Eichstätt
Eine bemerkenswerte Persönlichkeit

Der Bildhauer Loy Hering, seine Zeit in Eichstätt vor 500 Jahren und die Zweifel an seiner Urheberschaft der Willibaldfigur

02.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:53 Uhr

 

Eichstätt (EK) Ist die Figur des Heiligen Willibald im Eichstätter Dom tatsächlich ein Werk von Loy Hering? Und wann kam Loy Hering nun nach Eichstätt? Fragen, mit denen sich der Eichstätter Buchhändler Christof Cebulla seit mehr als zwei Jahren beschäftigt und deren Antworten er jetzt vorgelegt hat.

Wenn auch nur zum Teil mit Ausrufezeichen. Feststehen dürfte laut Cebulla, dass Loy Hering tatsächlich bereits 1512 in Eichstätt war. Der 64-Jährige hat bereits zwei Vorträge zu „500 Jahre Loy Hering in Eichstätt“ gehalten. Die biografischen Daten Herings hat er vor allem Peter Reindls 1977 erschienenem Buch „Loy Hering – Zur Rezeption der Renaissance in Süddeutschland“ entnommen. Entscheidender aber ist seine eigene zweijährige Recherche zu dem Bildhauer und seinen Werken in Eichstätt. Und für ihn steht fest: Loy Hering war bereits ab 1512 in Eichstätt. Dies macht er an mehreren Faktoren fest.

Zum einen aus den Eintragungen in einem Zunftbuch der Stadt Augsburg, wo der aus Kaufbeuren stammende Hering am 15. April 1499 von dem Bildhauer Hans Beierlein der Augsburger Zunft der Schmiede als Lehrjunge vorgestellt worden war. Hering, Sohn des Goldschmieds Michael Hering, war damals wohl 14 Jahre alt, weshalb sein Geburtsjahr 1485 gewesen sein dürfte. Die zweite urkundliche Erwähnung Loy Herings ist dann ein Eintrag für den 16. Oktober 1511, der zeigt, dass er steuerpflichtig war – „Leo Haring d(edit) 2 lb“ –, dass er also zwei Pfund Steuer entrichtet hatte. Aus diesem vierfachen Satz eines normalen Steuerbürgers ist ebenso ersichtlich, dass Hering Nichtbürger der Stadt war, ein Status, der maximal zwei Jahre geduldet wurde. Wenn er weiterhin als selbstständiger Meister arbeiten wollte, musste er entweder 1512 das Augsburger Bürger- und das Meisterrecht erwerben oder die Stadt verlassen. Auch 1512 ist Loy Hering im Steuerbuch Augsburg noch aufgeführt, allerdings ohne Steuereintrag. Das bedeutet, so folgert Cebulla, „dass er zwischen Oktober 1511 und kurz vor Oktober 1512 Augsburg verlassen haben muss“.

Wie er die Folgejahre bis zu seiner nächsten urkundlichen Erwähnung 1515 in Eichstätt verbracht hat, ist nicht bekannt. Aber bereits 1515 findet sich in einem Rechnungsbuch des Eichstätter Willibaldchorstiftes der Eintrag: „13 flor(enos) (Gulden) hab ich geben dem Loy, von den zway stainen pylden zu machen auf St. Wilboldß altar“. Auf dieser Eintragung basiert auch die Annahme, dass Loy Hering der Meister des Willibald im Eichstätter Dom sei.

Cebulla jedenfalls sieht Hering bereits ab 1512 in Eichstätt schaffend, weil der gebildete und kunstinteressierte Eichstätter Fürstbischof Gabriel von Eyb 1510 auf dem Augsburger Reichstag und im Oktober 1512 erneut in Augsburg war und dort sicherlich mit Hering in Kontakt gekommen war. Als Fürstbischof konnte er einem von ihm geförderten Handwerker den Kauf des Bürgerrechts erlassen, wie von Eyb die heimischen Künstler überhaupt förderte: Durch eine Verordnung vom 5. April 1514 erteilte er den Künstlern auf seinem Gebiet quasi eine Art Gebietsschutz, als er unter Androhung hoher Geldstrafen verbot, Aufträge nach außerhalb zu vergeben.

