Eichstätt
Der Goldene Boden ist weggebrochen

Handwerk kämpft um Nachwuchs und verliert oft gegen die Industrie

31.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Allgemein herrschen im Handwerk, aber auch in anderen Branchen Klagen über Lehrlingsmangel. Im Autohaus Schödl in Eichstätt ist man mit der Situation aber zufrieden. "Bei uns gibt es genügend Nachfrage. Unsere Ausbildungsplätze sind für die nächsten zwei Jahre belegt", sagt Klaus Roauer vom Autohaus. - Foto: Bartenschlager

Eichstätt (EK) Lehrlingsmangel ist bei vielen Unternehmen ein Dauerthema. Die Firmen klagen, keine oder keine geeigneten Auszubildenden zu bekommen. Dennoch konnten zahlreiche Unternehmen heuer ihre Lehrstellen besetzen. Es gibt aber ein weiteres Problem: Gute Leute sind schwer zu halten.

Beispiele der Lehrlingssituation nennt Eckhard Schock, Chef des Schock-Fensterwerks in Denkendorf: Jahrelang habe er keine Auszubildenden (Azubis) gerade im handwerklichen Bereich bekommen. Heuer sei das anders: Drei junge Leute beginnen ihre Ausbildung bei Schock, als Handwerker, als Kaufmann und als Lagerist. Insgesamt sei es aber schon so, dass es weniger Bewerber als Plätze gebe.

Das hänge auch mit der Industrie zusammen, sagt Schock. "Das Handwerk leidet unter der Industrie." Die Industrie zahle Ausbildungsvergütungen von 900 bis 1000 Euro monatlich, da könne das Handwerk mit seinem 500 bis 600 Euro nicht mithalten. "Ob Bewerber dann glücklich werden, wenn sie am Band arbeiten, sei dahingestellt. Aber das wird dann mit Geld ausgeglichen", so Schock. "Selber arbeiten, mit Köpfchen arbeiten, das kann man im Handwerk mehr", findet er.

Dagegen gebe es keine Probleme, die Ausbildungsplätze für Bürokauffrauen zu besetzen. Allerdings stelle er fest, dass das Niveau tendenziell abnehme. Früher wären viele Absolventinnen von Realschule oder Fachoberschule (FOS) gekommen, jetzt legten viele Bewerberinnen das Mittelschulzeugnis vor. Doch will Schock nicht verallgemeinern. "Es geht alles, man muss nur wollen."

Diese Aussage kann Thomas Margraf unterschreiben. Er leitet die Bäckerei Margraf mit Sitz in Obereichstätt und ist Innungsobermeister. Für dieses Jahr hat er zwei Azubis bekommen. "Das hat mich überrascht", erklärt Margraf. Seine Branche habe es schwer, Nachwuchs zu finden. Die landläufige Erklärung, dass die Arbeitszeiten zu nachtschlafender Zeit abschreckend wirkten, lässt der Obermeister nicht gelten. Zum einen verweist er auf das Jugendarbeitsschutzgesetz. Außerdem arbeiten industrielle Bäckereien bereits im Dreischichtbetrieb, und auch handwerkliche Bäckereien, vor allem größere, bieten Tagschichten an. Ganz von der Hand zu weisen ist die nächtliche Arbeit natürlich nicht. Ausschlaggebend sei jedoch etwas anderes: "Es gibt Modeberufe, und da gehört das Lebensmittelhandwerk nicht dazu."

Dabei sei das ein wunderschöner Beruf, der zahlreiche Vorteile biete. Moderne Technik halte Einzug; die neuen Maschinen seien computergesteuert. "Das ist keine Steinzeit mehr." Auch die Bäckereifachverkäuferin hat ein umfangreiches Berufsbild. Sie müsse heute beispielsweise Salate oder Sandwiches zubereiten können. Wenn sie nach einem Mutterschaftsurlaub nach drei Jahren zurückkomme, werde sie feststellen, dass sich so viel nicht geändert habe - im Gegensatz etwa zu einem kaufmännischen Beruf, in dem sie eventuell mit einer völlig neuen Software zurechtkommen müsse.

Margraf thematisiert auch das Thema Berufsausbildung für Asylbewerber und Flüchtlinge. Da gebe es noch einige Unklarheiten. Er stehe diesem Thema offen gegenüber. Vor einiger Zeit habe sich ein Flüchtling um eine Lehrstelle beworben, und Margraf hätte ihn genommen. Doch wollte der Bewerber die nächtlichen Fahrten mit dem Rad von Eichstätt nach Obereichstätt nicht auf sich nehmen - der Obermeister zeigt Verständnis.

Die Firma Metallbau Böhm GmbH in Eichstätt überlegt derzeit ebenfalls, einen Flüchtling als Azubi zu nehmen. "Er hat ein Praktikum gemacht und einen guten Eindruck hinterlassen", sagt Geschäftsführer Robert Böhm. Einige Fragen seien intern aber noch zu klären. Werden sie positiv beschieden, könne der Flüchtling eine Lehre als Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik, beginnen. Die diesjährige Situation beschreibt Böhm für sich als "relativ gut". Zwei junge Leute aus der Region würden jetzt anfangen.

Mit heutigen Azubis macht Böhm durchwachsene Erfahrungen. Einige hätten "null Bock" und entsprechende Noten. "Das ist schade, denn eine Ausbildung ist fürs Leben", sagt der Geschäftsführer. Andererseits kennt er hoch motivierte Leute, die ihrer Lehre mit einem Einserschnitt beenden. Doch dann sei es nicht sicher, dass solche Lehrlinge dem Handwerk erhalten blieben. Sein "Einser-Azubi" mit Abitur studierte Maschinenbau. Überhaupt hätte das Handwerk keine Chance gegen die Industrie. "Das Handwerk hat keinen hohen Stellenwert mehr." Der Spruch "Handwerk hat goldenen Boden" gelte schon seit 20 Jahren nicht mehr.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe klagt ebenfalls. Markus Schmidramsl, der in der "Trompete" in Eichstätt Hotelfachleute und Köche ausbildet, hatte bis vor wenigen Tagen keine Bewerbung. Ein Kandidat sei wieder abgesprungen, als er gemerkt habe, dass in der Wirtschaft Alkohol ausgeschenkt werde, sagt Schmidá †ramsl. Dennoch konnte die Lehrstelle jetzt besetzt werden, mit einem "charmanten jungen Iraker", wie Schmidramsl bemerkt. In der Küche wird ein Lehrling ausgebildet. "Er ist ebenfalls kein Deutscher." Früher, so erinnert sich der Gastronom, hätte es auf die beiden Lehrstellen 20 Bewerbungen gegeben. "Das ist acht, neun Jahre her." Woran das liege? Immer mehr Schulabsolventen studierten und die Gastronomie insgesamt werde als quälend beschrieben. "Wir bemühen uns, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich unsere Mitarbeiter und Azubis wohlfühlen", versichert Schmidá †ramsl. Nur: "Der Gast will mittags und abends essen, und dieser menschliche Zyklus gibt die Arbeit in der Gastronomie vor." Letztlich, so lässt der Unternehmer durchblicken, sei es eine Frage der Bezahlung: "Unsere Leute arbeiten hart und müssen entsprechend entlohnt werden."