Eichstätt
Derb und hintersinnig eingeschenkt

Finanzen waren das Hauptthema beim fünften Starkbierfest im Alten Stadttheater

25.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Foto: Edgar Mayer

Eichstätt (EK) Auch wenn's etwas holprig zuging beim Anzapfen des ersten Fasses durch Landrat Anton Knapp: Am Ende spritzte dann doch der Hofmühl-Alligator im Maßkrug, und das Landkreisoberhaupt, Bräu Stephan Emslander und Organisator Bert Lina konnten sich gegenseitig zuprosten. Ob das nächstes Jahr nochmals so sein wird? Auf jeden Fall sei der Landrat für jeden Kabarettisten ein Graus, denn er gebe einfach nichts her und lasse sich nichts zuschulden kommen, so Bert Lina bereits in seiner Begrüßung.

Ja, derb, spritzig, oftmals hintersinnig ging es wieder zu beim fünften Eichstätter Starkbierfest im Alten Stadttheater, und Bert Lina, der auch mit pointenreichen Witzen über die geladenen Gäste durchs Programm führte, war sichtlich stolz, dass er mit seiner bewährten Mannschaft bereits eine erste kleine Jubiläumsveranstaltung feiern durfte, bei der es doch einige Veränderungen im Vergleich zu den letzten Jahren gab. Bei der perfekten Mischung aus Brauchtum und Bissigkeit spielte zum ersten Mal die Eichstätter Stadtkapelle unter der Leitung von Markus Beck auf und unterhielt die Gäste prächtig mit bayerisch-böhmischer Blasmusik. Zudem wurden die Beiträge reduziert, was am Ende dazu führte, dass die Gäste mehr Zeit für private Kommunikation hatten.


Die Politiker mussten beim Derblecken wieder einiges hinnehmen, besonders dem Stadtrat und der Kirche wurden erwartungsgemäß ordentlich eingeschenkt. Bei allen Rednern kam das Finanzchaos, sowohl in der klammen Stadtkasse als auch in der Diözese, zur Sprache. Immer wieder war von Eichstätt als Inbegriff der Trägheit und Langsamkeit die Rede. Doch gleichzeitig schwang auch immer die Liebe zur Heimatstadt mit.

Den Abend eröffnete Melanie Arzenheimer in ihrer Paraderolle als Prof. Dr. Amalia Stürzenhofecker-Pasatelski. Die Dozentin für Eingeborenenforschung von der "Alkoholischen Universität" präsentierte Lösungsansätze, wie sich die Stadt aus ihrer "wirtschaftlichen Non-Profit-Situation" befreien könnte.

Eigentlich sei Eichstätt in diesen "dramatischen, schwierigen, ja katastrophalen Zeiten" einfach pleite und dies, weil alle bisher von ihr gemachten Vorschläge erwartungsgemäß ignoriert wurden. Als Wege aus der Misere schlug sie eine Guiness-Buch verdächtige Mikro-Gartenschau auf dem verwahrlosten Bahnhofsgelände vor, eine Residenzplatzschutzpatrouille oder die Umfunktionierung der mittelalterlichen Bäckertunke neben der Spitalbrücke in eine "Bänkertunke": "Heute könnte man sie auf Aufsichtsratsmitglieder, Kredithaie oder Immobilienspekulanten anwenden" - in Anlehnung an die Strafe, die die Bäcker erhielten, wenn sie zu kleine Semmeln oder Brezen backten.

Doch "es braucht einen Experten, einen Retter, einen Erlöser, der sich des Eichstätter Finanzproblems annimmt" . Lösung ist in Sicht, denn RTL plane derzeit eine Schuldner-Sonderausgabe-Sendung mit dem Titel "Raus aus den Schulden, Eichstätt" mit Peter Zwegat. Nach Betrachtung der Ist-Situation falle sein Urteil erschreckend aus. Der größte Arbeitgeber der Stadt wirtschafte am Stadtsäckel vorbei. "Das Bistum erhebt eigene Steuern, die im eigenen Paralleluniversum ausgegeben werden und manchmal in einem schwarzen Loch spurlos verschwinden." Zudem sei mit der Frey Resi eine weitere Einnahmequelle der Stadt versiegt. Einzig die überproportional vielen Optiker tragen etwas zur Gewerbesteuer bei. Dagegen steigen die Ausgaben exorbitant an, angefangen bei der "Terroristen-Info", dem ziemlich Alten Stadttheater der Stadt-Schlangen-Linie. "Nicht zu vergessen die erhöhten Kosten für die Toilettenspülungen und Toilettenpapier im Rathaus, wenn so eine Sitzung wieder richtig sch ... läuft."

Doch dort, wo die Probleme entstehen, sind sie auch zu lösen: im Stadtrat. Die Summe der Sitzungsgelder gleiche das Defizit des Asthe komplett aus: 103 700 Euro errechnete die Professorin.