Wann genau Loy Hering das Bürgerrecht in Eichstätt erwarb, ist unbekannt. 1519 allerdings wird er als „Loy piltschnitzer“ und „Loy steinmetz“ an 23. Stelle des 24 Mitglieder umfassenden äußeren Rates der Stadt und mit seinen damals 34 Jahren als zweitjüngstes Ratsmitglied aufgeführt – eine Tatsache, die laut Cebulla dafür spricht, dass Hering bereits mehrere Jahre in Eichstätt war, da die Mitgliedschaft im Rat einen längeren Aufenthalt als Bürger der Stadt voraussetzt. 1521 wurde Loy Hering bereits in den inneren Rat gewählt, 1522 erhielt er das Amt des Steuereinnehmers, 1523 wurde er einer der vier Bürgermeister der Stadt. Eine steile Karriere, wie Cebulla findet: Loy Hering war, wie mehrere Urkunden zeigen, nicht nur in der Stadt, sondern auch beim Domkapitel und beim Bischof angesehen, und das in einer Zeit, als Bischof und Kapitel durchaus in Opposition zueinander standen. Zudem war damals die Zeit der Glaubensspaltung und der Bauernkriege, die auch in Eichstätt für große Unruhen sorgte. „Loy Hering muss also“, so folgert Cebulla, „von seiner künstlerischen Leistung abgesehen, eine bemerkenswerte Persönlichkeit von großem diplomatischem Geschick gewesen sein, dass er sich in diesen Spannungsfeldern so gut bewegen konnte.“

1530 nahm Loy Hering ein Darlehen auf sein Haus in der Pfahlstraße auf, am 1. Juni 1554 stellte der Notar des Domkapitels in Anwesenheit von sieben Eichstätter Zeugen sein Testament aus. Es ist dies die letzte urkundliche Erwähnung Loy Herings, der damals „gleichwol alts und etwaß schwachs leybs (...) doch guether vernunft und synlichkait antzeigendt“ war. Nicht viel später dürfte er verstorben sein. Seine Werkstatt übernehmen Wilhelm Sarder und sein Vater Philipp Sarder, die 1566 beziehungsweise 1569 Augsburg verlassen.

Loy Hering war zwei Mal verheiratet: Mit Anna (gestorben wohl 1520), mit der er zwei Söhne hatte, und mit Magdalena (gestorben wohl, 1547/48, mit der er zwei Söhne und zwei Töchter hatte.

Umstritten – und auch Cebulla hegt große Zweifel – ist die Urheberschaft Loy Herings am Willibalddenkmal im Eichstätter Dom. Seit mehr als einem Jahrhundert wird die großartige Figur dem Meister zugeschrieben. Doch war er wirklich der Schöpfer dieses Meisterwerks? Die filigrane Bearbeitung des Steins, da ist sich Cebulla sicher, habe der doch noch sehr junge Bildhauer noch nicht in der Meisterhaftigkeit beherrschen können, wie dies der Künstler der Willibaldfigur tat. Zudem: Ein so großes Werk einem noch jungen und unerfahrenen Bildhauer zu übertragen, sei zu der Zeit sicherlich nicht Usus gewesen.

Cebulla glaubt denn auch, dass zwar Loy Hering an der Eichstätter Willibaldfigur mitgearbeitet hat, dass den Auftrag jedoch der in Augsburg tätige Gregor Erhard erhalten hatte und Hering in seinem Auftrag quasi vor Ort in Eichstätt gearbeitet hat. Denn die Figur dürfte, so Cebulla, wegen des schwierigen Transports in Eichstätt gearbeitet worden sein und nicht in der Augsburger Werkstatt von Erhard. Dass aber ein Künstler wie Erhard für einen Auftrag seine Werkstatt für mehrere Monate verlässt und diese quasi zusperrt, sei auch nicht infrage gekommen.

Somit schließt sich Cebulla der Aussage von Benno Gantner an, der in Loy Hering einen Mitarbeiter Gregor Erharts und gleichsam Eichstätter Statthalter des Augsburger Künstlers sieht. Der hat übrigens auch die Kreuzigungsgruppe im Willibaldschor des Eichstätter Doms gefertigt.

Dass die Willibaldfigur zwar nicht in Gänze von Loy Hering stammen kann, dass er aber sehr wohl mitgearbeitet hat, zeigen laut Cebulla auch viele Details in mehreren Hering zugeschriebenen und von ihm gearbeiteten Werken.

Letztlich aber sei die Frage, ob das Werk von Loy Hering, Gregor Erhart oder wem auch immer stamme, für den Dombesucher nicht ausschlaggebend. „Das ist wie bei einem Gloria, bei dessen Ertönen der eine sagt, das sei von Mozart, der andere, es stamme von Haydn. Dabei geht die Wirkung des Werkes verloren“, sagt Cebulla. Dass die Figur des Heiligen Willibald im Eichstätter Dom eine grandiose Schöpfung eines begnadeten Künstlers sei, „das dürfte jedem Betrachter klar sein“.