Eichstätt
Zugmaschine oder Bremse?

Debatte um 1290 Euro für die Bewerbung als "SightCity" offenbart das aktuelle Dilemma der Stadt

17.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Foto: DK

Eichstätt (EK) Zugkräftiges Marketing ist für einen erfolgreichen Tourismus das A und O. Deshalb kämpfte Tourismuschef Lars Bender im Kulturausschuss dafür, dass sich Eichstätt um die Aufnahme in die neue bayerische Vermarktungslinie "SightCity" bewirbt. Gestritten wurde dabei letztlich um 1290 Euro.

Von außen ist es kaum nachvollziehbar, dass sich wegen dieser geringen Summe ein Stadtratsgremium in einer ausführlichen Diskussion in die Wolle kriegt. Doch die Situation in Eichstätt ist derzeit nun einmal eine ganz besondere, seitdem sich der Stadtrat bei seiner Herbstklausur entschieden hatte, in vielen Haushaltsstellen massiv zu kürzen - und allein bei der Tourist-Information 70.000 Euro einzusparen (wir berichteten). Ob das nun in einen "Sparwahn" ausartet, wie es Tanja Schorer-Dremel (CSU) während der angeregten Debatte zwischendurch formulierte, oder doch ein "Sparzwang" ist, wie es Dritter Bürgermeister Gerhard Nieberle (SPD) verstanden haben wollte, wird wohl an allen Punkten, in denen es um städtische Gelder geht, immer wieder neu diskutiert werden.

Und hier kann die Diskussion um die Bewerbung für "SightCity", bei der es um 1290 Euro pro Jahr zuzüglich Mehrwertsteuer gehen würde, als durchaus exemplarisch dafür geschildert werden, wie derzeit im Rathaus und in den Gremien gerechnet wird: 1290 Euro wäre an sich ein Betrag, der noch unter die Hoheit des Oberbürgermeisters fallen könnte - in finanziell geregelten Zeiten bräuchte es bei solch geringen Beträgen wohl kaum einen Gremiumsbeschluss. Doch Steppberger hatte in der Sitzung des Ausschusses für Kultur, Freizeit und Fremdenverkehr am Montagabend schon an anderer Stelle festgestellt: "Wir haben eine haushaltslose Zeit derzeit, ich selber kann keinen Cent alleine ausgeben." Das einzige Gremium, das bis zur Verabschiedung eines Haushaltsplans städtische Mittel zusagen und freigeben kann, ist der Stadtrat.

Damit wird für den Tourismuschef die Lage noch komplizierter. Denn Lars Bender hat für die Bewerbung wie für viele andere Projekte im Rahmen seiner Aufgaben auch Fristen einzuhalten, die für Eichstätt eh schon verlängert worden sind: Er muss die städtische Bewerbung nicht bis 12. Januar abgegeben haben, sondern hat eine Fristverlängerung bis 19. Januar erwirkt. Der Stadtrat tagt allerdings erst am 25. Januar. Deshalb konnte es am Montag nur um eine Zustimmung "vorbehaltlich der Mittelfreigabe durch den Stadtrat" gehen.

Sollte die Jury Eichstätt in die bayerische "SightCity"-Werbelinie aufnehmen, dann, so erklärte Bender, "könnten wir von einer sehr großen Vermarktungskraft profitieren." "SightCity" sei die Fortführung des erfolgreichen Marketinglabels "SightSleeping"-Hotels, in das 2009 das Gästehaus des Klosters St. Walburg aufgenommen worden ist. Die Stadt hätte also schon einen Fuß in der Tür. Tanja Schorer-Dremel unterstützte die Bewerbung "voll und ganz", das sei eine "sehr tolle Sache", davon könnte die Stadt sicher profitieren. Auch Zweite Bürgermeisterin Dr. Claudia Grund (CSU), Günther Köppel und Adalbert Lina (FW) sowie Maria Lechner (ÖDP) unterstützten ausdrücklich mit Wortbeiträgen diese Bewerbung. Dagegen erklärte Gerhard Nieberle mit Blick auf den viel beschworenen "Sparzwang", er werde dagegen stimmen; "vielleicht machen wir das im nächsten Jahr, wenn der Haushalt wieder in vernünftige Bahnen gelenkt worden ist". Nieberle erklärte zudem: "Vielleicht verzetteln wir uns ja auch." Eichstätt sei schon "Slow-City", "Fahrradfreundliche Stadt" und anderes mehr.

Hier konnte Oliver Haugg (Grüne) nicht mehr an sich halten und konterte: "Eichstätt wird immer mehr zur Sleeping-City, wenn wir nicht aufpassen." An Stellen, wo es um die Entwicklung der Stadt geht, dürfte nicht gespart werden: "Herr Bender braucht uns als Zugmaschine für seine Arbeit und nicht als Bremse", sagte Haugg und war halb im Scherz beinahe versucht, die 1290 Euro aus seiner eigenen Tasche vorzustrecken, wenn das erlaubt gewesen wäre. Oberbürgermeister Andreas Steppberger bemerkte, das passiere so nicht oft, aber er stimme hier Herrn Haugg voll und ganz zu. Das sei eine rentierliche Ausgabe, die die Stadt auf jeden Fall tätigen solle.

Zu den Relationen dieser Summe erläuterte Bender noch: Im Haushaltsansatz der Tourist-Information wären insgesamt 30.000 Euro für Werbemittel und PR-Maßnahmen vorgesehen. Davon seien 12.000 Euro langfristig gebunden, 18.000 also noch frei. Und von diesen 18.000 Euro wären jene 1290 Euro abzuziehen, wenn man sie nun per Beschluss an "SightCity" binden würde, falls die Bewerbung erfolgreich ist.

Gegen die Stimme von Gerhard Nieberle befürwortete der Ausschuss die Bewerbung, die Bender nun bis Freitag bei der Bayern Tourismus Marketing GmbH einreichen wird. Sollte der Stadtrat dann doch - was OB Steppberger angesichts dieses Stimmungsbildes nicht erwarten mochte - ablehnen, dann müsste die Bewerbung wieder zurückgezogen werden.

Das "Damoklesschwert der Einsparungen", mit denen Bender seine Ausführungen am Montagabend begonnen hatte, schwebt damit weiter über den Mitarbeitern der Tourist-Information.