Eichstätt
Bahnlärm ausbremsen

"Flüsterleise" Sohlen sollen Güterwaggons leiser machen – Bürgermeister zeigen sich beeindruckt

19.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:13 Uhr

Die Bahntrasse durchs Altmühltal führt oft direkt an den Häusern vorbei, wie hier bei Breitenfurt. Die topografische Lage sorgt dafür, dass der Schall die Hänge hinauf getragen wird. Abhilfe gegen den Bahnlärm soll eine „flüsterleise“ Sohle sein, wie die Bremsen an Waggons heißen. Dazu gab es am Montag einen „Lärmschutztag“ in München, an der zahlreiche Bürgermeister teilnahmen und sich über die Effektivität der neuen Technik informieren konnten. - Foto: baj

Eichstätt (EK) Wenn Leo Pfister in Breitenfurt um 5 Uhr morgens am Frühstückstisch sitzt, muss er sich über die akustische Untermalung beim Genuss von Kaffee und Hörnchen keine Gedanken machen – dafür sorgt schon die Bahnlinie, die direkt an seinem Haus vorbeiführt.

Besonders die Kesselwagen scheppern, dass es durch Mark und Bein geht. Das soll anders werden, verspricht die Bahn und will bis 2020 den Lärm von Güterzügen halbieren. Eine wesentliche Rolle spielen dabei neue Verbundstoffbremsklotzsohlen vom Typ „LL“, von der Bahn gerne „Flüsterbremsen“ genannt.

Am Montag gab es dazu am Rangierbahnhof München-Nord einen „Lärmschutztag“ mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann und DB-Technik-Vorständin Heike Hanagarth. Geladen waren Politiker und Vertreter von Bürgerinitiativen aus ganz Bayern. Auch der Eichstätter Landrat Anton Knapp, OB Andreas Steppberger, die Bürgermeister entlang der Bahnlinie Ingolstadt – Treuchtlingen und Heiner Hertrich von der Initiative gegen Bahnlärm in Solnhofen ließen sich informieren. Es gab eine Demonstration mit einem vorbeifahrenden Güterzug, dessen Waggons zur Hälfte mit den „Flüsterbremsen“ zur anderen Hälfte mit herkömmlichen Sohlen ausgestattet waren. Der Dollnsteiner Bürgermeister Wolfgang Roßkopf zeigte sich beeindruckt. „Die Waggons mit der neuen Technik waren erheblich leiser.“ Die Bahn selbst spricht von einer Reduzierung von zehn Dezibel.

Viele Anwohner betrachten den Bahnlärm als Zumutung, auch wenn weniger auf den Gleisen los zu sein scheint als noch vor Jahren. „Bei uns geht die Linie mitten durchs Wohngebiet“, verdeutlicht die Gaimersheimer Bürgermeisterin Andrea Mickel die Problematik. „Das ist eine große Belastung für die Menschen dort.“ Momentan sei es zwar eher ruhiger, denn aufgrund von Baustellen zwischen Ingolstadt und München fahren viele Züge über Augsburg. „Wenn die Verkehrswege wieder offen sind, werden wieder mehr Züge rollen“, ist sich Mickel sicher. Zudem wolle die Politik mehr Verkehr auf die Schiene bringen und das habe sicher auch Auswirkungen. Da Gaimersheim über keinen Lärmschutz verfüge, begrüße sie die neuen Bremsen: „Die sind nicht mehr so schrill.“

Ihr Kollege Peter Doliwa von Buxheim sieht die Sache etwas gelassener: „Wir sind mit der Bahn groß geworden.“ Der Lärm werde nicht als störend empfunden. „Wir freuen uns natürlich, wenn es Verbesserungen gibt.“

Das Thema Schienenlärm wird jedoch von vielen Menschen, besonders im Altmühltal mit seiner besonderen geografischen Lage, wesentlich kritischer diskutiert – und nicht jeder Lösungsvorschlag ist willkommen. Wie es sich am Montag herausgestellt habe, hätten Lärmschutzwände im Altmühltal ihre Tücken, sagte Manfred Schmidmeier, der Pressesprecher des Landratsamtes, zu unserer Zeitung. Niedrigere Bauten von ein bis zwei Metern Höhe, die am Rangierbahnhof München-Nord zu besichtigen waren, würden in der Tallage keine Wirkung zeigen. Massive Bauwerke dagegen würden das Landschaftsbild im Naturpark massiv beeinträchtigen.

Deshalb scheinen die Hoffnungen der lärmgeplagten Anwohner auf den „Flüsterbremsen“ zu ruhen. Das sieht auch Heiner Hertrich so, der seit 1998 gegen Bahnlärm kämpft. Ohne den massiven Druck der inzwischen über 140 Initiativen in Deutschland hätte es den „Lärmschutztag“ in der Landeshauptstadt nicht gegeben, ist er überzeugt. Hertrich nimmt die Bemühungen von Bahn und Bund positiv zur Kenntnis – im Gegensatz zu manchem seiner Mitstreiter. Ludwig Steininger aus Kirchseeon bezeichnet die Vorführung der LL-Sohlen schlicht als „Pleite“.

Hertrichs Kommentar lautet: „Es tut sich was.“ Dennoch kritisiert er die seiner Meinung nach schleppende Umrüstung. Andere Länder wie Holland seien da weiter. Außerdem habe die Bahn zunächst eine Zwischenlösung eingebaut: Bremsen, die zwar leiser als die Grauguss-Sohlen, aber lauter als die TT-Sohlen sind.

Die Zahl der Züge steige in jüngerer Zeit wieder, sagt Hertrich. Da er über keine konkreten Zahlen verfüge, seien das aber subjektive Eindrücke. „Manchmal kommt eine Stunde lang gar kein Güterzug, manchmal geht es nach Mitternacht Schlag auf Schlag.“ Weniger Züge als noch vor etlichen Jahren registriert Leo Pfister. Was ihm aufgefallen ist: Der Zugverkehr sei um 5 Uhr besonders massiv – wenn er am Frühstückstisch sitzt.