Eichstätt
Die Sache mit der Vorfahrt

Pensionierte Polizeibeamte erklären Asylsuchenden die Verkehrsregeln

26.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Foto: Kathrin Schmied

Eichstätt (EK) Vorfahrt achten, gewähren, haben: Das sind drei der über 500 deutschen Verkehrszeichen. Mit Fachbegriffen tun sich die pensionierten Polizisten Karl Schulze und Peter Chloupek gar nicht ab.

Bei der Verkehrsschule für Asylsuchende in Eichstätt helfen Farben, Formen – und Vormachen. Das Spiegelei ist freundlich. Es gibt mir etwas. Rot dagegen bedeutet Gefahr. Das heißt, Rot nimmt mir etwas. Und wenn Rot auf acht Ecken trifft, dann muss ich besonders gut aufpassen. „Denn was steht auf diesem Schild“, fragt Karl Schulze seine elf Schüler, als er das achteckige, das „einmalige Zeichen im deutschen Straßenverkehr“ hochhält. „Stop“, erklingt es im Chor. Stop, das kennen die Asylsuchenden, die an diesem Tag den Unterricht auf dem Platz der Eichstätter Verkehrswacht besuchen. Ihre Lehrer sind die pensionierten Polizeibeamten Karl Schulze und Peter Chloupek. Für die Klassen der Sommerschule der Tun.Starthilfe stehen die beiden Männer seit vergangenem Mittwoch jeden Vormittag auf dem Gelände neben der Boxerhalle bereit, um ihnen das richtige Verhalten als Fußgänger oder Radfahrer zu erklären.

Sie machen das für alle, betont Schulze. „Es ist eine gute Sache für die Asylsuchenden, für die Verkehrsregeln meist fremd sind“, sagt er. „Und es ist auch eine Hilfe für die Landkreisbürger, wenn sie wissen, dass die Flüchtlinge nicht völlig blank sind, was dieses Thema angeht.“ Aufeinander Rücksicht nehmen, davon lebe der Straßenverkehr.

„Dass der andere einen Fehler machen könnte, muss man immer mitdenken“, erklärt Schulze. Den drei Frauen und acht Männern, die für eine Stunde ihren Deutschunterricht mit der Verkehrskunde getauscht haben, demonstrieren Schulze und Chloupek am eigenen Leib, was passiert, wenn man stur drauflos rennt oder fährt. Vorfahrt missachtet? Ohne schauen über die Fahrbahn? Keine Frage, die beiden Männer prallen aufeinander. „Bumm, ja“, ruft Thierno und lacht. „Bumm“, stimmen auch die anderen Sommerschüler mit ein. Botschaft angekommen.

Schulze erklärt den Asylsuchenden an jeder Station – Kreuzung, Einmündung, Einbahnstraße –, um was es geht. Fragt nach, ob es alle verstanden haben. Spätestens beim Vorführen fällt dann bei den meisten der Groschen. „Das funktioniert nur an Beispielen“, betont Schulze. Auch deshalb, weil die Teilnehmer zwar im Moment Deutsch lernen, aber beileibe noch nicht alle Deutsch richtig gut können. Darum gibt es bei dieser speziellen Verkehrsschule aktuell vier Sprachen, verrät der ehemalige Polizist: Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch. „Und die fünfte ist dann die mit Händen und Füßen.“

Ob das eine Herausforderung für sie sei? „Eigentlich nicht, bis jetzt hat es ohne weiteres geklappt“, sagt Peter Chloupek. Die Routine macht’s, in gewisser Weise. Schulze überlegt. „Ich habe von 1980 bis 1992 den Verkehrsunterricht gemacht, und dann von 2000 bis 2009“, zählt er auf. Für Kindergartenkinder und Viertklässler sei das vorzugsweise gewesen. Die aktuellen Schüler seien aber ebenfalls „sehr motiviert“.

Rechts vor links an einer Einmündung. Die Königsdisziplin. Thierno, Seck und Chloupek stehen an den drei aufeinandertreffenden Straßen. Thierno will geradeaus, die beiden anderen nach rechts. „Wer darf als Erstes fahren“, fragt Schulze in die Runde. „Peter“, tippt die Klasse. Fast richtig. „Alle“, meint Thierno. „Stimmt. Weil sich die Fahrspuren nicht kreuzen“, lobt Schulze.

Der Unterricht ist vorbei. „Das hat Spaß gemacht“, versichert Thierno, als die Gruppe sich zurück auf den Weg zur Sommerschule macht. Die nächste Klasse wartet schon. Sie wird von einem RTL-Kamerateam begleitet, denn die Arbeit der Tun.Starthilfe hat mittlerweile auch überregional die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Schulze und Chloupek starten eine neue Runde – und werden heute oder morgen bei RTL aktuell und im Nachtjournal zu sehen sein.