Eichstätt
Ein sensibler Kunst-Raum

Sabine Wimmer liest in ihrer Ausstellung "Abstand" aus Marcel Proust

24.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

„Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“: Sabine Wimmer liest während ihrer Ausstellung aus dem Romanzyklus des französischen Schriftstellers Marcel Proust - Foto: tjs

Eichstätt (EK) „Abstand“. So heißt Sabine Wimmers Ausstellung in ihrem Atelier, mit der die Künstlerin in der kommenden Woche ihre Arbeit vorstellt. Im Zusammenspiel von Literatur, Musik und bildender Kunst können die Besucher stündlich etwas Neues entdecken.

Wer das Atelier in der Westenstraße 4 betritt, sieht nicht – wie vielleicht erwartet – viele bunte Bilder. Der Blick fällt zuerst auf eine 14 Meter lange weiße Fläche auf der rechten Seite. „along the white paper“ hat Sabine Wimmer ihr Werk genannt. „Jeder sieht in dieser Wand etwas anderes“, sagt sie. „Hätte ich etwas darauf gezeichnet, wäre das Bild festgelegt.“ Ab kommendem Montag, 27. Oktober, bis Sonntag, 2. November, öffnet die Künstlerin ihr Atelier für Besucher.

Im Oktober 2013 hat Wimmer ihr Diplom an der Münchner Kunstakademie abgeschlossen. Danach hat sie lange nach einem geeigneten Raum für ein Atelier gesucht. In Eichstätt, ihrem Wohnort. Die Suche war gar nicht so einfach, denn Wimmer hat hohe Ansprüche. „Ich will nicht einfach fünf Bilder aufhängen“, erzählt sie. „Ich möchte meine Kunst auf diesen Raum abstimmen können.“ Ein Jahr lang hat sie sich nun in ihre Arbeit vertieft, die sie mit der Ausstellung „Abstand“ vorstellen will.

Das Konzept der Ausstellung ist als Zusammenspiel von Literatur, Musik und bildender Kunst ausgelegt. Auf der einen Seite basiert es auf Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Wimmer hat das Hauptwerk des französischen Schriftstellers ausgewählt, um die Vergangenheit mit dem Jetzt zu verbinden: „Indem ich ihn jetzt erwähne, wird Proust nicht vergessen.“ Außerdem stelle der Autor viele Bezüge zur Kunst her, die sie in der Ausstellung verarbeitet habe. Deshalb werde sie Textpassagen aus Prousts Romanzyklus lesen, die sie besonders berührt haben.

Auf der anderen Seite nimmt Musik eine große Rolle in der Ausstellung ein. Zu jeder vollen Stunde der Öffnungszeiten (10 bis 12.30 Uhr und 17 bis 19.30 Uhr) spielt Martina Semmlinger-Menschick, Tochter des ehemaligen Domkapellmeisters, die „Sonate für Violoncello solo“. Das etwa neun Minuten lange Stück des ungarischen Komponisten György Ligeti ist als Teil von „along the white paper“ gedacht.

Dieses ist nicht das einzige Kunstwerk in Wimmers Atelier. Blickt der Besucher zum Beispiel auf die gegenüberliegende Wand zwischen den Säulen hindurch, entdeckt er neun einen Meter lange schmale Leisten. Darauf gezeichnet sind detailgenaue Ausschnitte von Gemälden verschiedenster Künstler, die Proust in seinem Romanzyklus erwähnte. Wer also nah genug an die Leisten tritt, erkennt Werke von Monet über Picasso bis hin zu Rembrandt.

Vor allem an dieser Stelle wird deutlich, warum Wimmer ihre Ausstellung „Abstand“ genannt hat. Nah hin- oder einen Schritt zurückgehen sei wesentlich für das Verständnis ihrer Arbeit. „Durch Abstand kriegt man ein ganz anderes Bewusstsein für Dinge“, erklärt sie. „Man soll über die Dinge nachdenken und nicht nur hier reinkommen und sagen: ,Das ist aber schön.’“ Ausliegen wird aus diesem Anlass ein Katalog, der Wimmers Gedanken zusammenfasst.

Eine Vernissage werde es nicht geben. „Vor allem deshalb, weil das Ausstellungskonzept als Fortlauf eines Zeit-Raums gedacht ist“, erklärt Wimmer. Zu jeder Stunde, in der sie lesen beziehungsweise Semmlinger-Menschick spielen werden, könne dementsprechend eine neue Eröffnung erlebt werden. Eines will Wimmer noch betonen: „Dieser Kunst-Raum ist sensibel.“ Deshalb wünsche sie sich absolute Ruhe während der Darbietungen.