Konsequent daher Zwegats Forderung: Schafft den Stadtrat ab und öffnet Eichstätt für den Katastrophentourismus! "Der zum Teil katastrophale Zustand der Innenstadt und des städtischen Haushalts ist die Chance, all diejenigen zu befriedigen, die sich an solchen Tragödien nicht sattsehen können." Ordentlich krachen lies es Stadttürmer Julius Beck, der gehörig vom Leder zog. Besonders die Diözese bekam ihr Fett ab und wurde seziert: "Ganz Eichstätt ist geschockt, de Kirch, de hat unser ganzes Geld verzockt." Für das geneigte Kirchenvolk sei es bodenlos. "De fromma, braven Steierzahler, die umdrahn müassen jeden Taler, san die Deppen und schaugn blöd, des is höchste Kriminalität." In der Spitalstadt könne er noch kein Hotel ausmachen, lediglich "wern bloß Löcha bohrt, wahrscheinlich sucht der Meier bloß für sein Geld an sichern Ort". Der zweite Krösus in Eichstätt, der Kemeter, kaufe "das zsam, was der Meier net mag", schließe seine Geschäfte, weil er an "Lackdosn-Intoleranz" leidet. Lob bekamen die Macher von "Mittendrin" ab, denn des "is für Eichstätt ein Gewinn". Eva Gottstein apostrophierte er, wenn sie wiedergewählt werde, als Landtagsdinosaurier, während er zu Stephan Emslander ironisch frotzelte: "Sexismus in der Brauerei, das ist eine Sauerei." Doch am Ende gab es dann die typische Becksche Liebeserklärung an sein Eichstätt: "Ob Süden, Norden, Osten, Westen - in Eichstätt lebt's sich doch am besten."

Den Ball vom letzten Jahr nahmen Evi Vierring als "Bodweib" Mare und Thomas Weidenhiller als Bademeister Xare auf, als sich das Bodweib zur OB-Wahl 2020 aufstellen lassen wollte. Doch "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern", meinte sie. Da hätte sie moralische Bedenken und ein furchtbar schlechtes Gewissen gegenüber dem Steppi. "Der hat grad für seine Frau und seine Kinder, zwei Hund, de ganzen Hasen und Meerschweinchen a Haus in Dollnstein gekauft", weil sein Gehalt für ein Haus in Eichstätt nicht reiche. Dabei hätte ihm der eben erst durch eine große Erbschaft reich gewordene Badmeister aus der Patsche geholfen.

Das Badweib teilte mit, dass sich neue politische Ziele ergeben haben: Sie will 2020 Stadträtin werden und Zweite Bürgermeisterin als Karrieresprungbrett für 2026. Dazu habe sie einen Verein gegründet: ZWE - Zum Wohle Eichstätts. Als kreativer Geist sei Frauen-Power gefragt. 60 Prozent der Stadträte werden Frauen sein: "Mit viel Herz und gutem Bauchgefühl gegen männliche Logik." Das ständige Jammern, dass in Beilngries alles besser ist, helfe nichts. Als Vorbild soll sich jeder mal den VfB anschauen, aber die hätten ja auch den Mattes als "Motivationswunder". Visionäre Ideen habe sie schon parat: eine Tiefgarage unterm Marktplatz bis zum Domplatz, Gaststätten, die bis in die Nacht mit Leben gefüllt sind, sollen dazu beitragen, dass Eichstätt eine moderne und lebendige Stadt wird. Bei der Totaldurchleuchtung der Stadt habe es zweimal die Note 6 gegeben: fürs Paradeis und die Toiletten am Herzogsteg, den "größten Schandfleck der Stadt", der nur deshalb die Note 6 erhält, weil es die Note 7 nicht gibt. Am Stammtisch wird laut Xare bereits gemunkelt, dass ins Paradeis ein "Haus für Erotik" als besonderer Service für die Hotelgäste in der Spitalstadt einziehe.

Die Note 1 müsse Dieter Hiemer als "Mann des Ehrenamtes 2017" für seine 33-jährige Tätigkeit als Feuerwehrkommandant bekommen. Ebenso hob die Mare den neuen Verein "Freunde von Montbrison" auf den Schild, dem sie angesichts von Völkerverständigung und anstehender Schüler- und Studentenaustausche eine große Zukunft prophezeite. Doch Xare frotzelte sofort dagegen: "Ich bin doch kein Europäer, ich bin Eichstätter, geboren in Mittelfranken und 1972 umgetauft zum Oberbayern." Doch hier treffe der Stadtrat seltsame Entscheidungen, und die "Große Kreisstadt, die ruhmreiche Bischofsstadt mit Grundbesitz in USA, die weltoffene Universitätsstadt, die bayernweit bekannte Schulstadt, die Perle des Naturparks, die kann sich ja jetzt überlegen, was noch alles dem Streichkonzert zum Opfer fallen könnte". Vielleicht das Altstadtfest, "weil sich ein paar Jugendliche besaufen, oder das Volksfest, weil die Besoffenen ans Zelt pinkeln". Außerdem solle man das Freibad erst für Jugendliche ab 16 Jahren öffnen, weil ein paar kleine Kinder ins Wasser bieseln. Und der Stadtbus gehöre auch abgeschafft: zu viele Schwarzfahrer.

Mit der Bayernhymne, bei der der ganze Saal stand, klang das bier- und redselige Fest harmonisch aus.