Eichstätt
Google my Einzelhandel

04.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr

Foto: DK

Eichstätt (EK) Amazon und Co. als Ruin der lokalen Kleinstadtläden? Das greift zu kurz. Im Onlinehandel stecken durchaus Chancen für die heimische Geschäftswelt.

Beate Michel kämpft gegen ein unter Einzelhändlern gängiges Vorurteil und sagt: "Das Internet ist nicht nur böse." Die Standortbeauftragte arbeitet an einem "Marktplatz", der den stationären Einzelhandel Eichstätts in der virtuellen Welt bündelt und präsenter macht, Stichwort "Onlinecity".

Der Handel ist im Wandel - das ist Fakt. Und die Eichstätter Standortbeauftragte Beate Michel ist sich sicher: "Wir werden in den nächsten fünf Jahren deutlich stärkere Veränderungen erleben als in den vergangenen Jahrzehnten." Allerdings sollte der stationäre Handel - also das Ladengeschäft in der Innenstadt - nicht in Schockstarre verfallen, sondern selbstbewusst auf das veränderte Kundenverhalten reagieren. Konkret heißt das für Beate Michel: "Wir brauchen ein attraktives Schaufenster für die Eichstätter Geschäfte im Internet." Sie arbeitet gerade an einer Plattform, auf der sich Eichstätter Unternehmer gemeinsam präsentieren können. Bringt das denn wirklich etwas angesichts der Marktdominanz von Amazon und Co?

Michel ist zuversichtlich. Sie verweist auf eine aktuelle Studie der Hochschule Niederrhein, die das Einkaufsverhalten von 1000 Menschen in Deutschland genauer unter die Lupe genommen hat. Demnach sind es nur vier Prozent, die sich im Laden erst beraten lassen und dann doch im Internet kaufen - das ist überraschend, denn die wiederholten Klagen von Einzelhändlern ließen hier mehr vermuten. 30 Prozent kaufen (noch) ausschließlich in Ladenschäften ein - das ist der "klassische" Kunde, wie ihn auch der Eichstätter Einzelhändler gerne hat. Und dann wird es richtig interessant für die Standortbeauftragte: 60 Prozent der Kunden informieren sich zunächst im Internet, wollen dann aber in einem stationären Laden einkaufen. Sie versprechen sich davon ein angenehmes Einkaufserlebnis, mehr Nachhaltigkeit und besseren Service. Das ist genau die vielversprechende Zielgruppe, die heimische Händler brauchen. Aber genau da sieht Michel den Einzelhandel noch schlecht aufgestellt: "70 Prozent sind gar nicht im Internet präsent." Sie können also von einer kaufwilligen Zielgruppe beim besten Willen nicht gefunden werden.

Das soll sich möglichst noch in diesem Jahr mit einem digitalen Eichstätter Schaufenster ändern. Michel hat einige Konzepte auf dem Tisch, wie sich Eichstätts Einzelhandel auf einer gemeinsamen Plattform im Internet zeigen könne: "Das muss nicht alles neu erfunden werden, vieles ist ja schon da", sagt sie und verweist etwa auf den Zusammenschluss Eichstätter Gewerbetreibender unter dem Stichwort "Handwerk erleben", das auch im Internet zu finden ist. "Wir müssen es nur nehmen und nutzen."

Immer wieder bekommt Eichstätt von auswärtigen Fachleuten attestiert, dass es eigentlich eine ganze Reihe von attraktiven und vielfältigen Geschäften zu bieten hat - "das wissen bloß die wenigsten", sagt Michel. Die Eichstätter müssten ihre Stadt und die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre noch bewusster wahrnehmen. Außerdem betont Michel Eichstätts Funktion als Mittelzentrum, das ja Kaufkraft aus dem Umland generieren müsse und auch das Potenzial dazu habe.

"Es tut sich etwas bei uns", sagt Michel und freut sich darüber, dass sich eine ganze Reihe von Geschäftsinhabern offen für gemeinsame Aktionen und Weiterbildung zeigen. Bei den ersten Terminen ihrer "Serviceoffensive" im vergangenen Jahr waren unter anderem Schaufenstergestaltung und Laufwege in den Läden Themen. Die Workshops dazu wurden von den hiesigen Einzelhändlern gerne wahrgenommen. Im Herbst wird Michels "Serviceoffensive" weiterführen - unter anderem mit einem Workshop unter dem Motto "Google my business", um weitere Einzelhändler Eichstätts für das Thema zu sensibilisieren.

