doch erst einmal nur ganz einfache Bedürfnisse, mit denen sie sich schon viel willkommener und auch verstanden fühlen würden", betonte Fadhumo eindringlich. Frauen sollten nichts aufgezwungen bekommen: "Fragt diese Frauen doch einfach nach ihren Bedürfnissen - das ist die wichtigste Aufgabe für alle, die in der Integration geflohener Frauen tätig sind," fordert die Frauenaktivistin. Nur dann könne es gelingen, einen Dialog zu ermöglichen und sich gemeinsam und solidarisch für die Teilhabe aller Frauen einzusetzen, ob mit und ohne Fluchtgeschichte.

Die Somalierin weiß selbst aus eigener Erfahrung, wovon sie spricht. Fadhumo wuchs in dem ostafrikanischen Land auf, das von großer Armut, starker ökonomischer Ausgrenzung, demütigenden kulturellen Ritualen und nur sehr geringem Zugang von Mädchen und Frauen zu Bildung und Öffentlichkeit gekennzeichnet ist. Als Kind migrierte sie mit ihrer Familie nach Kenia und kam 2015 nach Deutschland. Als studierte Expertin für Entwicklung und Gender Studies arbeitet sie nun freiberuflich als Sprecherin und Beraterin unter anderem für Politik und Internationale Organisationen. Empowerment - die Stärkung der Frau - ist dann auch der zentrale Begriff, um den es Fadhumo in ihrem Engagement für die persönlichen Rechte und Freiheiten von Frauen weltweit geht: "Geflohene Frauen haben auf der Flucht eine ganz besondere Stärke zeigen müssen, da sie sich häufiger gegen Diskriminierung wehren müssen. Daher sollte der Blick auf die Stärken und die Kraft von Frauen gelegt werden", forderte Fadhumo in ihrer authentischen und zugleich emotionalen Art, mit dem sie das Publikum in ihren Bann zog. Um diese Kräfte zu mobilisieren, benötigten die neuangekommenen Frauen - oftmals aus Kulturen, in denen sie nie die Chance hatten, für sich selbst einzustehen oder gar etwas einzufordern - die Unterstützung ihrer Integrationshelfer und der Gesellschaft: "Helft ihnen sich selbst zu helfen! Frauen sollten in der Lage sein, selbst zu handeln."

Konkrete Vorschläge lieferte Fadhumo im Hinblick auf die Schaffung eines "Safe Space" - eines sicheren Rückzugsraums, wie es in Eichstätt zur Freude Fadhumos bereits die Tun.Starthilfe für Flüchtlinge jeden Montagvormittag beim "Frauenzimmer"-Treff in ihren Räumlichkeiten bieten. In Ruhe und vertraulicher Atmosphäre ihre Probleme besprechen, Erfahrungen teilen, Ideen und Visionen austauschen, einen Raum für Selbstmotivation und Ermutigung zu finden und daraus später vielleicht ein Sprachcafé und verschiedene Workshops zu machen - darin sieht Fadhumo die eigentliche Aufgabe der Flüchtlingshelfer für neu angekommene Frauen: "So kann "Empowerment" gelingen", meinte Fadhumo. Und lachend fügte sie abschließend hinzu: "Und vergesst nicht: die Frauen wollen nicht nur Deutsch lernen und gemeinsam kochen, sie wollen auch Spaß haben - das ist auch ein Grundbedürfnis!"