Eichstätt
Die richtige Vorbereitung

Passionskonzerte im Spiegelsaal und in der evangelischen Erlöserkirche

16.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

Am Abend vor dem Palmsonntag gestaltete der Chor Crescendo unter der Leitung von Volker Hagemann eine Einstimmung auf die Karwoche in der evangelischen Erlöserkirche. - Foto: jtr

Eichstätt (EK) Wie zur Adventszeit bieten auch die vorösterlichen Bußtage vielen Komponisten Anlass, gewichtige Werke zu schaffen. Zwei solche Passionskonzerte konnten zum vergangenen Wochenende gläubigen Musikfreunden Gelegenheit bieten, sich auf die Kartage vorzubereiten. Dabei konnte der Rahmen nicht unterschiedlicher gewählt werden: Pro Musica lud wie gewohnt in den Spiegelsaal ein. Einen Tag später konnte man in der evangelischen Erlöserkirche Volker Hagemanns Crescendo-Ensemble erleben.

Obwohl das erste der Konzerte nicht einmal im Veranstaltungskalender zu finden war, nutzten viele Besucher die Möglichkeit zur Vorbereitung auf das Hochfest der Auferstehung Jesu. Beide Konzerte wichen von der gewohnten Praxis ab, mit Bachs Passion an Christi Leiden und Tod zu erinnern. Sowohl das interessante Programm als auch die hervorragende Aufführungsqualität gaben besten Anlass zur vorösterlichen Verinnerlichung.

Für Kontraste sorgten auch die Aufführungsorte: neben dem Spiegelsaal die evangelische Erlöserkirche. Beide Darbietungen waren bestens besucht. Man braucht einfach Gelegenheit zur inneren Einkehr in hektischer Zeit. Das Abo-Konzert von Pro Musica bot wie gewohnt hervorragende Interpreten auf. Für die erkrankte Diana Plasse konnte die blinde Sängerin Gerlinde Sämann mehr als Ersatz bieten, als Solistin und als Duettpartnerin von Monika Mauch. Zusammen mit dem ausgezeichneten Lautenisten Hugh Sandilands, einem gebürtigen Schotten und Ehepartner der Sopranistin, und dem Organisten Bernhard Prammer, der auch als Musikpädagoge tätig ist, interpretierten die beiden Frauen die Passionsmusik des Hofmusikers Ludwigs XIV., Francois Couperin, werkgetreu und überzeugend. Eine zusätzliche Spannung war geboten, denn ein fürstlicher Prunksaal ist nicht unbedingt ein gewöhnlicher Rahmen für die feierlich-ernsten Klagelieder des Propheten Jeremias.

Die lateinischen Texte wurden auf französisch ausgesprochen, so dass von „Schesü Scherüslem“ die Rede war. Etwas gewöhnungsbedürftig für einen alten Lateiner! Trauer, Klage bis zur schieren Verzweiflung herrschen hier vor. Couperin scheut auch vor herben Dissonanzen nicht zurück. Manchmal hört man buchstäblich die Tränen fließen. Emotion und Ausdruck standen bei beiden Solistinnen vor bloßer Virtuosität, die freilich auch nicht zu kurz kam. Kleine Atempausen zwischen den Couperin-Klagen bot der Lautenist mit der Interpretation einiger Kompositionen des Couperin-Zeitgenossen Robert de Visée († 1732).

Beim Samstagkonzert in der akustisch bestens geeigneten Erlöserkirche hat Volker Hagemann eine groß angelegte Motette von Johann Sebastian Bach vorgestellt. Das etwa 30 Stimmen starke und begeisternde Crescendo-Vokalensemble ver-zichtete auf die übliche Continuo-Begleitung und setzte ganz auf A-cappella-Klarheit.

Der stimmlich wunderbar ausgeglichene, homogene Chor konnte die Textfeinheiten ungemein plastisch und textverständlich mit Schwung und Andacht gestalten. Eingeleitet und abgeschlossen wurde die Bach-Motette durch gemäßigt moderne Orgelstücke von John Taverner, der im vergangenen Jahr gestorben ist, gespielt vom sehr guten Organisten Richard Millig. Für den ersten Teil des durchwegs gelungenen Chorkonzerts hatte Volker Hagemann drei der vier „Motetts pour temps de penitence“ des 1963 verstorbenen Pariser Komponisten Francis Poulenc, der zur berühmten „Gruppe der Sechs“ zählt, ausgewählt: Moderne Musik, die dem Ohr nicht wehtut.

Dabei schritt Hagemann den Rahmen von „geflüstert“ bis zum nie überzogenen Forte-fortissimo aus. Ergänzt wurde der erste Teil durch eine glänzend registrierte Orgel-Partita des Münchener Musikprofessors Karl Höller (1907–1987) über den Choral „O wie selig seid ihr doch“. Für die Zuhörer ganz neu war wohl auch das ungemein packende Chorkonzert des Russen Pavel Chesnokow (1877–1944), von dem die einschlägige Musikliteratur nur die Lebensdaten bringt und den Hinweis, dass er eine ganze Reihe (Op. 6, 27, 37, 46) an der orthodoxen Kirchenmusik orientierte Chorkonzerte geschrieben hat. Die Dreingabe von Max Reger weckte den Wunsch, mehr von diesem großen Bayern hören zu dürfen.

Es ist schon erstaunlich, wie innerhalb eines Wochenendes nicht nur räumlich eine so große Spannweite vorösterlicher Chormusik in der nicht gerade mit Chorkonzerten gesegneten Stadt zu genießen ist. Hawe