Eichstätt
Ein schwarzes Kapitel in der Stadtgeschichte

Kundgebung und Forderung nach einem Mahnmal mit den Namen von 153 Opfern der "Hexenverfolgungen"

22.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:07 Uhr

Wolfram Kastner (oben, rechts) und seine Mitstreiter verlasen gestern die Namen von 153 Opfern der „Hexenverfolgung“. In ihrer Kundgebung forderten sie auch ein markantes Denkmal in der Stadt, Kastner bot dafür auch einen Entwurf für den Pater-Philipp-Jeningen-Platz an. Das Denkmal nahe der Henkerskapelle, das im Juli 2001 eingeweiht wurde, reicht in ihren Augen nicht. Foto/Montage/Archiv: chl/Kastner/EK

Eichstätt (EK) Eichstätt soll an prominenter Stelle der während der so genannten „Hexenverfolgungen“ ermordeten Menschen gedenken und diese Opfer auch einzeln namentlich rehabilitieren. Das forderten gestern Aktivisten des „Instituts für Kunst und Forschung“ mit einer Kundgebung am Domplatz.

Die Initiatoren Wolfram P. Kastner und Claus-Peter Lieckfeld und ihre Mitstreiterinnen Hiltraut Pusch, Julia Killet und Birke Grieshammer waren aus München und Nürnberg nach Eichstätt gekommen, um mit der angemeldeten Kundgebung auf dem Domplatz an insgesamt 426 und namentlich an 153 Eichstätter Bürgerinnen und Bürger zu erinnern, die zwischen 1603 und 1723 den so genannten „Hexenverfolgungen“ zum Opfer fielen.

Es dauerte über eine Stunde, die die Aktivisten zunächst am Kriegerdenkmal und dann vor dem immer stärkeren Regen unter dem Domportal Schutz suchend mit dem Verlesen der Namen verbrachten – vor einer Handvoll Eichstätter und einigen Touristen. „Wir fordern ein Mahnmal, nicht versteckt, pauschal und anonym, sondern prominent und sichtbar in der Stadt. Ein Mahnmal, das die Namen der Opfer sichtbar trägt“, erklärte Wolfram Kastner. Der Künstler hatte auch einen eigenen Vorschlag vorbereitet: ein orangefarbenes groß dimensioniertes Dreieck, das zum Beispiel auf dem Pater-Philipp-Jeningen-Platz aufgestellt werden könnte. „Warum wird an den Bischof Westerstetten, der diese Morde zu verantworten hat, namentlich erinnert, und an die Opfer nicht“ Die Gruppe fordert auch die juristische Rehabilitierung der Opfer und die wissenschaftliche Aufarbeitung, die ihrer Ansicht nach bis heute nicht erfolgt sei. Das Thema sei in Eichstätt „in Vergessenheit geraten“, hatte Kastner bereits im Vorfeld der Kundgebung in einer Mail-Korrespondenz mit verschiedenen Stellen der Stadt kritisiert.

Stadtheimatpflegerin Claudia Grund und der Geschäftsführende Beamte Hans Bittl hatten im Namen der Stadt bereits geantwortet: „Wir Eichstätter sind uns dieses schwarzen Kapitels durchaus bewusst, haben es nicht vergessen und werden es nicht vergessen.“ Es gebe bereits zahlreiche Publikationen und Informationsveranstaltungen dazu.

Im Juli 2001 sei an der ehemaligen Richtstätte oberhalb von Eichstätt eine etwa lebensgroße Stele des Bildhauers Rupert Fieger aufgestellt worden, die die Inschrift trägt: „Zum Gedenken an die unschuldigen Opfer der Hexenverfolgung im 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert.“ Der Bildhauer habe „die symbolisch für die Menschen stehenden Halme aus Metallrohren gebildet, um so dauerhaft zu verdeutlichen, wie in der Zeit des hohen Mittelalters und in den Jahrhunderten bis zur Französischen Revolution unschuldige Menschen von brutaler Gewalt und Folter unterdrückt, gebrochen, zerschlagen und getötet wurden, weil man ihnen völlig irrational Hexerei oder einen Pakt mit dem Teufel unterstellt hat.“ Grund verwies darauf, dass auch aktuell gerade wieder eine Dissertation entstehe und Vorträge dazu geplant sind, Bittl erklärte, dass die „Hexenverfolgungen“ unbestritten zu den dunkelsten Kapiteln der Eichstätter Geschichte gehörten, dass es jedoch aus Sicht der Stadt keinen Anlass für ein weiteres Denkmal gebe.

Das sah Kastner gestern anders: „Dieses unsägliche Denkmal da oben wird den Opfern in keinster Weise gerecht“, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung dazu. Ihm geht es um die „moralische, theologische und rechtliche Rehabilitierung“ jedes einzelnen Opfers, die „viele hundert Jahre überfällig sei“. Es gehe hier nicht um die Frage von Zuständigkeiten. „Wir sind alle zuständig. Weil Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren.“