Nach dem digitalen Schaufenster wäre ein Eichstätter Onlineversand unter dem Stichwort "same day delivery", also Lieferservice am Einkaufstag, denkbar - wenn auch für eine Kleinstadt schwierig zu realisieren und zu finanzieren. "Da muss uns noch etwas einfallen."

Die Grenze zwischen analogem und digitalem Handel wird Experten zufolge in Zukunft durchlässiger, und zwar nach beiden Seiten. Auch das kann eine Chance für Eichstätt sein: Beate Michel denkt an reale "Showrooms" in der Innenstadt, in dem Onlinehändler in der echten Welt auf ihr digitales Angebot aufmerksam machen. "Dafür sind kleine Ladenflächen geeignet", sagt Michel, "und davon haben wir genug." Der Trend gehe weg vom "Megastore", eigene Identität sei wieder stärker gewollt.

Bei diesem Gedankenspiel lässt sich nicht nur an große Marken denken - auch Eichstätter Geschäftsleute können im Onlinehandel erfolgreich sein. Pioniere auf diesem Sektor sind die Juniorchefs des 1902 gegründeten Eichstätter Familienunternehmens Jenuwein, Florian (37) und Andreas (31). "Jenuwein" war jahrzehntelang in Eichstätt der Herrenausstatter schlechthin, entwickelte sich dann weiter zum Bekleidungsgeschäft für beiderlei Geschlecht, wurde in den 00er-Jahren jünger und moderner und steht jetzt mit zwei Geschäften blendend da: einmal im Ingolstädter Westpark mit einer Verkaufsfläche von 220 Quadratmetern und einmal in der neuen Eichstätter Spitalstadt auf 500 Quadratmetern mit zwölf Angestellten. Das ist die räumliche Untergrenze für einen rentablen Laden für Markenkleidung - doch das Geschäft "läuft gut", Florian und Andreas Jenuwein sind sehr zufrieden. Das Ladensortiment jetzt auch eins zu eins im Internet anzubieten, wäre allerdings logistisch zu aufwendig, "dafür wechselt die Ware zu schnell". Deshalb ziehen die Jenuweins eine klare Trennlinie zwischen ihrem florierenden Ladengeschäft und ihrer "Hemdenbox.de" im Internet. Beide Geschäftsfelder sind inzwischen ähnlich rentabel, beide Standbeine also ähnlich stabil. Florian Jenuwein und Stefan Hölzlwimmer (37) haben die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt und bereits 2003 das Label "Hemdenbox.de" übernommen. "Heutzutage hätte man überhaupt keine Chance mehr, in dieses Geschäft einzusteigen, das ist ein harter Verdrängungswettbewerb."

Jenuwein übernimmt die strategische Planung, kümmert sich um das Sortiment und den Inhalt, Hölzlwimmer kümmert sich um das Finanzielle und das Technische - was ein enormer Aufwand ist. Hölzlwimmer entwickelt und programmiert sämtliche Abläufe der gesamten Warenwirtschaft selbst, "das läuft alles automatisiert".

Doch auch für die virtuelle Welt müssen die Waren irgendwo griffbereit sortiert gelagert werden: "Wo die zu finden sind, weiß nur der Computer", sagt Hölzlwimmer. Seit Februar 2015 hat "Hemdenbox.de" ihr Logistikzentrum im benachbarten Preith, rund eine Million Euro haben die Jenuweins und Hölzlwimmer dafür in Grundstückskauf, Bau und Ausstattung investiert. Dort werden nicht nur die Waren gelagert und verschickt, dort entstehen auch die Fotos für den Onlineauftritt, "wir haben ein eigenes Fotostudio eingerichtet". Insgesamt beschäftigt die "Hemdenbox.de" zwei Mitarbeiter in Preith. 3000 bis 4000 Hemden werden im Onlineshop monatlich verkauft. Tendenz steigend.