Eichstätt
Den Geheimnissen des Karlsgrabens auf der Spur

Kampagne wird von Luftbildern unterstützt Archäologen suchen exakten Verlauf des frühmittelalterlichen Bauprojekts

22.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

In der laufenden Kampagne fördern die Archäologen beim Karlsgraben spannende Ergebnisse zutage. Es sind die letzten großen Grabungen bei der Fossa Carolina. Zwar läuft das Forschungsprojekt, das übrigens unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird, noch einige Jahre. Grabungen wird es dann aber nur noch punktuell geben. - Foto: Stanka

Eichstätt/Graben (EK) Spannendes tut sich am Karlsgraben bei Treuchtlingen: Seit 2012 versuchen Archäologen, dem frühmittelalterlichen Kanal seine Geheimnisse zu entreißen. Es läuft eine Kampagne, zu der auch Luftbilder der Eichstätter Heimatforscher Rudolf Hager und Michael Hoedt beitragen.

Die Fossa Carolina prägt die Landschaft bei dem kleinen Ort Graben nach wie vor in imposanter Weise. Sichtbar sind eine etwa 350 Meter lange Wasserfläche und bis zu zehn Meter hohe Erdwälle aus Aushubmaterial. Der Kanal, der die beiden Flusssysteme Donau und Main verbinden sollte, war sicher länger, Experten gehen von etwa drei Kilometern aus.

Bewegt hat das Bauwerk, das landläufig unter "Karlsgraben" firmiert, die Menschen seit jeher. Doch stammt der Kanal überhaupt aus karolingischer Zeit? Manche Forscher wiesen das Bauwerk den Römern zu. Diese These lässt sich nach den neuesten Erkenntnissen nicht halten.

2013, bei einem Grabungsschnitt quer zur Fossa Carolina, stießen die Archäologen auf elf bis zu 1,8 Meter lange Eichenstämme, die sich auf das Jahr 793 datieren lassen. Das ist just der Zeitpunkt, den der Gelehrte Einhard in seiner "Vita Karoli Magni" - der Biografie von Karl dem Großen - nennt. Dort wird geschildert, wie sich Karl höchstpersönlich an die Baustelle begab, um die Arbeiten zu begutachten. Einhard berichtet aber auch davon, dass aufgrund des andauernden Regens, des sumpfigen Untergrundes und der nachrutschenden Erde das Vorhaben schließlich aufgegeben werden musste. Dieser Sache wollen die Archäologen mit der aktuellen Kampagne jetzt nachgehen.

Beim Grabungsschnitt waren die Fachleute auf eine Konstruktion gestoßen, die zumindest in diesem Bereich auf einen funktionstüchtigen Kanal schließen lässt: Nachdem die Arbeiter eine breite Senke mit stabilen Böschungen ausgehoben hatten, rammten sie links und rechts des künftigen Kanals im Abstand von etwa 5,3 Metern zwei parallele Spaltbodenreihen ein. Danach schachteten sie die eigentliche Fahrrinne aus; die nutzbare Wassertiefe betrug bis zu einen Meter. Damit wäre der Kanal für die damaligen Rheinschiffe des Frühmittelalters bequem zu nutzen gewesen.

Nur: Wurde der Karlsgraben überhaupt jemals von Schiffen befahren? Die Archäologen hatten bei ihren Ausgrabungen ihre liebe Not mit Hangwasser und den vorhandenen feinkörnigen Sanden, die immer wieder nachrutschten. Womit auch dieser Bericht aus der Einhard-Chronik bestätigt wäre. Grabungsleiter Dr. Lukas Werther von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und sein Team suchen aktuell nach dem Anschluss des Kanals an die Rezat. Das hört sich einfacher an als gesagt, denn der Karlsgraben bildet keine schnurgerade Linie, sondern weist den einen oder anderen "Knick" auf. "Wir untersuchen, wie die Konstruktion im Norden aussieht", umschreibt Werther eine der aktuellen Aufgabenstellungen. Luftbilder der beiden Eichstätter Heimatforscher Rudolf Hager (Fotograf) und Michael Hoedt (Pilot) liefern Hinweise. Hager hat in der Landschaft Linien gefunden, die den Verlauf des Grabens widerspiegeln könnten. Auch mit geophysikalischen Methoden spüren Wissenschaftler den Überbleibseln des ehrgeizigen Kanalprojekts nach. Dafür ist Dr. Christoph Zielhofer zuständig, der am Institut für Geographie an der Universität Leipzig die Professur Physische Geographie innehat. Er bestimmt die Standorte für die weiteren Grabungspunkte.

Die Konstruktion des Kanals ist aber nur ein Aspekt, dem die Experten auf den Grund gehen möchten. "Darüber, wie der Kanal mit dem Fluss verknüpft gewesen ist, gibt es nicht so viele Informationen", sagt Zielhofer. Diese Wissenslücke gilt es zu schließen. Denn die Rezat präsentiert sich als eher schmales Gerinne, ist nach heutigem Standpunkt kaum schiffbar. Wenn der Kanal Sinn machen sollte, wären auch Eingriffe an der Rezat nötig gewesen. Werther formuliert die Fragestellung so: "Ist der natürliche Bachlauf ebenfalls kanalisiert worden"

Eine weitere Facette der Karlsgraben-Forschung ist bisher noch nie richtig untersucht worden: Einhard spricht von einer großen Menge an Arbeitern, die zugange waren. Auch die Archäologen sind sich sicher, dass sehr viele Leute mit dem Kanalbau beschäftigt gewesen sein müssen. Woher kamen sie? Wo wohnten sie? Wie wurden sie verpflegt? Welche archäologischen Spuren haben sie hinterlassen? Auch darauf hoffen die Archäologen Antworten finden.