Eichstätt
"Ein juristisches Monstrum"

Neues kirchliches Arbeitsrecht: Eichstätter Rechtsprofessorin Oxenknecht-Witzsch ist skeptisch

01.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Eichstätt (EK) Neues kirchliches Arbeitsrecht, Anpassung an die Lebenssituationen der Menschen – alles toll? Nein, sagt die Eichstätter Rechtsprofessorin Renate Oxenknecht-Witzsch. Und auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke ist, wie zu vernehmen ist, skeptisch.

Wie bereits im überregionalen Teil unserer Zeitung berichtet, haben sich die 27 deutschen Diözesanbischöfe mit einer Neuordnung des kirchlichen Arbeitsrechts auseinandergesetzt – und auf den Weg gebracht. Zwei Drittel der Oberhirten haben zugestimmt, neun sich offenbar verweigert beziehungsweise enthalten. Darunter: die Bischöfe aus Eichstätt, Passau und Regensburg. Es sind, so ist zu hören, vorwiegend inhaltliche Probleme, die die Bischöfe sehen. Wie das Eichstätter und Regensburger Ordinariat übrigens übereinstimmend auf Anfrage unserer Zeitung erklärten, sieht man vor allem die Vereinbarkeit der novellierten Grundordnung mit dem allgemeinen Kirchenrecht in Frage gestellt.

Die Eichstätter Rechtsprofessorin Renate Oxenknecht-Witzsch, die jedes Jahr eine bundesweite Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht organisiert, sieht im neuen kirchlichen Arbeitsrecht ein „juristisches Monstrum“ versteckt, mit dem sich die Kirche alles viel schwieriger mache. Nach der neuen Ordnung muss eine Stelle eingerichtet werden, die prüft, was als „Ärgernis in der Dienstgemeinschaft“ gilt oder nicht. Ob eine Wiederheirat nach Scheidung, eine eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft oder anderes „sittenwidriges Verhalten“ zur Kündigung führt oder nicht. „Welche Befugnisse hat diese Stelle“, fragt Oxenknecht-Witzsch. „Darf sie Mitarbeiter befragen, beweise erheben“ Mitarbeitern gar nachschnüffeln? Das sei alles „völlig undefiniert“. Aus juristischer Sicht sei das „unverantwortlich“. Allerdings: „Eine fristlose Kündigung ist meiner Ansicht nach damit hinfällig.“ Denn die müsste innerhalb von 14 Tagen ausgesprochen sein – und so schnell kann man die notwendigen Unterlagen, um dieses „Ärgernis“ nachzuweisen, gar nicht zusammentragen, gibt sich Oxenknecht-Witzsch überzeugt. Dass aber nach wie vor eine Zweitehe und eingetragene Lebenspartnerschaften ausdrücklich in der neuen Grundordnung als „Ärgernis“ gesehen werde, versteht sie nicht. Der Verweis auf „schwere sittliche Verfehlungen“ (Artikel 5 neue Grundordnung) genüge ihrer Ansicht nach. „Das ist weit gefasst.“ Den kirchlichen Dienst von anderen Anbietern unterscheide das spezifisch Religiöse, die caritativen Tätigkeiten – „nicht ehewidriges Verhalten“.

Allerdings verweist die Rechtsprofessorin, die an der Fakultät für Soziale Arbeit lehrt, dass es in den vergangenen Jahren sowieso nahezu keine Fälle von Kündigungen nach Ehescheidungen oder Wiederheirat gab: Man habe „in Einzelfällen“ auf die Betroffenen eingewirkt, „dass sie von selbst ausscheiden“. Gerade bei den Erzieherinnen sei das wohl vermehrt an der Tagesordnung. Als juristisch unhaltbar sieht Oxenknecht-Witzsch, in den vergangenen Jahren Kindergartenleiterinnen als „leitende Mitarbeiter“ angesehen zu haben. Die wurden im bisher gültigen kirchlichen Arbeitsrecht explizit erwähnt. Das ist in der neuen Grundordnung nicht mehr der Fall. „Für die leitenden Angestellten ist die neue Ordnung auf jeden Fall eine Verbesserung“, sagt Oxenknecht-Witzsch. Aber alles in allem: „Es ändert sich fast nichts gegenüber dem bisherigen Arbeitsrecht.“

Warum gab es überhaupt eine Änderung, nachdem doch das Bundesarbeitsgericht die kirchliche Grundordnung erst vergangenes Jahr durch ein Urteil in allen Punkten bestätigt hat? „Ich glaube, dass die Bischöfe auf den öffentlichen Druck reagiert haben.“ Zudem sei die Kirche in vielen Landstrichen nicht mehr in der Lage, genügend Beschäftigte zu bekommen, die ihren Anforderungen entsprechen.